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„Nestlé und LVMH betrachten wir als nachhaltige Investitionen“

DAS INVESTMENT Academy: Was sind für dich nachhaltige Investments?
Emeric Oziel: Nachhaltige Investitionen können unterschiedlich definiert werden. Axa Investment Managers (Axa IM) hat eine Methodik entwickelt, die Anlegern bei dieser Problematik helfen soll. Die Methodik basiert in erster Linie auf den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (UN-SDGs) sowie dem Pariser Abkommen. Ein wichtiger Punkt ist, dass sich ESG aufgrund kontinuierlicher Forschung und Entwicklung ständig weiterentwickelt. Man muss stets aufmerksam und neugierig bleiben.
Was hältst du von Prinzipien wie Ausschlusskriterien oder Best-in-Class?
Emeric: Diese beiden Prinzipien können als Werkzeuge verstanden werden, die von jedem berücksichtigt werden sollten. Ich würde sie mit einem Schraubenzieher und einer Wasserwaage vergleichen. Obwohl sie vielleicht nicht die neueste Technologie repräsentieren, sollten alle Vermögensverwalter sie besitzen und in der Lage sein, das Beste aus ihnen herauszuholen.
Dennoch, wie bereits erwähnt, sollten auf diesen Schritt weitere folgen; nicht unbedingt, um sie zu ersetzen, sondern um die vorhandenen Instrumente zu erweitern. Hinter jedem Anlegertypus steht ein spezifisches Bedürfnis, das optimal erfüllt werden sollte. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir zusätzliche Instrumente entwickeln.
Nach welchen Kriterien wählst du nachhaltige europäische Aktien aus?
Emeric: Unsere Kriterien sind sowohl aus der finanziellen als auch aus der nicht-finanziellen Welt abgeleitet. Beide Aspekte sollten gleichermaßen beachtet werden. Bei letzteren wenden wir strenge Filter an, um Unternehmen auszuschließen, die nicht unseren Anforderungen hinsichtlich Kontroversitätsniveau, dem ESG-Mindestrating und den ESG-Standards und sektoralen Richtlinien von uns entsprechen.
Sobald das Investmentuniversum eingeschränkt ist, wenden wir spezielle Ausschlusskriterien an, die auf dem Environment-Rating von MSCI basieren. So entfernen wir das schlechteste Quintil aus dem Anlageuniversum. Insgesamt ist das eine effiziente Methode, Unternehmen zu identifizieren, die potenziell unzulässige Umweltrisiken darstellen könnten.
Was hältst du von Unternehmen wie Nestlé oder auch LVMH – inwiefern sind diese nachhaltig oder nicht?
Emeric: Wir betrachten beide (Nestlé und LVMH) als nachhaltige Investitionen. Daher sind wir auch seit Jahren in diese Unternehmen investiert. Dennoch, wie bei jedem anderen Unternehmen, gibt es immer noch Raum für Verbesserungen. Beide Unternehmen präsentieren jedoch auch einen glaubwürdigen Fahrplan für Fortschritte im ESG-Bereich. Mit Blick auf den Klimawandel ist ihre Kohlenstoffintensität (Scope 1, 2, 3) im Vergleich zu ihren Wettbewerbern ermutigend.
Welche europäischen Konzerne wirtschaften besonders nachhaltig und warum?
Emeric: Wie bereits erwähnt, hat der Begriff nachhaltig viele unterschiedliche Definitionen. Ein Unternehmen, das gemäß dem Net-Zero-Ansatz (basierend auf dem Pariser Abkommen) als sehr positiv bewertet wird, kann bei einer Analyse der UN-SDGs plötzlich negativ erscheinen.
Nestlé befindet sich in der zweitbesten Kategorie hinsichtlich seiner Ausrichtung auf das Pariser Abkommen, was es als nachhaltiges Unternehmen kennzeichnet. Dennoch hat es auch eine weniger überzeugende Bewertung von MSCI für die Governance-Säule erhalten.
Jedes Unternehmen weist Schwächen auf, insbesondere angesichts der Fülle an verfügbaren Daten.
Welche europäischen Länder oder Branchen hältst du für besonders vielversprechend in Bezug auf nachhaltige Investitionen und warum?
Emeric: Ich finde es wichtig - und zugleich auch schwierig - den Begriff vielversprechend zu definieren. Denn:
Ist eine nachhaltige Investition vielversprechend, wenn sie ihre Kohlenstoffintensität verbessert, aber keine Rendite erzielt?
Wir sind der Überzeugung, dass finanzielle und nicht-finanzielle Aspekte als zwei Seiten derselben Medaille betrachtet werden sollten. In jedem Sektor und in jedem Land gibt es vielversprechende Unternehmen. Derzeit sind 85 Prozent unseres Portfolios (Stand: 27. September 2023) nachhaltig ausgerichtet.
Wo sollten sich Anleger informieren, wenn sie nachhaltig investieren möchten?
Emeric: Zunächst empfehle ich überstaatliche Organisationen wie die Principles for Responsible Investing oder die Net Zero Asset Managers Initiative. Auf lokaler Ebene sind es Marktaufsichtsbehörden und das jeweilige Finanzministerium, das nationale Labels für verantwortliche Investitionen etabliert.
Welche Risiken siehst du bei nachhaltigen Investitionen in europäische Aktien im Vergleich zu Aktien von Firmen, die nicht nachhaltig wirtschaften?
Emeric: Ein kurzfristiges Risiko könnten Überlegungen einiger Anleger wie Hedge-Fonds sein, die zu Leerverkäufen von „unrechtmäßigen ESG-Aktien" führen. Während der Covid-Krise haben einige Unternehmen von dem aufkommenden ESG-Trend profitiert und beträchtliche Mittelzuflüsse verzeichnet. Diese Zuflüsse kamen sowohl von institutionellen Investoren als auch aus den Haushaltsmitteln nationaler Förderprogramme.
Langfristig betrachtet – und das ist die Perspektive, die von Aktienanlegern bevorzugt in Betracht gezogen werden sollte – stehen jedoch die „nicht nachhaltigen“ Unternehmen vor erheblichen Risiken. Es ist wahrscheinlich, dass Regulierungsbehörden, Investoren und letztendlich Endkunden sich von diesen Unternehmen abwenden werden, da sie zu viel Unsicherheit mit sich bringen.
Nachhaltigen Aktien wird oft nachgesagt, dass sie weniger Rendite als herkömmliche Aktien bringen. Inwiefern stimmt das?
Emeric: Auch hier sollte zwischen kurzfristiger und langfristiger Entwicklung unterschieden werden. In manchen Marktkonstellationen kann es für nachhaltige Aktien schwierig sein, mit der Marktentwicklung Schritt zu halten. Denn nachhaltige Anlagen neigen dazu, Verzerrungen in die Portfoliokonstruktion einzubringen.
Im Jahr 2022 war es für nachhaltige Fonds schwierig, den Markt zu übertreffen: Zwei Sektoren profitierten, und diese waren überhaupt nicht nachhaltig, nämlich Öl und Bergbau.
Bei der Anlage in Aktien sollte man nicht den Kalender oder die kurzfristige Performance, sondern die langfristige Perspektive berücksichtigen. Das gilt auch für die nachhaltigen Ziele, über die wir alle nachdenken sollten.
Welche Arten von ETFs beziehungsweise Indizes sind nachhaltig?
Emeric: ETFs bieten mehrere Möglichkeiten, um nachhaltig zu sein: entweder mit einem aktiven Ansatz, der die Liquidität des ETFs auch mit einer aktiven Portfoliokonstruktion sicherstellt oder mit einem ETF, der einen nachhaltigen Index nachbildet.
Welche anderen beziehungsweise besseren Möglichkeiten gibt es, um nachhaltig in Europa zu investieren?
Emeric: Die Festlegung des individuellen Risikoprofils sollte der allererste Schritt sein. Denn unabhängig vom Grad der Nachhaltigkeit gilt: Das Risiko der Anlageklasse überschattet alles andere. Je nach den Bedürfnissen des Anlegers können daher Währungsfonds, festverzinsliche Wertpapiere mit Green/Blue Bonds oder Sachwerte eine nachhaltige Finanzierung unterstützen.
Wie wird sich der Markt für nachhaltige europäische Aktien künftig entwickeln?
Emeric: Ich bin davon überzeugt, dass nachhaltige Investitionen mehr und mehr in alle Strukturen integriert werden. Von den Regulierungsbehörden bis hin zu den Endverbrauchern: Das ist die einzige Chance, einen echten Wandel herbeizuführen. Da sie mehr und mehr in das Leben aller integriert werden, werden Voreingenommenheiten wahrscheinlich abnehmen.
Die notwendige Analyse der ESG-Dimension eines Unternehmens wird ein Muss sein und nicht mehr nur ein „nice to have“, gewissermaßen das neue Normal. Dieser Wandel wird sich schrittweise vollziehen, und das ist der Grund, warum wir in unseren Fonds verschiedene Nachhaltigkeitsniveaus anbieten.
Zum Interviewpartner
Emeric Oziel ist Senior Equity Investment Specialist für nachhaltige Aktien bei Axa Investment Managers.