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Verband erwartet Nachholeffekt bei Preisen in der Kfz-Sparte
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist mit dem vergangenen Geschäftsjahr zufrieden und blickt verhalten optimistisch auf das laufende Jahr 2024. GDV-Präsident Norbert Rollinger und Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen, der auf Nachfrage mitteilte, gerne über das Ende seines Vertrags 2025 für den Verband arbeiten zu wollen, stellten am Donnerstag bei der Jahresmedienkonferenz die Zahlen vor.
2024 wird ein Beitragspuls von 3,8 Prozent erwartet
Demnach verbuchten die Versicherer 2023 über alle Sparten hinweg ein leichtes Beitragsplus von 0,6 Prozent auf 224,7 Milliarden Euro. Für dieses Jahr erwartet die Assekuranz vor dem Hintergrund steigender Nominallöhne und nachlassender Inflation ein Beitragswachstum von 3,8 Prozent. „Bedenkt man die schwierigen Rahmenbedingungen wie die globalen Unsicherheiten, können wir mit dem Ergebnis von 2023 durchaus zufrieden sein“, sagte Rollinger. „Für das aktuelle Geschäftsjahr sind wir sogar etwas optimistischer.“
Sorgenkind Kfz-Versicherung
Besondere Aufmerksamkeit erfuhr die Kfz-Versicherung. Die Sparte musste 2023 durch die gestiegenen Preisen wie zum Beispiel bei Autoreparaturen einen versicherungstechnischen Verlust von rund 2,9 Milliarden Euro hinnehmen. „Jedem eingenommenen Euro standen Ausgaben von 1,10 Euro gegenüber“, so Rollinger.
Auch insgesamt sei das vergangene Jahr in Schaden- und Unfallversicherung geprägt von nachgelagerten Anpassungen an Schadensaufwendungen wie zum Beispiel Baukosten gewesen. Zwar verbuchte die Sparte ein Beitragswachstum von 6,7 Prozent auf 84,5 Milliarden Euro. Aber der Schadenaufwand legte mit 12,7 Prozent deutlich stärker zu als die Beitragsentwicklung. Der versicherungstechnische Gewinn ging so um mehr als die Hälfte auf rund 1,5 Milliarden Euro zurück.
Für dieses Jahr prognostiziert der GDV in der Schaden- und Unfallversicherung Beitragszuwächse von 7,7 Prozent. „Vor allem die Entwicklung in der Kfz-Versicherung wird voraussichtlich von Nachholeffekten geprägt sein“, sagte Rollinger. „Auch steht zu befürchten, dass die Reparaturkosten weiter steigen werden. Daher rechnen wir hier mit einem Beitragszuwachs von zehn Prozent für 2024.“
Schwarze Null in der Lebensversicherung erwartet
Das Geschäft mit Lebensversicherungen sei 2023 durch die schwierige gesamtwirtschaftliche Lage sowie die schwache Entwicklung der realen Löhne und der damit einhergehenden Konsumzurückhaltung belastet gewesen. Vor allem das Einmalbeitragsgeschäft sei mit einem zweistelligen Rückgang davon betroffen gewesen. Die laufenden Beiträge hätten sich dagegen robust auf Vorjahresniveau entwickelt. Insgesamt gingen die Beitragseinnahmen bei den Lebensversicherern um 5,2 Prozent auf 92,0 Milliarden Euro zurück.
Im laufenden Jahr erwartet der Verband nach eigenen Angaben ein besseres Umfeld für die Lebensversicherung. „Die höheren Zinsen verbessern die Ertragskraft der Unternehmen, die steigende Überschussbeteiligung erhöht die Attraktivität der Produkte und die realen Einkommen dürften weiter anziehen, während die Inflation abnimmt“, sagte Asmussen. Unterm Strich erwartet der Verband für 2024 ein Ende des Rückgangs und eine stabile Beitragsentwicklung. Die Beitragseinnahmen dürften insgesamt bei 91,8 Milliarden Euro liegen. Das ergibt einen sehr leichten Rückgang um 0,2 Prozent.
Auch PKV mit stark steigenden Leistungsausgaben
In der Privaten Krankenversicherung gab es aus Verbandssicht eine Trendwende. Erstmals konnte die Zahl der Vollversicherten nach Abzug der Sterbefälle und Abgänge wegen gesetzlicher Versicherungspflicht wieder gesteigert werden, wenn auch nur um 0,03 Prozent. Die Beitragseinnahmen 2023 erhöhten sich derweil um 2,3 Prozent auf 48,2 Milliarden Euro. 42,6 Milliarden Euro entfielen davon auf die Krankenversicherung (plus 1,3 Prozent). In der Pflegeversicherung stiegen die Beiträge 10,3 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro. Für die Gesamtsparte liegt der Zuwachs bei den Leistungsausgaben mit 9,1 Prozent ebenfalls deutlich über dem Prämienzuwachs. Zum laufenden Geschäftsjahr gab der Verband keine Prognose ab.
Nächster Angriff auf eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden
Natürlich nutzte der GDV, der nach einer Auswertung gerade erst als Lobbyist im Bundestag mit den größten Ausgaben (über 15 Millionen Euro) identifiziert wurde, die Veranstaltung, um bekannte politische Forderungen zu wiederholen. Im Vordergrund standen dabei vor allem die Themen Hochwasserschutz und Elementarschadenpflichtversicherung. Bekanntlich wehrt sich der Verband seit langem gegen dessen Einführung.
Hallo, Herr Kaiser!
Statt solch einer Pflichtversicherung, wie sie derzeit von vielen politischen Entscheidungsträgern gefordert wird, befürwortet der GDV die Umsetzung eines „Gesamtkonzepts“, wie der Verband es nennt. Zu diesem Konzept zählen die Lobbyisten Maßnahmen wie den Verzicht auf neue Gebäude in ausgewiesenen Gefahrengebieten, die Integration von Prävention und Klimafolgenanpassung in die Landesbauordnungen und ein bundesweites Naturgefahrenportal. „Nur wenn die Gefahren transparent sind, werden die Verantwortlichen Präventionsmaßnahmen umsetzen. Andere Länder wie Österreich und die Schweiz sind uns hier um Jahre voraus“, sagte Rollinger.
Ohne politisches Handeln drohe Prämienverdoppelung
Die jüngsten Hochwasserereignisse rund um Weihnachten hätten versicherte Schäden von ungefähr 200 Millionen Euro verursacht. Davon entfielen 180 Millionen Euro auf die Wohngebäudeversicherung, die restlichen 20 Millionen Euro auf die Kfz-Versicherung und Hausrat. Damit seien die Schäden geringer als zunächst befürchtet. Dennoch ist der GDV nicht zufrieden und beklagt fehlende Investitionen der Politik zum Beispiel beim Deichbau. Hier müsse man priorisieren. Asmussen: „Länder und Kommunen haben bei Prävention und Klimafolgenanpassung große Defizite. Viele Probleme vor allem beim Hochwasserschutz sind hausgemacht und hätten durchaus verhindert werden können.“
„Eine Versicherung alleine kann das Problem nicht lösen“, legte Rollinger nach. Nur Prävention verhindere Schäden. Der GDV-Präsident, der zugleich Chef der genossenschaftlichen R+V-Versicherung ist, warnte: „Sollte die Politik hier nicht eingreifen, könnten sich die Prämien für die Wohngebäudeversicherung in den nächsten zehn Jahren, vielleicht in einem noch kürzeren Zeitraum, verdoppeln.“
Lebenslange Rente erhalten
Beim Thema Reform der geförderten privaten Altersvorsorge wird für diesen Sommer ein Gesetzgebungsverfahren erwartet. „Die echte Altersvorsorge sichert ein ganzes Leben ab – das sollte der Fokus der Reform sein“, sagte Asmussen. „Altersvorsorge ist weitaus mehr als Vermögensaufbau. Es wäre kontraproduktiv, die lebenslange Rente aufzugeben“, so Hauptgeschäftsführer Asmussen. Damit stelle sich der GDV erneut gegen die Pläne der von der Bundesregierung eingesetzten „Fokusgruppe Altersvorsorge“. Mehr als die Hälfte der Menschen, die heute in Rente gehen, lebt länger als 85 Jahre. „Da hilft ein Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr nicht viel“, so Asmussen.
Betriebliche Altersvorsorge sollte in KMU gestärkt werden
Auch bei der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) sieht der GDV Handlungsbedarf. „Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz hat sich vor sechs Jahren viel getan. Jetzt muss es gezielt weiterentwickelt werden“, sagte Asmussen. So sollten Sozialpartnermodelle für weitere Unternehmen geöffnet werden. Aber auch generell könne man die bAV attraktiver gestalten. Arbeitnehmer könnten in kleinen und mittleren Unternehmen nach einem sogenannten Opt-Out-Modell automatisch in die bAV einbezogen werden. Noch besser wäre es aus Sicht des GDV, wenn sich die Arbeitgeber zusätzlich zur Entgeltumwandlung an der Betriebsrente beteiligen.
Ein Thema in der Diskussionsrunde mit Medienvertretern war die aktuelle Debatte um die AfD. Eine Umfrage unter Vermittlern und weiteren Branchenangehörigen, wen sie bei einer Bundestagswahl zum jetztigen Zeitpunkt wählen würden, hatte ein AfD-Ergebnis vom 21 Prozent gebracht. In seinem Einführungsstatement hatte Rollinger lediglich allgemein über schädliche Pläne für den Wirtschaftsstandort Deutschland, wie einen Austritt aus der EU gesprochen.
Abgrenzung von der AfD
Auf Nachfrage von DAS INVESTMENT, wie man sich die Umfragezahlen erkläre und ob der offensichtliche Rechtsruck unter Branchenangehörigen ein relevantes Thema für den Verband sei, gingen die beiden Funktionäre nicht direkt ein. Wohl aber auf, die Frage, ob sich der GDV ausreichend gegen rechts positioniert. Hierzu sagte Asmussen energisch: „Ich habe mich wiederholt von der AfD abgegrenzt. Die AfD und ihr Programm ist demokratiefeindlich, es ist verfassungsfeindlich und schadet dem Standort Deutschland.“ Diese Haltung und entsprechende veröffentlichte Aussagen von ihm seien zudem nicht neu.
Rollinger liefert fragwürdiges Beispiel
GDV-Präsident Rollinger unterstrich in der Diskussion, dass es in einer Demokratie wichtig wäre, die Konsequenzen solcher Programme aufzuzeigen. Gleichzeitig sollte man im Meinungsstreit bleiben, um Themen, die der AfD Protestwähler zuführen würden, zu lösen. Als Beispiel nannte er ausgerechnet wieder das zuvor ausführlich behandelte Thema des Elementarschutzes als Zwangspflichtversicherung der Politik. Dass ausgerechnet dieses Thema die Menschen in die Arme der Rechtsaußen-Partei treibt, dürfte für die Zuhörer an diesem Tag indes eine neue Erkenntnis gewesen sein.