Ökonom Michael Heise
Mittelstand: Gewinne sind wichtig, Widerstandsfähigkeit aber auch

Michael Heise ist Chefökonom der Anlagegesellschaft HQ Trust. Foto: HQ Trust
Steuerlast, Energieknappheit, Lieferengpässe: Mittelständische Unternehmen stehen vor zahlreichen Herausforderungen. Welche Aufgaben fordern sie in den nächsten Jahren besonders? Michael Heise von der Anlagegesellschaft HQ Trust gibt einen Einblick.
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Das Jahr 2022 war von zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen geprägt. 2023 hat für die Wirtschaft und die Kapitalmärkte zwar etwas ruhiger begonnen. Überwunden ist die Krise allerdings noch nicht. Es gibt nach wie vor makroökonomische Unsicherheiten. Dazu zählen die viel zu hohe Inflation, die Möglichkeit einer noch deutlich strafferen Geldpolitik, der Ukraine-Krieg und die geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China.
Die internationalen Handels- und Kapitalströme verändern sich und die Globalisierung nimmt eine neue Form an. Das ist für das Geschäftsmodell Deutschland von besonderer Bedeutung. Denn der konjunkturelle Erfolg der Bundesrepublik basiert auf der Internationalisierung der Wirtschaft, die von einem starken Mittelstand und einer leistungsfähigen Industrie vorangetrieben wird.
Die Abhängigkeit von China ist riskant
China und Russland wachsen wirtschaftlich immer stärker zusammen, während sich deutsche Unternehmen, die in Russland einst sehr bedeutend waren, wegen der Sanktionen weitgehend zurückziehen. Noch wichtiger sind jedoch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und seinem größten Handelspartner China, die inzwischen auch als riskant gelten.
Es ist kaum möglich, die Geschäfte mit China in überschaubarer Zeit durch Kooperationen mit anderen Ländern zu ersetzen. Wirtschaftsbeziehungen zu anderen asiatischen Staaten und mit den Partnern im westlichen Wertebündnis zu verstärken, nimmt viel Zeit in Anspruch.
Unter den großen Schwellenländern Asiens dürften Indien und Indonesien profitieren. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika dürften wegen der politischen Rahmenbedingungen, der sicheren Energieversorgung und hohen Subventionen für europäische und deutsche Unternehmen attraktiv sein. Es ist mit einem Wandel der internationalen Produktions- und Lieferketten zu rechnen.
Deutsche Mittelständler sollten folgende Schlussfolgerungen aus den Trends ziehen:
- Es ist wichtig, auf Unabsehbares gefasst zu sein.
- Hohe Eigenkapitalquoten sind in Krisen wichtig. Sie begrenzen zwar die Rendite, doch Renditemaximierung nützt wenig, wenn das Überleben in Krisen nicht gesichert ist.
- Einseitige Abhängigkeiten müssen reduziert werden. Sie können die Bezugsquellen von Vorprodukten betreffen und die Diversifizierung von Absatzmärkten und Produktionsstätten mit sich bringen. Die neue Realität ist geprägt von höheren Lagerbeständen und weniger Just-in-time-Optimierung.
- In der Wirtschaftspolitik gibt es reichlich Verbesserungspotenzial, unter anderem beim Bürokratieabbau, der Steuerlast, der Energieversorgung und dem Ausbau der Infrastruktur. Ändert sich an den Rahmenbedingungen nichts, müssen Unternehmen sich selbst anpassen – etwa durch Rationalisierungen, Produktionsverlagerungen ins Ausland, eine verminderte Fertigungstiefe und den Import von benötigten Produktkomponenten. Mit solchen Strategien blieben Unternehmen in der Vergangenheit wettbewerbsfähig, sie mindern allerdings oft Investitionen und die Beschäftigung am Standort Deutschland.
- In schwierigen Zeiten muss man besonders innovativ sein. Neue Technologien, die den Kundenbedarf besser erfüllen, sind oft das Grundgerüst für langfristige Markterfolge.
Erfolgreiche mittelständische Unternehmen sind für den Wohlstand in Deutschland von essentieller Bedeutung. Leider bessern sich die Rahmenbedingungen für die Firmen nicht. Die Industrieproduktion fällt in Deutschland zwar, allerdings gibt es keinen Konsens für wirksame strukturelle Maßnahmen. Entlastungsmaßnahmen im Rahmen des Krisenmanagements sind wichtig, verbessern aber die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auf lange Sicht nicht.
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