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Mit allen Wassern gewaschen Wie Betrüger mit Finanzmathematik die Kunden täuschen

Karl-Heinz Thielmann ist der Vorstand vom Long-Term Investing Research - Institut für die langfristige Kapitalanlage
Karl-Heinz Thielmann ist der Vorstand vom Long-Term Investing Research - Institut für die langfristige Kapitalanlage
Im Jahr 1993 verkaufte Bankers Trust, zu diesem Zeitpunkt als innovativste Investmentbank der Wall Street bekannt, einen sogenannten Zinsswap im Volumen von 200 Millionen US-Dollar an die Finanzabteilung des Konsumgüterkonzerns Proctor & Gamble, die bis dahin einen hervorragenden Ruf für professionelle Vorgehensweise genoss.

Wie sich später herausstellte, verlor Proctor & Gamble mit diesem Geschäft praktisch das ganze eingesetzte Kapital. Und wie sich weiterhin erwies, war dieses von vornherein sogar relativ wahrscheinlich, während nur eine geringe Erfolgsaussicht bestand.

Allerdings glaubten die Finanzleute des US-Multis bei Geschäftsabschuss etwas völlig anderes. Proctor und Gamble fühlte sich betrogen und verklagte Bankers Trust wegen „Zurückhaltens wichtiger Information“ auf Schadensersatz. In einer außergerichtlichen Einigung erklärte sich Banker Trust später bereit, 83 Prozent der entstandenen Verluste zu ersetzten.

Dennoch bleibt die Frage: Wie konnte es sein, dass mit allen Wassern gewaschenen Finanzierungsprofis so hinters Licht geführt wurden? Die Antwort ist ganz einfach: Bankers Trust hat mit komplizierten Berechnungen die Risiken vernebelt.

Die Proctor & Gamble-Manager haben sich von scheinbar exakten Kalkulationen und mathematischen Analysen in die Irre leiten lassen, weil sie deren Wissenschaftlichkeit vertrauten.

Trotz der Niederlage von Bankers Trust vor Gericht ist die Täuschung von Kunden mittels manipulierter wissenschaftlicher Analysen inzwischen gängige Praxis an den Finanzmärkten.

Unverständliche Zinsswapgeschäfte hatten ein unrühmliches Revival vor der Finanzkrise 2008. Hinzu sind eine ganze Reihe von anderen irreführenden Produkten gekommen, die auf finanzmathematischen Analysen basieren.

Insbesondere im Risikomanagement hat dies teilweise zu fatalen Resultaten geführt, was wir in „Mit ruhiger Hand“ im vergangenen Jahr schon in den Beiträgen der Reihe „Die große Risikoverwirrung“ thematisiert haben.

Denn Ratingagenturen und Investmentbanken haben aus dem Fall Bankers Trust versus Proctor & Gamble vor allem diese Konsequenzen gezogen: 1) Mit mathematischen Analysen lassen sich auch die ansonsten cleversten Leute täuschen; sowie 2) man muss sich rechtlich so absichern, dass Schadensersatzklagen wenig Erfolg versprechen.

Doch ist der Generalvorwurf eines Missbrauchs von finanzmathematischen Methoden wirklich berechtigt? Die Mathematiker David Bailey, Jonathan Borwein, Marcos López de Prado und Qiji Jim Zhu haben sich vor Kurzem einmal die Methoden vorgenommen, mit denen Finanzmathematiker sowohl in der Wissenschaft und in Investmentbanken ihre Anlagestrategien testen.
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