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Merger-Experte Felix Engelhardt
Wie der Mittelstand digital fit wird

Felix Engelhardt ist Gründer und CEO des Beratungsunternehmens Zumera. Foto: Zumera / Canva
Künstliche Intelligenz (KI) ist der Gamechanger für die Wirtschaft. Doch während bereits ein Drittel aller Großunternehmen hierzulande auf KI setzt, hinkt der Mittelstand hinterher. In seinem Beitrag beschreibt Felix Engelhardt die Gründe für den Rückstand und wie Mittelständler trotz allem die digitale Transformation meistern.
Erst jedes sechste mittlere Unternehmen und nur jedes zehnte kleine Unternehmen nutzt künstliche Intelligenz (KI), wie Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen. Will der deutsche Mittelstand konkurrenzfähig bleiben, muss er gezielt ihren Einsatz vorantreiben. Allerdings kämpfen viele Betriebe noch mit der Digitalisierung, sodass KI aktuell in weiter Ferne scheint.
Zwei wesentliche Faktoren beeinflussen die Digitalisierung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) maßgeblich. Der erste Faktor ist die Branchenzugehörigkeit. Betriebe in der Informations- und Kommunikationstechnik zählen naturgemäß zu den Vorreitern der Digitalisierung. Auch bei Unternehmen aus den Bereichen Elektrotechnik, Maschinen- und Fahrzeugbau ist sie bereits recht fortgeschritten. Den größten Aufholbedarf hingegen haben das verarbeitende Gewerbe, die Baubranche und Teile des Einzelhandels. KMU in diesen Sektoren stehen besonders vor Herausforderungen, da ihre Geschäftsmodelle und -prozesse oft stark von physischen und manuellen Abläufen abhängen.
Der zweite entscheidende Faktor ist die Unternehmensgröße. Die Ressourcen kleinerer Unternehmen sind häufig beschränkt und erschweren die komplexe digitale Transformation. Allerdings sind diese Betriebe oft deutlich flexibler als größere und somit in der Lage, schneller auf Veränderungen zu reagieren, was bei einer gut geplanten Strategie ein Vorteil sein kann.
Warum die Digitalisierung stockt
Abseits dieser beiden Faktoren gibt es eine Reihe von Gründen, warum viele KMU hierzulande die Digitalisierung bisher nicht aktiv vorangetrieben haben. Ein Grund sind fehlende Ressourcen. Die Implementierung neuer Technologien und die Schulung der Mitarbeiter erfordern hohe Investitionen – eine große finanzielle Hürde für viele Mittelständler. Zudem sind viele mittelständische Unternehmen personell nicht so gut aufgestellt wie große Konzerne. Dadurch fehlen die Kapazitäten, um die Digitalisierung eigenständig umzusetzen.
Eine weitere Ursache für das Zögern: Unternehmenslenker wissen teilweise gar nicht, welche Mehrwerte ihnen die Digitalisierung konkret bringt – und welches Potenzial in ihrem Betrieb schlummert. Da sich die bisherigen Prozesse bewährt haben und das Unternehmen damit erfolgreich ist, sehen sie gar keine Notwendigkeit, etwas zu ändern.
Doch selbst wenn der Betrieb mögliche Chancen sieht, so ist die digitale Transformation ein aufwendiges und komplexes Vorhaben. Die Angst vor dem Unbekannten und die Unsicherheit über die Auswirkungen der Transformation auf das Geschäftsmodell schrecken ab und können dazu führen, dass die vermuteten Risiken die erhofften Chancen überwiegen. Der ein oder andere Unternehmer hat Bedenken, dass die Implementierung neuer Technologien traditionelle Geschäftsprozesse beeinträchtigen könnte und dass sie nicht in der Lage sind, mit dem schnellen Wandel in der digitalen Welt Schritt zu halten.
Darüber hinaus fehlen KMU – gerade aufgrund der begrenzten Ressourcen – das Know-how und die Expertise, um die Potenziale der Digitalisierung optimal auszuschöpfen. So arbeiten zwar Organisationen mit Daten, jedoch steuern sie ihre Prozesse oder Geschäftsmodelle vielfach noch nicht datenbasiert. Oder IT-Projekte werden ohne klare Strategie und Zielsetzung gestartet, was zu einem ineffizienten Einsatz von Ressourcen und einem unbefriedigenden Return on Investment führen kann.
Und schließlich gibt es eine Hürde, die Betriebe kaum beeinflussen können: Fehlendes Hochleistungsinternet ist in ländlichen Regionen noch immer ein großes Problem und wird so zum Bremsklotz für die Transformation.
Anpacken, um aufzuholen
Wenn der deutsche Mittelstand als das Rückgrat unserer Wirtschaft nicht den Anschluss an die Konkurrenz verlieren soll, muss das digitale Zeitalter dringend in allen Betrieben ankommen. Damit das gelingt, müssen die Grundvoraussetzungen geschaffen werden. Das umfasst zunächst einmal den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Sie muss auf dem Land genauso gut und stabil sein wie in den Großstädten.
Verantwortlich für den Ausbau des Glasfasernetzes sind in Deutschland vorrangig die Telekommunikationsunternehmen. Der privatwirtschaftliche Ansatz ist zwar prinzipiell sinnvoll. Er darf aber nicht dazu führen, dass Regionen abgehängt werden, nur weil sich der Ausbau aus Sicht der Telekommunikationsunternehmen nicht lohnt.
Ein weiterer Katalysator sind bedarfsorientierte Unterstützungsangebote für den Mittelstand. Zum einen erleichtern Förderprogramme und finanzielle Anreize des Staates den Einstieg in die Digitalisierung. Damit sie wirklich in den Betrieben ankommen und von diesen genutzt werden, sollten sie so unbürokratisch wie möglich gestaltet sein. Und sie sollten offensiv kommuniziert werden, denn kaum ein Mittelständler hat die Zeit, sich durch das Dickicht der deutschen Förderlandschaft zu arbeiten.
Zum anderen braucht es niederschwellige Bildungsinitiativen. Digitale Prozesse sind längst mehr als die Bedienung von Excel oder der Buchhaltungssoftware. Sie erfordern fundierte Digitalkompetenzen, die in Schule und Lehre bislang nicht oder nur unzureichend vermittelt werden. Gezielte (Weiter-)Bildungsangebote stärken diese Kompetenz in der gesamten Bevölkerung. Gerade mit Blick auf KI werden solche Angebote noch wichtiger.
Günstige Rahmenbedingungen sind die Voraussetzung für die Transformation. Am Ende sind es aber die Unternehmenslenker, die sie umsetzen müssen. Das erfordert zunächst Mut und Offenheit, bestehende und bewährte Abläufe zu hinterfragen. Und neben der Investitionsbereitschaft setzt es Kenntnis voraus, wo im Betrieb was und wie digitalisiert werden kann.
KMU, die sich unsicher sind, wo genau Potenziale schlummern, sollten einen externen Fachmann hinzuziehen. Dieser identifiziert geeignete Einsatzmöglichkeiten, kann Nutzen und Aufwand benennen sowie bei der Realisierung unterstützen. Wer hingegen sich nicht gleich einen Berater ins Haus holen will, kann sich alternativ einen Rat von einem anderen Mittelständler holen, der die Digitalisierung bereits gemeistert hat.
Eine weitere Option, die insbesondere mit Blick auf die Umsetzung reizvoll sein kann: Die Digitalisierung gemeinsam mit anderen KMU umzusetzen. Das kann von einer lockeren projektbezogenen Partnerschaft bis zur Fusion oder Übernahme reichen. Auf diese Weise können Synergien genutzt und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden.
Ein Beispiel gelungener Digitalisierung: UWS Technologie
Die Digitalisierung stellt für viele KMU eine Herkulesaufgabe dar, bietet jedoch zugleich große Chancen. Auch kleine Betriebe können sie erfolgreich meistern, wie das Beispiel von UWS Technologie beweist. Das Unternehmen aus dem bayerischen Insingen ist auf die professionelle Heiz- und Kühlwasseraufbereitung spezialisiert.
Der Betrieb begann vor 25 Jahren als Ein-Mann-Werkstatt und ist heute mit 90 Beschäftigten Technologieführer auf dem Markt. Die digitalgestützten Produkte sind integraler Bestandteil moderner Heiz- und Kühlsysteme. Gerade in Smart-Home-Umgebungen spielen sie eine wichtige Rolle, indem sie die Wasserqualität automatisiert überwachen und steuern, was zu effizienteren und energieeffizienten Heizsystemen führt. 2022 stieg der niederländische Technologie-Konzern Aalberts bei der UWS Technologie ein, wodurch der Mittelständler seinen Wachstumskurs fortsetzen konnte.
Das Beispiel UWS Technologie zeigt eindrücklich: Die digitale Transformation ist Herausforderung und Chance zugleich. Doch es lohnt sich für KMU, sich ihr zu stellen. Und mit KI steht die nächste Zukunftstechnologie bereits in den Startlöchern.