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Multi-Asset-Stratege Jakob Tanzmeister „Es winken Erträge wie seit über 10 Jahren nicht mehr“

DAS INVESTMENT: Herr Tanzmeister, Sie raten Anlegern, Multi-Asset-Fonds wieder verstärkt ins Visier zu nehmen?
Jakob Tanzmeister: Mit Blick in den Rückspiegel muss man zunächst einmal vorwegschicken, dass 2022 für sehr viele gemischte Strategien ein Jahr zum Vergessen war. Das lag weniger an dem Aktien-Bärenmarkt, sondern vielmehr an den zeitgleichen Einschlägen bei Anleihekursen als Folge der Zinswende. Unter dem Strich hatten wir das schwächste Jahr für Bonds seit 1994. Staatsanleihen haben nominell sogar die größten Verluste ihrer Geschichte hinnehmen müssen. Das machte es sehr schwer, ein Portfolio zu konstruieren und die Risiken hinreichend zu diversifizieren.
Der dramatische Crash hat etwa beim Anleiheindex Global Aggregate Bond im Vorjahr für ein Minus von rund 13 Prozent gesorgt. Und diese Messlatte listet ausschließlich solide Staats- und Unternehmensanleihen mit Investment Grade. Den parallelen Absturz des Aktienmarkts, der Weltaktienindex MSCI World etwa ging knapp 20 Prozent in die Knie, gab es seit dem Start des Bond-Index 1990 noch nie. Ganz im Gegenteil resultierten die Qualitätsanleihen bislang in den negativen Aktienjahren im Schnitt mit einem Plus von 6,8 Prozent.
Und was macht Sie jetzt zuversichtlich?
Tanzmeister: Bei einer Ausgangslage wie nach dem schwierigen Vorjahr hilft es, sich als Investor in Erinnerung zu rufen, dass schlechte Jahre gut für den Ausblick sind und da sollte dieses keine Ausnahme sein. So haben Investment-Grade-Anleihen beispielsweise in diesem Jahr den mit Abstand besten Januar aller Zeiten verzeichnet. Wir können auch feststellen, dass die Korrelationen zwischen Anleihen und Aktien bereits sinken. Und das ist ein schöner Start für Multi-Asset-Investoren.
Was könnte der Party noch im Weg stehen?
Tanzmeister: Wir sollten selbstverständlich weiterhin die zahlreichen Risiken im Blick behalten. Dazu zählen der drohende Konjunkturabschwung, geopolitische Auseinandersetzungen und eine hartnäckige Inflation. Einige dieser Sorgen sollten allerdings bereits eingepreist sein. Und so können dramatische Verwerfungen wie im Vorjahr zu besonders guten Chancen führen.
An welche Chancen denken Sie zuvorderst?
Tanzmeister: Die sehen wir trotz aller genannten Risiken zum Teil auf dem Aktienmarkt aber auch bei Anleihen. Der Ausblick mag teilweise getrübt sein; selbst ohne eine Rezession dürften wir es eher mit einem unterdurchschnittlichen Wachstum weltweit zu tun haben. Daher muss unser Fokus auf Branchen mit stabilen Gewinnmargen liegen, da dort die Erträge selbst einem schwierigen Umfeld standhalten.
Typischerweise gilt dies für klassische Dividendenzahler, die zwar nicht die Wachstumsfantasie vieler Technologie-Unternehmen bieten können, Income-Investoren dafür aber verlässliche Erträge und Ausschüttungen bieten. Bei Anleihen sind aktuell wieder sehr attraktive Renditen zu haben. Aber insbesondere die zurückgewonnenen Diversifikationseigenschaften bei Bonds stimmen uns zuversichtlich.
Das heißt konkret?
Tanzmeister: Dividendentitel haben letztes Jahr im Schnitt 10 Prozentpunkte besser abgeschnitten als der breite Markt und sogar 20 Prozentpunkte besser als Wachstumstitel. Und dieser Teil des Aktienmarkts schneidet in einem inflationären Umfeld für gewöhnlich zudem besser ab. Unsere aktuelle Positionierung ist so ausgerichtet, dass wir zyklische Risiken reduzieren. Aktien gewichten wir also eher auf einem durchschnittlichen Niveau von rund 38 Prozent und nutzen stattessen mehr defensive Anleihen, leicht höhere Cash-Bestände und mehr Investment-Grade-Titel im Portfolio.
Trotz dieser ausgewogenen Allokation liegt die laufende Verzinsung im Portfolio auf einem Zehnjahreshoch. Das ist der Neubewertung an den Märkten geschuldet, Aktienkurse sind nach unten gerutscht und Anleiherenditen in die Höhe geschnellt. Wir sind überzeugt, dass auch die langfristigen Renditen-Aussichten für die kommenden zehn Jahre so gut sind wie seit einer Dekade nicht mehr.
Wie hoch fällt die Rendite der Portfoliotitel etwa in Ihrem 18,4 Milliarden Euro schweren Multi-Asset-Flaggschiffs JP Morgen Global Income Fund inzwischen aus?
Tanzmeister: Wir reden von mehr als 6 Prozent, im Vergleich zum einem 10-jährigen Durchschnitt von knapp unter 5 Prozent. Über der 6-Prozent-Marke waren wir zuletzt während der Euro-Schuldenkrise vor mehr als einem Jahrzehnt.