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Morningstar erwartet Milliarden-Verluste bei Russland-Fonds

Anleger, die Geld in Russland-Aktien investiert haben, müssen wohl mit hohen Verlusten rechnen. Einer Auswertung des Analysehauses Morningstar zufolge betrug das Gesamtvermögen russischer Aktienfonds im Januar 2022 noch 5,3 Milliarden Euro – ein Jahr später sollen es nur noch 79 Millionen Euro gewesen sein.
Da die meisten Investmentfonds in der Morningstar-Kategorie „Aktien Russland“ seit der Schließung des russischen Aktienmarktes für ausländische Anleger ihre Vermögenswerte nicht mehr gemeldet hätten, müssten die Zahlen jedoch mit Vorsicht betrachtet werden. „Wir können nur spekulieren, wie hoch die tatsächlichen Verluste sein könnten“, erklärt Morningstar-Analystin Johanna Englundh. Sollten die Angaben stimmen, würde das bedeuten, dass fast 99 Prozent der Vermögenswerte in russischen Aktienfonds vernichtet worden wären, so Englundh weiter.
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurde der Aktienhandel in Moskau zunächst vorübergehend ausgesetzt. Ende März 2022 öffnete die Börse wieder – allerdings nicht für viele ausländische Anleger, die Russland als „unfreundliche Investoren“ ausschließt. Zudem verbieten die westlichen Sanktionen Fondsgesellschaften den Aktienhandel in Russland.
Viele Investmenthäuser hatten ihre Osteuropa- und Russland-Fonds daraufhin im vergangenen Frühjahr eingefroren. Anleger können nicht mehr zukaufen – ihre Anteile allerdings auch nicht loswerden. Zu den größten russischen Aktienfonds in Europa gehören, Morningstar-Daten vom Februar 2022 zufolge, mit dem Pictet-Russian Equities, dem BNP Paribas Russia Equities, dem Russian Prosperity, dem East Capital Russia und dem JPM Russia auch Strategien großer Anbieter.
Was passiert mit den eingefrorenen Osteuropa-Fonds? Anbieter suchen nach einer Lösung
Wie es weitergeht, ist auch ein Jahr später noch ungewiss. Einige russische Aktienfonds würden abgewickelt, die verbleibenden Vermögenswerte könnten aber erst ausgezahlt werden, wenn die Fonds in der Lage sind, ihre restlichen Anteile zu verkaufen, erklärt Morningstar-Analystin Englundh. „Wann dies der Fall sein wird, ist zurzeit unklar.“
Europäische Fondsanbieter bemühen sich um eine Lösung. Einem Bericht des „Manager Magazins“ (Paywall) zufolge prüfen viele Investmenthäuser die Methode „Sidepocket“. Dabei wird der Fondsbestand in einen liquiden und einen illiquiden Teil aufgeteilt, von denen einer in eine neu geschaffene Anteilsklasse ausgelagert wird. Der liquide Teil des Fondsportfolios lasse sich so wieder geschäftsfähig machen. Dabei gebe es aber noch viele Hürden, berichtet Sebastian Kahlfeld, Fondsmanager für Osteuropa und Russland bei der DWS, dem „Manager Magazin“.
Eine weitere Möglichkeit sei der Verkauf von Aktien über Dritte. Er habe bereits Angebote von Firmen erhalten, die durch ihren Unternehmenssitz nicht von den Sanktionen betroffen seien, so der DWS-Fondsmanager. Es sei jedoch schwierig herauszufinden, wer wirklich hinter solchen Zwischenhändlern stecke. Zudem müsse zunächst geprüft werden, ob der Handel mit diesen Anbietern nicht doch gegen die Sanktionen verstoße. Spätestens in sechs Monaten, so heißt es, wollen betroffene Investmenthäuser eine Lösung präsentieren. Beschwerden von Anlegern hätte es aber nicht gegeben, so mehrere Fondsanbieter gegenüber dem „Manager Magazin“.
Bei Öffnung der Moskauer Börse sei mit einem „massiven Ausverkauf“ zu rechnen
Die meisten europäischen Vermögensverwalter hätten deutlich gemacht, dass sie nicht mehr in Russland investieren werden, so Johanna Englundh von Morningstar. Sollte die Börse doch wieder für ausländische Investoren öffnen, sei daher mit einem massiven Ausverkauf und einem Absturz der Börsenkurse zu rechnen. Investoren macht die Morningstar-Analystin wenig Hoffnung: „Sollten Sie zu den Anlegern gehören, die einen russischen Aktienfonds besitzen, sollten Sie sich darauf vorbereiten, dass Ihr gesamtes Geld weg ist.“
DWS-Experte Kahlfeld gibt sich optimistischer. „Wir haben die russischen Aktien in den Portfolios zwar aktuell mit fast null bewertet, weil sie momentan nicht liquide sind“, so der Fondsmanager gegenüber dem „Manager Magazin“. Selbstverständlich seien die Titel aber nicht wertlos. „Sie haben vielmehr einen Wert, der irgendwann vermutlich auch wieder erzielbar sein wird.“