Multi-Asset-Spezialist Thomas Romig
Warum sich bewährte Investmentstrategien als unzureichend erweisen könnten
Thomas Romig ist Geschäftsführer bei Assenagon Asset Management. Foto: Assenagon / Canva
Eine negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen? Das war einmal. Thomas Romig geht der Frage nach, was das für bestimmte Portfoliostrategien bedeutet.
Das Börsenjahr 2024 war ein außergewöhnlich erfolgreiches Jahr für Anleger. Angetrieben vom Hype um künstliche Intelligenz und der Hoffnung auf Zinssenkungen erreichten die führenden Indizes ein Rekordhoch nach dem anderen. Doch bei allem Optimismus stellt sich die Frage, wie stabil dieser Aufwärtstrend wirklich ist. Sind alle potenziellen Risiken bereits im Markt eingepreist, oder gibt es Schwachstellen, die bislang übersehen werden und die die Euphorie dämpfen könnten?
Ein Kapitalmarktrisiko, das viele Anleger derzeit (noch) verdrängen, betrifft die Unsicherheit über die weitere Entwicklung von Inflation und Zinsen. Der kommende US-Präsident Donald Trump steht für Steuersenkungen, Protektionismus und eine lockere Budgetpolitik. Es spricht daher wenig dafür, dass die Staatsschulden in seiner Amtszeit sinken werden, im Gegenteil.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Das Börsenjahr 2024 war ein außergewöhnlich erfolgreiches Jahr für Anleger. Angetrieben vom Hype um künstliche Intelligenz und der Hoffnung auf Zinssenkungen erreichten die führenden Indizes ein Rekordhoch nach dem anderen. Doch bei allem Optimismus stellt sich die Frage, wie stabil dieser Aufwärtstrend wirklich ist. Sind alle potenziellen Risiken bereits im Markt eingepreist, oder gibt es Schwachstellen, die bislang übersehen werden und die die Euphorie dämpfen könnten?
Ein Kapitalmarktrisiko, das viele Anleger derzeit (noch) verdrängen, betrifft die Unsicherheit über die weitere Entwicklung von Inflation und Zinsen. Der kommende US-Präsident Donald Trump steht für Steuersenkungen, Protektionismus und eine lockere Budgetpolitik. Es spricht daher wenig dafür, dass die Staatsschulden in seiner Amtszeit sinken werden, im Gegenteil.
Damit dürften die Renditen an den US-Anleihenmärkten weiter steigen und auch die Inflation, die schon gebändigt schien, könnte bald wieder ein Thema an den Märkten werden. Vor diesem Hintergrund müsste die US-Notenbank Fed umschwenken und ihren Zinssenkungskurs verlassen.
Hohe Zinssenkungserwartungen sollten mit Skepsis betrachtet werden
Doch selbst wenn die USA und andere führende Industrienationen ihr Schuldenproblem in den Griff bekommen würden: Die Tendenz zu strukturell erhöhter Inflation ist längst da. Faktoren wie die Dekarbonisierung, die durch Investitionen in grüne Technologien Produktionskosten steigen lässt, die Deglobalisierung, die Lieferketten verteuert, und demografische Trends, die das Arbeitskräfteangebot verknappen, wirken langfristig in Richtung steigender Preise und Löhne.
Dies könnten dazu führen, dass die Inflationsraten auch in Zukunft über den Zielwerten der Zentralbanken verharren, selbst wenn kurzfristige Inflationsspitzen abflachen. Anleger müssen daher mit einem anhaltenden Preisdruck rechnen, der traditionelle geldpolitische Maßnahmen herausfordert.
So sollten die hohen Zinssenkungserwartungen, die in den vergangenen Monaten maßgeblich zur positiven Stimmung an den Märkten beigetragen haben, mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden. Deutliche Zinssenkungen setzen eine starke Beruhigung der Inflation und eine deutliche Abkühlung der Konjunktur voraus, was derzeit jedoch nicht zu erkennen ist.
Realistischer erscheinen moderate Zinssenkungen im Jahresverlauf 2025. Anleger, die allzusehr darauf setzen, dass Fed und EZB bald wieder auf einen lockeren geldpolitischen Kurs einschwenken, könnten auf dem falschen Fuß erwischt und damit zu einer Neupositionierung gezwungen werden. Aus diesem Grund ist im Rentenbereich Vorsicht geboten, solange umfassende Zinssenkungen nicht absehbar sind.
Grundlegende Anlageprinzipien sollten hinterfragt werden
Im aktuellen Marktumfeld sollten Anleger nicht nur ihre Erwartungen an die Geldpolitik anpassen, sondern auch grundlegende Anlageprinzipien hinterfragen, die zuletzt an Wirksamkeit verloren haben. Die wohl wichtigste Veränderung der letzten Jahre ist das Ende der negativen Korrelation zwischen Aktien und Anleihen. Dieser Befund erschüttert die Grundfesten klassischer Portfoliostrategien.
Nach der großen Finanzkrise von 2008 begann eine außergewöhnlich lange Phase niedriger Zinsen. Traditionelle Mischfonds, die auf Aktien und Anleihen setzen, konnten in dieser Zeit das Beste beider Welten für sich nutzen: Die expansive Geldpolitik der Zentralbanken ließ Anleihenkurse steigen, während die wirtschaftliche Erholung den Aktienmärkten Rückenwind gab. Diese Kombination ermöglichte es vielen Mischfonds, attraktive Renditen zu erzielen. Selbst in Phasen schwächerer Aktienmärkte bot die Anleihenseite Anlegern eine Art Versicherung frei Haus.
Doch dieser Zusammenhang hat sich mit dem Zinsanstieg, beginnend im Jahr 2021, zunehmend aufgelöst. Das Korrelationsmuster hat sich dabei grundlegend verändert. Aktuelle Daten zeigen, dass Aktien und Anleihen immer häufiger gleichzeitig steigen oder fallen – ein klares Zeichen für eine positive Korrelation.
In einem Umfeld historisch niedriger Zinsen fungierten Anleihen als effektiver Gegenspieler zu Aktien. Mit steigenden Renditen hat sich jedoch das Verhalten von Anleihen fundamental verändert. Sie verlieren an Wert, wenn die Zinsen steigen, und dieser Effekt kann durch gleichzeitige Verluste am Aktienmarkt verstärkt werden.
Für Anleger hat dies weitreichende Konsequenzen, da die klassische Strategie, Aktien mit Anleihen zu kombinieren, um ein ausgewogenes Risiko-Rendite-Profil zu schaffen, unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr zuverlässig funktioniert. Klassische Mischfonds, die einst als Allrounder galten, verlieren damit an Bedeutung.
Warum eine breitere Diversifikation notwendig ist
In einem Umfeld, in dem beide Anlageklassen synchron auf makroökonomische Faktoren wie Zinsänderungen oder Inflationsdaten reagieren, können breiter diversifizierte Portfolios der Schlüssel sein, um Risiken zu streuen und stabile Renditen zu erzielen.
Alternative Investments, wie Cat-Bonds oder Volatilitätsstrategien, aber auch Edelmetalle und Rohstoffe, reagieren oft anders auf wirtschaftliche und geldpolitische Veränderungen und können so helfen, die Portfolioerträge zu stabilisieren, wenn Aktien und Anleihen gemeinsam unter Druck geraten.
Strategien, die auf möglichst viele Anlageklassen setzen, profitieren dabei erheblich von der geringeren Korrelation alternativer traditioneller Assets. Sie nutzen Erträge, die nicht von allgemeinen Marktentwicklungen oder systemischen Faktoren abhängen. Gleichzeitig dienen sie als Inflationsschutz und ermöglichen eine dynamische Anpassung an unterschiedliche Marktzyklen.
Durch die Vermeidung von Crowding-Risiken, die immer dann entstehen, wenn viele Anleger gleichzeitig in die gleichen Vermögenswerte investieren, und die Nutzung alternativer Renditetreiber können Multi-Asset-Portfolios langfristig stabilere und risikoadjustierte Erträge bieten.
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