LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in WirtschaftLesedauer: 4 Minuten
Headphones
Artikel hören
MPF-Vorstand Thomas Buckard
Aktienkurse geben 2023 nochmal nach
Die Audioversion dieses Artikels wurde künstlich erzeugt.

MPF-Vorstand Thomas Buckard Aktienkurse geben 2023 nochmal nach

First Republic Bank in New York
First Republic Bank in New York: JP Morgan Chase musste das Geldinstitut übernehmen | Foto: imago images/Xinhua

Der fürchterliche Krieg in der Ukraine, eine drohende Rezession, möglicherweise doch noch eine Bankenkrise und immer noch viel zu hohe Inflationsraten – die Börsianer scheinen diese Belastungsfaktoren derzeit zu ignorieren. Sie blenden die Risiken weitgehend aus und fokussieren sich auf die Hoffnungen. Nach einem Anstieg von rund 14 Prozent seit dem Jahresanfang notiert der Dax nur noch circa zwei Prozent von seinem historischen Höchststand entfernt. Der Euro Stoxx 50 hat in diesem Zeitraum ähnlich stark zugelegt. Hier fehlt sogar nur ein Prozent bis zu einem neuen Rekordhoch.

Bei den amerikanischen Indizes fallen zwar die Abstände zu ihren All-time-highs etwas höher aus. Aber auch an der Wall Street herrscht eher optimistische Stimmung. Dafür gibt es im Wesentlichen einen Grund: Die Anleger erwarten eine Wende in der Geldpolitik und eine erste Zinssenkung der Fed noch in diesem Jahr.

 

 

 

Hier besteht durchaus Enttäuschungspotenzial. Zwar ist die Geldentwertung in den USA im März auf fünf Prozent zurückgegangen und damit etwas stärker als erwartet. Im Februar hatte die Inflationsrate noch bei sechs Prozent gelegen. Sie ist aber immer noch sehr deutlich vom Zwei-Prozent-Ziel der Notenbanker entfernt. Ob die Fed tatsächlich noch im laufenden Jahr das erste Mal die Leitzinsen wieder senkt, sollte zumindest mit einem dicken Fragezeichen versehen werden.

Schlechte Erfahrungen

Die Fed hat schon einmal in der 70er Jahren die Bekämpfung der Inflation zu früh aufgegeben. Das Ergebnis waren damals wieder steigende Preise und damit verbunden dann doch noch drastische Anhebungen der Leitzinsen. Das alles dürfte auch dem heutigen Fed-Chef Jerome Powell bekannt sein. Es ist wahrscheinlich noch nicht ausgemacht, dass die jüngste Anhebung um 0,25 Prozentpunkte wirklich die letzte war.

In Europa verläuft eine ähnliche Entwicklung, wenn auch etwas zeitversetzt. Hier hält die EZB-Direktorin Isabel Schnabel im Mai sogar eine Erhöhung um weitere 0,5 Prozent für möglich. Viel dürfte davon abhängen, wie die nächsten Inflationsdaten ausfallen werden.

Gleichzeitig sollten sich Anleger auf sinkende Unternehmensgewinne einstellen. Selbst wenn es in Europa und den USA nicht zu der befürchteten Rezession kommt, verläuft die Konjunktur maximal mau. Seit mehr als einem Jahr fallen mittlerweile die Ölpreise. Dem haben selbst die zuletzt angekündigten Förderkürzungen der OPEC+ nicht viel entgegengesetzt.

1.200% Rendite in 20 Jahren?

Die besten ETFs und Fonds, aktuelle News und exklusive Personalien erhalten Sie in unserem Newsletter „DAS INVESTMENT Daily“. Kostenlos und direkt in Ihr Postfach.

Sinkende Ölpreise sind zwar gut für die Inflation, die dadurch gedämpft wird, aber eben auch ein Zeichen für eine schwache wirtschaftliche Entwicklung. Angesichts dieser Kombination aus immer noch hoher Inflation und einer schwachen Konjunktur dürften es die Unternehmen schwer haben, weiter steigende Gewinne auszuweisen. Was dies für die entsprechenden Aktienkurse bedeuten würde, liegt auf der Hand.

Keine Entwarnung

Zudem ist auch eine mögliche Bankenkrise noch nicht vom Tisch. Erst vor kurzem berichtete die amerikanische Krisenbank First Republic darüber, dass ihre Einlagen allein im ersten Quartal des laufenden Jahres um 41 Prozent auf nur noch 104 Milliarden Dollar eingebrochen sind – und das, obwohl elf andere Institute die First Republic mit Einlagen in Höhe von 30 Milliarden Dollar gestützt haben. Jetzt hat JP Morgan die kollabierte Bank übernommen.  

Auch bei der Credit Suisse zogen Anleger umfangreich Einlagen ab. Hier beliefen sich die Mittelabflüsse im Auftaktquartal immerhin auf umgerechnet 69 Milliarden Dollar. Zwar ist die Credit Suisse durch die Übernahmen durch die UBS und die Garantien der Schweizer Nationalbank vorerst gerettet. In der Welt der Banken spielt aber auch die Psychologie eine entscheidende Rolle. Wenn Anleger scharenweise in Panik geraten und umfangreich ihre Gelder abziehen, kann ein Bankenrun auch ein eigentlich gesundes Institut ins Wanken bringen. Schließlich droht dem amerikanischen Staat wieder einmal die Zahlungsunfähigkeit.

Angesichts dieser Gemengelage können die Kursanstiege vor allem an den europäischen Aktienmärkten erstaunen. Aber bekanntermaßen neigen die Börsianer tendenziell zu Übertreibungen – und zwar sowohl nach oben als auch nach unten. Als der Dax am Jahresanfang gerade einmal im Bereich von 14.000 Punkten notierte, war die Stimmung auf dem Börsenparkett vor allem bei Banken und Analysten eher negativ. Jetzt bei fast 16.000 Zählern überwiegt inzwischen der Optimismus. Dabei wäre eine Korrektur in den Bereich von vielleicht 15.000 Punkten durchaus gesund. Dann ließen sich die Aktienquoten wieder zu angemesseneren Bewertungen hochfahren.

 


Über den Autor:

Thomas Buckard ist seit dem Jahr 2000 Gründungsmitglied der MPF AG. Als Vorstandssprecher ist er für die Kundenakquisition und -betreuung sowie die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Die MPF AG gehört mit einem verwalteten Vermögen von knapp zwei Milliarden Euro zu den größten unabhängigen Vermögensverwaltern in Deutschland.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion