Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat erstmals umfassend untersucht, was Verbraucher von nachhaltigen Finanzprodukten erwarten – und liefert damit neue Argumente in einer Debatte, die die Finanzbranche seit Jahren spaltet.
Zwei von drei Verbrauchern interessieren sich für nachhaltige Geldanlage
Das Ergebnis der repräsentativen Online-Befragung von 1.528 Personen im Juni 2025 zeigt: Das Interesse an nachhaltigen Finanzprodukten ist weiterhin hoch. 65 Prozent der Befragten gaben an, sich ein bisschen oder stark für nachhaltige Finanzprodukte zu interessieren. 29 Prozent aller Befragten haben bereits in ein solches Produkt investiert.
Die Bafin befragte die interessierten 1.000 Teilnehmer vertieft zu ihren Erwartungen an die Reform der EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR). Dabei kristallisierte sich heraus: Verbraucher hätten vor allen Dingen gerne Transparenz und verbindliche Standards.
Rund zwei von drei an Nachhaltigkeit interessierten Befragten wünschen sich die Vorgabe, dass Menschenrechtsverletzungen bei nachhaltigen Finanzprodukten ausgeschlossen seien. Mehr als die Hälfte erwartet das zudem für weitere Investitionskategorien wie geächtete Rüstungsgüter oder Kohleverstromung.
Bei der Frage nach Mindestquoten zeigen sich die Verbraucher anspruchsvoll: Für 71 Prozent der Befragten sollte der Mindestanteil nachhaltiger Investitionen in einem „nachhaltigen Finanzprodukt“ mindestens 50 Prozent betragen, für 35 Prozent sogar mindestens 75 Prozent. Im Durchschnitt erwarten die Teilnehmer einen Mindestanteil von 57 Prozent.
Produktkategorien: Große Unterschiede in der Akzeptanz
Die Bafin testete auch die Zustimmungswerte zu vier möglichen neuen Produktkategorien im Rahmen der SFDR-Reform:
- Nachhaltiges Finanzprodukt (investiert ausschließlich in ökologisch oder sozial nachhaltige Aktivitäten): 82 Prozent bewerten es als nachhaltig.
- Transformationsprodukt (finanziert den Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft): 56 Prozent halten es für nachhaltig.
- Ausschlussprodukt (schließt gewisse Aktivitäten aus, keine weiteren Nachhaltigkeitsziele): Nur 39 Prozent bewerten es als nachhaltig.
- Mischprodukt (führt die anderen drei Kategorien zusammen): 30 Prozent stufen es als nachhaltig ein.
„Produktkategorien, die keine eindeutigen Ziele in den Dimensionen Ökologie, Soziales und Unternehmensführung verfolgen, nimmt die Mehrheit der an Nachhaltigkeit interessierten Befragten nicht als nachhaltig wahr“, fasst die Bafin zusammen. Das betrifft insbesondere reine Ausschlussprodukte und Mischprodukte.
Dieses Ergebnis kann auch als Kritik an Artikel-8-Fonds gewertet werden: Diese Produktklasse fällt bei Verbrauchern offenbar weithin durch. Jedenfalls wird sie als nicht besonders nachhaltig wahrgenommen. Während Fonds „mit Nachhaltigkeitsmerkmalen" (Artikel 8 SFDR) bei Emittenten und im Finanzverrieb gemeinhin als „nachhaltig“ gelten, würden Verbraucher allenfalls einen Fonds mit einem expliziten Nachhaltigkeitsziel (Artikel-9-Fonds) als nachhaltiges Produkt annehmen.
Transparenz gefordert – aber verständlich
97 Prozent der Befragten wünschen sich nähere Informationen zu den Nachhaltigkeitsaspekten bei als nachhaltig deklarierten Finanzprodukten. 60 Prozent davon möchten, dass der Anbieter relevante Nachhaltigkeitsinformationen vor Vertragsabschluss deutlich herausstellt.
Kritisch sehen Verbraucher fehlende Angaben zu nicht nachhaltigen Investitionen in einem Finanzprodukt, das insgesamt als nachhaltig deklariert wird: 70 Prozent finden es irreführend, wenn dort keine Aussage dazu getroffen wird, inwieweit auch nicht nachhaltige Investitionen im Produkt enthalten sind.
Bei den Formulierungen für Beratungsgespräche gibt es keine klare Präferenz. Allerdings schneidet die aktuell gebräuchliche, stark regulatorisch geprägte Frage („Wollen Sie in Ihrem Finanzprodukt ökologisch nachhaltige Investitionen gemäß der Taxonomie-Verordnung, nachhaltige Investitionen gemäß der Offenlegungsverordnung oder/und Investitionen, die nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen berücksichtigen?“) mit nur 29 Prozent Zustimmung am schlechtesten ab.
Kontrolle durch staatliche Behörden bevorzugt
Bei der Frage, wer die Einhaltung der Vorschriften prüfen sollte, sprechen sich 62 Prozent für staatliche Behörden aus. 43 Prozent nennen Wirtschaftsprüfer, nur 28 Prozent das Unternehmen selbst. 66 Prozent der Befragten wüschen sich regelmäßige Prüfungen.
Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einer Anpassung der seit 2021 geltenden Offenlegungsverordnung. Ziel ist es, Nachhaltigkeitsinformationen von Investmentfonds, anlageorientierten Versicherungen und ähnlichen Produkten einfacher und verständlicher zu machen. Die Bafin-Umfrage soll die Verbraucherperspektive in den europäischen Reformprozess einbringen.
Die Ergebnisse dürften die Debatte in der Finanzbranche weiter befeuern. Während Berater die verpflichtende Nachhaltigkeitsabfrage häufig als bürokratische Last empfinden, zeigen die Bafin-Daten: Verbraucher sind durchaus an nachhaltiger Geldanlage interessiert - was angesichts des gedrehten Trends am US-Markt unter der Präsidentschaft Trump an sich schon eine interessante Erkenntnis ist.
Viele Verbraucher - und damit auch Privatanleger - wünschen sich jedoch zusätzlich auch noch klarere und verbindlichere Vorgaben als bisher. Die Kluft zwischen regulatorischer Komplexität und Kundenerwartungen bleibt damit in der nachhaltigen Geldanlage eine zentrale Herausforderung.

