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“Mifid II alarmiert die Branche mehr als Basel III”

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Hartmann: Dazu steht naturgemäß nichts in dem  Entwurf. Die EU geht mehr und mehr dazu über statt über Direktiven (Richtlinien), die jedes Land national eigenständig in Gesetze ausgestalten kann, eine sogenannte Single-Rule-Book-Regulation durchzuführen. Das heißt, es werden „Regulations“, also auf Deutsch Verordnungen, erlassen, die direkt gelten und Eins zu Eins umgesetzt werden müssen. Basel II etwa ist überwiegend in diese Form gegossen worden. Auch bei Mifid II wird ein Teil als Verordnung erlassen. Die ESMA wird die Rolle des Verordnungsgebers für die 27 EU-Staaten übernehmen. Die nationalen Aufsichtsbehörden werden dann künftig  die Umsetzung der europäischen Regeln überwachen.

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: Ist es sinnvoll, dass die ESMA national zugelassene Produkte verbieten darf?

Hartmann: Das ist aus Sicht der Politik inhaltlich verständlich, insbesondere nach der Finanzmarktkrise. Für die Institute wäre es jedoch unwägbar, , wenn eine Behörde im Nachgang vorab geprüfte Produkte verbieten könnte. Deshalb muss im Detail ausdiskutiert werden, wann welche Produkte mit welchen Konsequenzen verboten werden dürfen. Wer entschädigt dann etwa die Anleger, wenn es zu einer Rückabwicklung kommt? Wichtig ist hier, dass ein Verbot nach den Erfahrungen der Finanzmarktkrise verständlich ist - der Weg, wie das umgesetzt wird, ist aber sorgfältig zu durchdenken.

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: Sind die Kosten aus Mifid II bereits abschätzbar?

Hartmann
: Dafür ist es noch zu früh. Es wird ein signifikanter Aufwand für die Marktteilnehmer sein, der aber von Land zu Land verschieden ausfällen dürfte. Ein Beispiel ist die Pflicht zur Aufzeichnung telefonischer Beratungsgespräche. In Großbritannien ist das bereits Standard, in Deutschland nicht. Ich halte die Frage, wie teuer die Umsetzung für die Institute kommt, aber nicht für die entscheidende.

DAS INVESTMENT.com: Sondern?

Hartmann: Man muss eher fragen, was die Regulierung für die einzelnen Geschäftsmodelle bedeutet. Also: Wie verändert sich der Markt, welche Segmente werden weniger Probleme haben, wer wird seinen Marktanteil halten und wer wird aus dem Markt gedrängt? Mifid II hat in jedem Fall das Potenzial den Markt der Wertpapierberatung und des Wertpapierhandels radikal zu verändern. Eine Auswirkungsanalyse haben wir aber noch nicht, dazu ist es definitiv noch zu früh.

DAS INVESTMENT.com: Sehen Sie die Gefahr der Überregulierung?

Hartmann
: Die Gefahr ist zweifelsohne vorhanden, weil sehr viele neue Regulierungsvorschriften  aus verschiedenen Richtungen kommen. Das größte Regulierungsvorhaben für die Banken ist derzeit Basel III sowie die Kapitalanforderungen nach CRD IV. Nun diskutieren wir Mifid II. Daneben haben wir Bankenabgabe, Finanztransaktionssteuer, IFRS 9,9% EBA-Stresstest, etc. Es fehlen aber Untersuchungen, wie die Regulierungen in ihrer Gesamtheit zusammen auf die Branche wirken und welche Wechselwirkungen bestehen. Das wäre aber von großer Bedeutung, um die Wirksamkeit der Regulierung einschätzen zu können.


Zur Person
: Ullrich Hartmann ist Partner und Leiter des Bereichs Financial Services Regulatory bei PricewaterhouseCoopers (PwC). Hartmann ist unter anderem für die Prüfung und Beratung von Banken und Finanzdienstleistern in Sachen Wertpapier-Compliance zuständig. PwC hat bereits im November 2011 eine Roadshow zu Mifid II veranstaltet und berät Banken individuell zu den Anforderungen.

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