LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
Headphones
Artikel hören
M&G-Fondsmanager Richard Halle
„Diese Bankenkrise ist nicht das Ende der Welt“
Die Audioversion dieses Artikels wurde künstlich erzeugt.

M&G-Fondsmanager Richard Halle „Diese Bankenkrise ist nicht das Ende der Welt“

M&G-Fondsmanager Richard Halle
Richard Halle, Manager des M&G European Strategic Value | Foto: M&G

DAS INVESTMENT: Zu den hiesigen Top-Performern zählte in den zurückliegenden 12 Monaten auch die Rüstungsschmiede Rheinmetall. Waffen, fossile Energie, Tabak und Tiefsee-Bergbau – zu den stärksten Renditebringern gehören überwiegend keine nachhaltigen Geschäftsideen. Liegt das an dem langjährigen Bullenmarkt von ESG-Aktien?

Halle: Ja, und als Value-Fondsmanager suchen wir ja gerade antizyklisch nach besonders günstigen Aktien. Die Waffenhersteller beispielsweise waren gleich aus mehreren Gründen bei Anlegern unbeliebt. Insbesondere, weil die europäischen Verteidigungsausgaben lange Zeit extrem niedrig lagen. Die Aktien von Rheinmetall zum Beispiel haben wir für unseren Fonds zum nur Achtfachen des Gewinns gekauft.

 

 

 

Das war zu einer Zeit, als die deutsche Armee bei ihren Übungen nicht genügend Gewehre zur Verfügung hatte. Ich sehe bei diesem Beispiel auch kein spezielles Nachhaltigkeitsproblem, da die deutsche Regierung jeden Verkauf überwacht. Und ich denke, dass der Krieg jüngst gezeigt hat, ist, wie sehr unsere Freiheit in dieser neuen Welt gefährdet ist. 

Und die übrigen genannten Branchen?

Halle: Seit Dezember haben wir den Fonds auf Artikel 8 umgestellt. Als Teil dieses Prozesses haben wir etwa Tabakwaren ausgeschlossen. Für die Ölfirmen dagegen hat die Gas-Krise im Vorjahr gezeigt, dass unsere Gesellschaft leider immer noch Kohlendioxid-Emittenten braucht, auch wenn wir bereits zu erneuerbaren Energiequellen übergehen.

Ein weiterer Aspekt ist mir bei diesem Thema wichtig:  Öl- und Gasunternehmen können sehr offensiv in erneuerbare Energien investieren. Es ist längst nicht mehr einfach, Finanzmittel dafür zu beschaffen. Außerdem sind viele Vorhaben gescheitert. Unternehmen brauchen starke Bilanzen, um in diese Projekte zu investieren. Außerdem verfügen die Ölkonzerne über großes technisches Fachwissen und viele der weltweit besten Wissenschaftler arbeiten für sie.

Wann verkaufen Sie Ihre Portfoliotitel?

Halle: Wir verkaufen Aktien, wenn die Risikoprämie nicht mehr groß genug ausfällt. Es gibt also keinen Automatismus und kann je nach Unternehmen durchaus variieren.  Rheinmetall haben wir zum Beispiel immer noch im Portfolio, das Kurs-Gewinn-Verhältnis dürfte inzwischen auf 15 geklettert sein. Wir versuchen, einige unserer Gewinner weiterlaufen lassen. Bei Rheinmetall hat sich zum Beispiel gezeigt, dass die europäischen Verteidigungsausgaben sogar noch mehr Luft nach oben hatten, als wir glaubten.

Ihr stärkster Performance-Lieferant im Vorjahr war die Bank of Ireland. Was zeichnet das Geldhaus aus und wie halten Sie es generell mit Financials im Fonds?

Halle: Wir haben es 2022 geschafft, vier der fünf lukrativsten Aktien des Euro Stoxx 600 im Portfolio zu haben. Die Bank of Ireland gehört dazu. Es handelt sich um eins der beiden größten irischen Geldhäuser, das wir auch schon seit einigen Jahren im Portfolio haben. Wir konnten nie nachvollziehen, warum die Aktie so billig war.

Und als dann die Zinssätze zu steigen begannen und somit die Erträge wuchsen, erwärmten sich auch Investoren wieder für Banken und der Kurs schraubte sich nach oben. Trotzdem erscheint uns die Bank of Ireland immer noch extrem billig, da sie unter ihrem Buchwert gehandelt wird, zugleich sehr gut kapitalisiert und profitabel ist.

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

 

 

Momentan offenbaren einige Banken große Probleme. Können Sie die Bewertungen im Finanzsektor genauso wie in den übrigen Branchen einschätzen oder müssen Sie anderes vorgehen?

Halle: Dass die Eigenkapitalquote bei Banken geringer als bei den meisten anderen Unternehmen ausfällt, macht es schwieriger. Wir haben dennoch immer sehr zuverlässige Ergebnisse damit erzielt. Beispielsweise haben wir Banken in den ersten neun Jahren des Fonds noch stärker als zurzeit untergewichtet, weil uns deren Risikoprofil nicht gefiel. Nach den inzwischen zahlreichen Regulierungen sehen Finanzinstitute aber viel stabiler aus.

 

 

 

Aus unserer Sicht ist es auch sehr wichtig, dass europäische Banken alles andere als einheitlich sind. Sowohl die Geldhäuser selbst als auch deren Heimatländer unterscheiden sich wirtschaftlich enorm, und damit auch die Risiken eines Investments. So besitzen wir zum Beispiel keine italienischen Banken, weil uns das staatliche Risiko und speziell der hohe Schuldenberg dort zu viele Sorgen bereitet. In Irland andererseits steht die Wirtschaft viel besser da. Dass Finanztitel in einem Value-Index ein knappes Drittel einnehmen, 31 Prozent, ist aus unserer Sicht grundsätzlich zu viel, auch wenn Versicherungen dort mitgerechnet werden.  

Es ist tatsächlich schwierig zu verstehen, was in der Bankenbranche vor sich geht. Auch deswegen ist es für uns enorm wichtig, nur in Unternehmen mit soliden Bilanzen zu investieren, die selbst schwierige Zeiten überstehen können. Niemand weiß schon, welche Folgen die aktuellen Bankenprobleme noch haben werden. Finanzwerte sollen ohnehin im Sinne eines ausgewogenen Portfolios keinen größeren Stellenwert als etwa Gesundheits- und Industriewerte bekommen. 

Apropos, was sagen Sie denn zur Credit Suisse und der Übernahme durch die UBS?

Halle: Nun, ich habe direkt zum ersten Mal Aktien der UBS für diesen Fonds gekauft. Was auch darauf hindeutet, dass ich trotz Bankenkrise nicht das Ende der Welt kommen sehe. Es war ein entschlossener Schritt der Schweizer Behörden. Und ich glaube, dass die UBS wirklich die einzige Möglichkeit war, um zu verhindern, dass die Situation außer Kontrolle gerät. Dies alles hat die UBS in eine sehr gute Verhandlungsposition gebracht.

Welche aktuellen Favoriten haben Sie denn noch? 

Halle: Unser größtes Übergewicht liegt tatsächlich bei Öl- und Gasfirmen, weil uns viele Aktien außergewöhnlich attraktiv erscheinen. Die Aktienkurse entsprachen zum Jahresbeginn nur dem Vier- bis Fünffachen der Gewinne. Und wir halten die Aussichten dieser Unternehmen nach wie vor für sehr gut. Dem Aktienkurs der britischen BP zum Beispiel trauen wir einige Schritte nach oben zu.

Wir haben ein weiteres Unternehmen aus der Öl-Industrie, ein norwegisches Seismik-Unternehmen namens PGS, dessen Kurs in diesem Jahr bereits stark gestiegen ist. Mein größter Favorit allerdings ist die deutsche Baumarktkette Hornbach, ein hervorragend geführtes Unternehmen mit einer sehr guten Marktposition.

Und welche Titel werden aller Voraussicht nach nicht in Frage kommen?

Halle: Wir haben im Moment keine Immobiliengesellschaften im Fonds. Deren Vermögenswerte sind zu sehr niedrigen Zinssätzen bewertet, sodass die Immobilien wertvoller aussehen, als sie sind. Zudem haben diese Firmen auch viele Schulden mit niedrigen Zinsen aufgenommen, was zu Problemen führen kann. Wir erwarten aber, dass sich im Laufe des Jahres eine Gelegenheit ergeben wird, weil die Unternehmen sich refinanzieren müssen und die Aktienkurse bereits sehr stark gefallen sind.

Es würde mich auch sehr überraschen, wenn wir in Luxusgüter-Hersteller investieren, denn die liebt jeder. Das sind schlicht keine Value-Aktien. Aber es ist trotzdem ein komisches Gefühl, weil sich China offensichtlich öffnet und jeder erwartet, dass die chinesischen Verbraucher dieses Jahr viel mehr Luxusgüter kaufen werden. Die Aktien können in diesem Jahr also durchaus zulegen. Aber das allein eben reicht nicht, damit wir einsteigen. 

Wie fällt Ihre allgemeine Prognose aus?

Halle: Wir haben ein interessantes Jahrzehnt vor uns. Wir sind gewöhnt, dass Anleger mit wenig Aufwand sehr hohe Renditen erzielen können. Das wird sich ändern und Menschen werden sehr genau darüber nachdenken müssen, wie sie ihr Vermögen schützen können. Einen Weg dahin wollen wir mit unserer Value-Strategie anbieten.

 

Im ersten Teil unseres Gesprächs mit Richard Halle berichtet der Fondsmanager von seiner Suche nach echten Schnäppchen, dem vermeintlichen Home Bias des Portfolios und folgenreichem Knutschen mit der Inflation. 

 


Über den Interviewten:

Richard Halle managt den 1,5 Milliarden Euro schweren Value-Aktienfonds M&G European Strategic Value seit dessen Auflegung im Januar 2008, die Anteilsklasse für Euro-Privatanleger startete im September 2018. Halle stammt aus Südafrika und begann 1999 als Branchen-Analyst mit Versicherungsfokus bei der britischen Fondsgesellschaft. 2002 schloss sich der studierte Chartert Financial Analyst (CFA) dem Team für europäische Aktien an und managte mehrere Value-Aktienfonds mit Europa- und Nordamerika-Universum. Erste Karrierestation war für Halle zuvor die Sedgwick Group, bei der er als Aktienanalyst arbeitete. 

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion