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Nach EZB-Wartesignal Spielraum für straffere Geldpolitik im Sommer

Der Präsident der Europäischen Zentralbank signalisierte vergangene Woche, dass die Geldpolitik auf seiner Seite des Atlantiks in Wartestellung bleibt, während die Währungshüter die Wirkung ihrer Konjunkturimpulse bewerten. Diese Pause dürfte der Vorsitzenden der US-Notenbank Federal Reserve die Gelegenheit bieten, die Leitzinsen in den kommenden Monaten anzuheben. Denn das Risiko einer abrupten Dollar-Rally hat sich nun verringert, die im Falle eines offenkundigen Auseinanderlaufens der Geldpolitiken der beiden Zentralbanken drohen würde.

„Die Realität der EZB ist, dass der Euroraum bei weitem nicht in so einer schlechten Verfassung ist, wie Draghi das ausmacht. Das treibt die Währung an und gibt der Fed viel mehr Spielraum", sagte  Rob Carnell, internationaler Chefökonom der ING Bank in London. „Irgendwann im dritten Quartal klingt für mich nach einer vernünftigen Wette, aber ich würde das zweite Quartal nicht ausschließen."

Anleger sehen keine Chance für eine Zinserhöhung bei der Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) am 26. und 27. April und nur eine Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent für eine Straffung bei dem Treffen im Juni - das acht Tage vor dem Referendum in Großbritannien über die Mitgliedschaft in der Europäischen Union stattfindet. Ein Votum der Briten für einen Austritt könnte Verwerfungen an den Finanzmärkten auslösen und stellt eine Quelle der Ungewissheit dar, die die Fed innehalten lassen dürfte. Die Wahrscheinlichkeit eines Schritts im Juli liegt bei 34 Prozent, zeigen die Kurse der Federal-Funds-Terminkontrakte.

Zwei Straffungen

Die US-Notenbanker rechnen mit zwei Zinserhöhungen in diesem Jahr, wie aus ihren im März aktualisierten Projektionen hervorgeht. Eine schrittweise Erholung im Euroraum, die eine Aufwertung der europäischen Gemeinschaftswährung untermauert, wird ihre Argumente stützen, obgleich die US-Wirtschaft noch vor Hindernissen steht.

Zu Beginn des Jahres erreichte der Dollar auf handelsgewichteter Basis den höchsten Kurs seit 2002. Von diesem Hoch ist der Greenback wieder etwas zurückgekommen und hat auch gegenüber dem Euro wieder an Boden verloren. Ein stärkerer Dollar ist einer der Faktoren gewesen, der die Inflation niedrig hält - über die geringen Importpreise und seine Belastung für die Exporttätigkeit, die das Wachstum schmälert.

Nach Einschätzung von Stefan Schneider, internationaler Volkswirt bei Deutsche Bank AG in Frankfurt, erleichtert der Wechsel der EZB in die Wartestellung der US-Notenbank, ihre Geldpolitik zu straffen, auch wenn er damit nicht so bald rechnet. „Die Fed hat etwas mehr Handlungsspielraum, weil die Dollar-Stärke abgeebbt ist, die Yellen jüngst als ein Argument für Zurückhaltung angeführt hatte", sagte er. „Doch die Wirtschaft gibt der Fed keinerlei Grund, sich zu übereilen."

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