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Nahrungstechnologie Mikrobe statt Kuh – Nachhaltige Lebensmittel aus dem Labor

Proteinproduktion bei Solar Foods in Helsinki, Finnland
Proteinproduktion bei Solar Foods in Helsinki, Finnland: Nahrungstechnologieunternehmen entkoppeln die Lebensmittelherstellung von der energieintensiven Landwirtschaft. | Foto: Imago Images / Hans Lucas

Ein proteinreiches Frühstück mit Rührei und Würstchen oder ein Eis und ein Milchshake am Nachmittag: Alles hergestellt aus Luft. Das finnische Start-up Solar Foods lässt Science-Fiction Realität werden – es produziert ein nährstoffreiches Protein für Fleisch, Milch, Eier und ähnliches im Labor, mit Kohlendioxid als primärem Rohstoff.

Solar Foods ist nur eines von vielen Nahrungstechnologieunternehmen, die Lebensmittel aus dem Labor anbieten und damit die Produktion von der energieintensiven Landwirtschaft entkoppeln. Die Ernährungswissenschaftler hoffen, dass die alternativen Lebensmittel günstiger und nahrhafter werden als ihre traditionell hergestellten Pendants. Damit würde der Weg frei für eine radikale Umstellung des Ernährungssystems.

Ressourcenschutz und biologische Vielfalt

„Fortschritte in der synthetischen Biologie und der sogenannten Präzisionsfermentation, bei der Mikroorganismen so programmiert werden, dass sie komplexe organische Moleküle bilden, könnten uns die Möglichkeit geben, noch viel mehr als nur pflanzliches Fleisch und grundlegende Proteinquellen wie Soja zu ersetzen“, erwartet Dr. Passi Vainikka, CEO und Mitbegründer von Solar Foods.

Ein radikales Umdenken im Bereich des globalen Ernährungssystems ist unabdingbar, wenn der Planet die 10 Milliarden Menschen ernähren soll, die 2050 auf der Erde leben werden. Gleichzeitig müssen die natürlichen Ressourcen und die biologische Vielfalt geschützt werden. Schon jetzt entfallen mehr als ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen und über 70 Prozent der Süßwasserentnahmen auf Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion.

Proteinherstellung mit Mikroben

Im Gegensatz zu etablierteren Produzenten von alternativem Fleisch wie Impossible Foods oder Beyond Meat verwendet Solar Foods keine Pflanzen für die Herstellung seines Proteins. Stattdessen nimmt das Unternehmen eine Mikrobe aus der Natur zur Hilfe.

Mikroben ernähren sich aus CO2-Blasen, Wasserstoff und Sauerstoff, und wachsen und vermehren sich in einer Wasserlösung. Alle Zutaten werden direkt aus der Luft bezogen. Nach Abschluss dieses Fermentationsprozesses vertrocknen sie.

Das Ergebnis ist ein nahrhaftes Pulver namens Solein, das neun essenzielle Aminosäuren enthält und dessen Zusammensetzung hinsichtlich der Makronährstoffe derjenigen von getrocknetem Soja oder Algen ähnelt.

Mikrobe statt Kuh

Die neuartige Technik wird als Präzisionsfermentation bezeichnet. Sie kombiniert die traditionelle Fermentierung – wie wir sie von der Brot- und Bierherstellung kennen – mit synthetischer Biologie, Engineering und Informationstechnologie.

„Im Prinzip kann man jedes Protein herstellen, indem man einer Mikrobe beibringt, wie sie das machen soll. Man könnte sagen, eine Kuh ist ein Technologie-Element, das für die Herstellung von Fleisch und Milch genutzt wird, und diesen Schritt umgeht man, um Protein deutlich effizienter und schneller herzustellen“, sagt Catherine Tubb, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim unabhängigen Thinktank RethinkX.

Konzentrierte Ernährung

Solein kann ohne tierische Bestandteile und Mutterboden in einem Labor zu Fleisch, Milch, Eiern und anderen Nahrungsmitteln verarbeitet werden. Sein ökologischer Fußabdruck ist viel besser als der von Pflanzen oder Rindfleisch. Darüber hinaus macht es das Nahrungsangebot vielfältiger, weil sage und schreibe eine Billion noch unerforschte Spezies genutzt werden können.

Das ist entscheidend, wenn man bedenkt, wie konzentriert unsere Essgewohnheiten sind: Der Mensch verzehrt nur 200 der 10.000 entdeckten essbaren Pflanzen. 75 Prozent unserer Nahrungsmittel stammen aus gerade mal zwölf Pflanzen und fünf Tieren.

Zulassung bis Ende 2022

Neben der Herstellung von tier- und pflanzenfreiem Protein entwickelt Solar Foods auch Möglichkeiten, echtes Fleisch oder Fisch aus Zellen herzustellen, die das Primärprotein des Herstellers als Medium nutzen. „Am Ende hätte der Verbraucher wie bisher Fleisch oder Fisch auf dem Teller, nur die Art und Weise, wie es dorthin gelangt ist, hat sich komplett verändert“, erklärt Dr. Vainikka.

Solein-basierte Produkte dürften bis Ende 2022 in die Lebensmittelgeschäfte kommen; das Unternehmen rechnet damit, dass es von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit die Zulassung als neuartiges Nahrungsmittel erhält.

Günstige Produktionskosten

Solar Foods hat bereits 35 Millionen Euro an Finanzierungsmitteln eingeworben und sich knapp ein Drittel aus dem finnischen Klimafonds gesichert. Das Unternehmen stellt die globale Fleisch- und Milchprodukteindustrie auf den Kopf, die zusammen einen Wert von geschätzten 2 Billionen US-Dollar hat.

Das Unternehmen plant mit Produktionskosten von 5 bis 6 Euro pro Kilogramm. Das ist vergleichsweise günstig, wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Einzelhandelspreis für Rindfleisch bei circa 3 bis 4 Euro pro Kilogramm Protein, für Lachs bei 7 bis 8 Euro und für Nüsse bei 11 Euro liegt.

Profiteure der Technologie

Alternative Nahrungsbestandteile und deren Produzenten dürften in den kommenden Jahrzehnten an strategischer Bedeutung gewinnen, da Regierungen angesichts der wachsenden Bevölkerung, der globalen Erwärmung und der Urbanisierung ihre Bemühungen intensivieren, die Nahrungsmittelversorgung zu sichern, die inländischen Nahrungsmittelpreise zu stabilisieren und autark zu werden.

„Wir haben es hier mit einer zutatengetriebenen Disruption zu tun“, erläutert Tubb. Die Regierungen sind bereits unter Druck und müssen ihre Politik zur Ernährungssicherheit überdenken, nachdem die Covid-19-Krise einen schwerwiegenden Personalmangel in der Lebensmittelverarbeitung, Störungen der Lieferketten und höhere Preise ausgelöst hat.

„Im Nahen Osten und in Regionen wie Singapur, wo die Lebensmittelversorgung bereits ein viel größeres Thema ist, ist der Nutzen dieser Technologie enorm“, ergänzt Tubb. „Sie würden viel stärker von dieser Technologie profitieren.“

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