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Aktualisiert am 27.01.2020 - 14:33 Uhrin MärkteLesedauer: 3 Minuten

„Monsanto will die Nahrungskette kontrollieren”

Marie-Monique Robin
Marie-Monique Robin

DAS INVESTMENT.com: Sie haben mehr als drei Jahre für den Film und das Buch über den Saatgutkonzern Monsanto recherchiert. Wie sind Sie auf das Thema gekommen? Marie-Monique Robin: Ich komme aus einer Familie von Landwirten, und ich habe schon früher Dokumentationen über die nachlassende Artenvielfalt und die Geschichte von Kulturpflanzen gemacht. Eine Meinung zu genmanipulierten Organismen hatte ich nicht. Mein Bruder sagte, das sei nicht schlimm, da wird nur ein bisschen was verändert, aber die Pflanze bleibt eine Pflanze, kein Grund, sich Sorgen zu machen. Während meiner Reisen durch Indien und Südamerika fiel dann ständig der Name Monsanto. Rückblickend war es wie ein böser Geist. Die Bauern sagten mir, ich müsse über das Unternehmen etwas machen. Ich wurde neugierig und wollte zwei zentralen Fragen nachgehen: „Was ist das für ein Unternehmen?“ und: „Können wir diesem Unternehmen trauen, wenn es behauptet, seine Produkte sind sicher und stellen keine Gefahr dar?“ DAS INVESTMENT.com: Wann gab es die ersten Berührungspunkte mit Monsanto? Robin: Ich habe zuerst im Internet recherchiert und saß vor einem gigantischen Puzzle: ein Riesen-US-Konzern, eines der umstrittensten Unternehmen weltweit, die Verbindung zum Entlaubungsgift „Agent Orange”, PCB-Skandale und eine Weltmacht auf dem Markt der genveränderten Organismen. Diese Teile habe ich dann zusammengefügt. DAS INVESTMENT.com: Was war die größte Überraschung für Sie? Robin: Dass die massenhafte Verbreitung von genveränderten Organismen durch Manipulation und Intrigen möglich ist. Die Produkte kamen auf den Markt, ohne irgendeinem wissenschaftlichen Test unterzogen worden zu sein. Es wurde gelogen, Daten wurden verschleiert und falsche Studien veröffentlicht. Die Zulassungen geschahen aus politischen Gründen. Schon die US-Präsidenten Ronald Reagan und George Bush senior haben die Biotech-Industrie dereguliert, um den Unternehmen eine schnelle Marktreife ihrer Produkte zu ermöglichen. DAS INVESTMENT.com: Ihr Fazit? Robin: Ich bin schockiert, wie lautlos und von der Öffentlichkeit fast unbemerkt Monsanto die Welt mit Genpflanzen und Pestiziden überzieht. Mit den Patenten auf genveränderte Organismen will Monsanto die Nahrungsmittelkette kontrollieren. Es ist unvorstellbar, welchen enormen Einfluss dieses multinationale Unternehmen dabei auf demokratische Staaten und Institutionen ausüben kann. Es gibt das Prinzip der „Revolving Doors”: Wissenschaftler von Monsanto wechseln in Regierungsorganisationen und umgekehrt. Auch in Europa: 80 Prozent der Wissenschaftler der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit arbeiten sehr eng mit Monsanto oder dessen Wettbewerber Syngenta zusammen. Wie können diese Wissenschaftler unabhängige Entscheidungen treffen? Wenn die genveränderten Organismen nicht schädlich sind, warum wird dann nicht alles transparent gehandhabt? Ich hätte zu Beginn meiner Recherche nicht damit gerechnet, dass ich einmal so beunruhigt sein würde, was Nahrungsmittel betrifft. DAS INVESTMENT.com: Hatten Sie Angst während Ihrer Arbeit? Robin: Ja. Mein Anwalt William Bourdon und ich haben alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen. Aber ein Unternehmen, das dazu in der Lage ist, amerikanische und europäische Regulierungsinstanzen zu manipulieren, Journalisten und Forscher zu entlassen, missliebige Untersuchungen abzubrechen, das kann durchaus über Waffen verfügen, die wir nicht kennen. DAS INVESTMENT.com: Es ist also alles gut gegangen. Robin: Keine Klagen, nichts. Das ist für mich eine Würdigung der aufwendigen Recherche und natürlich eine stille Bestätigung der Vorwürfe. DAS INVESTMENT.com: Vertreter des Unternehmens wollten nicht mit Ihnen reden? Robin: Die wollten ihre PR-Mitarbeiter schicken. Mit denen wollte ich aber nicht sprechen. Ich wollte an die wirklich wichtigen Leute ran. Dann haben sie recherchiert, wer ich bin und was ich gemacht habe. Nach drei Monaten kam die Antwort: kein Interview, keine Aussagen, kein Kommentar. DAS INVESTMENT.com: Welche Botschaft hoffen Sie, mit Film und Buch zu transportieren? Robin: Ich möchte eine ernsthafte Debatte über genveränderte Organismen anregen. Wir haben es in der Hand: kaufen oder nicht kaufen. Das ist die wichtigste Waffe. Mein Ziel ist es, die Menschen dazu zu bringen, sich in das einzumischen, was sie selber betrifft. >> Zur Buchbestellung Mehr zum Thema im aktuellen Heft DAS INVESTMENT 3/2009.

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