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Nachhaltige Immobilien
Spagat zwischen ESG und Wirtschaftlichkeit
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Von in ImmobilienLesedauer: 6 Minuten
Bauprojekt Four in Frankfurt
Bauprojekt Four in Frankfurt: Das Hochhaus-Quartett soll hohen ESG-Anforderungen genügen | Foto: imago images/Jochen Tack

ESG-Aspekte sind längst kein Nice-to-Have mehr, sondern spätestens seit der Transparenz-Verordnung der EU ein notwendiger Bestandteil von Immobilieninvestments. Insbesondere für institutionelle Anleger und Investitionen in Artikel 8 oder 9 Fonds spielt die ESG-Konformität einer Immobilie inzwischen die entscheidende Rolle.

Aber auch Privatinvestoren und Family Offices müssen das Thema in ihre Ankaufsentscheidungen einbeziehen, wenn sie bei einem späteren Verkauf keine Abschläge riskieren möchten. Die verschärfte Berichtspflicht für Unternehmen gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive macht das Thema auch für Unternehmen unumgänglich.

Transaktionsreferenzen fehlen

Die Preisfindungsphase angesichts der höheren Zinsen dauert noch an. An den Top-7-Standorten belief sich das Transaktionsvolumen im 1. Quartal 2023 auf lediglich rund 2,6 Milliarden Euro – ein Minus von rund 72 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Insbesondere institutionelle Investoren zeigen sich momentan noch zurückhaltend.

Dadurch fehlen konkrete Transaktionsreferenzen, die als Anhaltspunkte für den allgemeinen Umgang mit der ESG-Thematik herangezogen werden könnten. Auch um die Preisgestaltung in Bezug auf die ESG-Konformität neben den übrigen Variablen angemessen bestimmen zu können, benötigen wir einen guten Schwung an Transaktionen. 

 

 

 

„E“ steht im Vordergrund, viel Unklarheit bei „S“ und „G“

Die ESG-Kriterien sind inzwischen unverzichtbarer Bestandteil der Due Dilligence und oft ausschlaggebend für Ankaufs- und Desinvestment-Entscheidungen. Auch für Unternehmen gewinnen sie an Relevanz: Insbesondere die ökologische und soziale Ausrichtung kann im sogenannten War for Talents den entscheidenden Unterschied machen.

Das „E“ für „Environment“ ist von diesen Kriterien am einfachsten mess- und quantifizierbar und wird schwerpunktmäßig betrachtet, wenngleich Optimierungen hier in der Regel am aufwändigsten und kostenintensivsten sind. Viele Investoren achten nun insbesondere darauf, wo sich ihr Asset auf dem Pfad des Carbon Risk Real Estate Monitors befindet. Dieser schätzt die zukünftige Klimaverträglichkeit einer Immobilie ein und definiert Dekarbonisierungsziele, um ein Stranded Asset zu vermeiden. 

 

 


  
Die Vorgaben hinsichtlich der Kategorien „Social“ und „Government“ sind hingegen weniger konkret. Wir beobachten hier großen Interpretationsspielraum und spannende Grenzfälle. So reicht es für eine gute „S“-Performance etwa nicht aus, ein Objekt an einen sozialen Mieter zu vermieten. Die Miete muss zusätzlich deutlich unter Marktniveau sein, um das ESG-Rating positiv zu beeinflussen. Doch auch ein zu einer niedrigen Miete an einen Wohltätigkeitsverein vermietetes Objekt schneidet im Gesamtrating schlecht ab, wenn noch eine alte Ölheizung eingebaut ist.

Kurios sind auch die Diskussionen hinsichtlich der Mieterauswahl. Gilt ein Rüstungsunternehmen angesichts der aktuellen politischen Ereignisse als ethisch bedenklich? Hier fehlen konkrete Messgrößen und klare Definitionen, die Rechtsbestand haben und Investoren so eine verlässliche Bewertung und Vergleichbarkeit von Objekten ermöglichen. Eine Möglichkeit zur Orientierung bieten Zertifizierungen, etwa nach DGNB, LEED und BREEAM. Deren Anzahl hat rasant zugenommen: In Frankfurt beispielsweise ist inzwischen etwa jedes fünfte Bürogebäude mit einem Nachhaltigkeitslabel ausgezeichnet. 

 

Balanceakt zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit

Die Wirtschaftlichkeit stellt vermutlich die größte Hürde auf dem Weg zur ESG-Konformität dar. Neubauten erfüllen oft hohe ESG-Standards und sind bei Investoren entsprechend gefragt. Hier gilt es zu beachten, dass Einsparungen durch eine gute Energiebilanz nicht durch teure Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zunichtegemacht werden.

 

 

 

Noch herausfordernder ist der Umgang mit dem Bestand. Alleine in Köln sind schätzungsweise rund 6 Millionen Quadratmeter des Bürobestands (von insgesamt rund 8 Millionen Quadratmeter) nach ESG-Vorgaben sanierungsbedürftig. Bestandshalter und Vermieter stehen oft vor einem großen Dilemma, wenn sie Nachhaltigkeit und Vermietbarkeit in Einklang bringen möchten. Sanierungskosten auf die Mieten aufzuschlagen, die sich an den Top-7-Standorten ohnehin schon auf einem neuen Höchststand bewegen, kann nicht die Lösung sein.

In Frankfurt, dem Spitzenreiter unter den Top-7, liegt die Spitzenmiete inzwischen bei 46,50 Euro/Quadratmeter/Monat. Zwar sind viele Mieter durchaus bereit, für ESG-konforme Flächen mehr zu zahlen. Insbesondere in peripheren Lagen ist das Steigerungspotenzial dennoch begrenzt. Der Königsweg ist daher, so kostenneutral wie möglich den Klimapfad einzuhalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Nicht jedes Bestandsgebäude sollte direkt zum Green Building umgerüstet werden. Insbesondere für Vermieter mit einem großen Bestand brauchen wir realistische Übergangsregelungen. Neben dem Kostenfaktor spielt auch die Frage der Realisierbarkeit eine Rolle: Haben wir überhaupt genügend Fachpersonal, um den enormen Sanierungsbedarf abzudecken? Verfügen wir über die materiellen Ressourcen? 

Anreize für Bestandssanierung schaffen 

Die Anforderungen an Immobilien hinsichtlich Energieeffizienz, Brandschutz, Leitungsführung und technischer Gebäudeausrüstung sind inzwischen so komplex, dass ein Neubau oft die wirtschaftlichste Lösung ist – die klimaschonendste ist sie hingegen nicht.  Doch der Fokus der CO2-Einsparung liegt auf der Betriebsphase der Immobilie, sogenannte graue Emissionen aus dem Bau werden in der ESG-Regulatorik aktuell nicht berücksichtigt. Hier braucht es neue Anreize, damit die Bestandssanierung attraktiver wird und die CO2-Gesamtbilanz entsprechend positiver ausfällt. 

Auf dem Weg zu einem klimaneutralen Gebäudesektor gibt es noch einige Herausforderungen zu bewältigen, um sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu vereinen. Neben Kapital erfordert dies vor allem konkretere Vorgaben und Lösungen seitens der EU. Doch auch die Kraftanstrengung aller Akteure der Branche ist gefragt: Sie müssen sich ein neues Wissensgebiet erarbeiten und schnell und flexibel auf Neuerungen reagieren können. Abgehängt wird der, der hier nicht mithalten kann.  

 


Über den Autor:  Andreas Rehberg ist Sprecher von German Property Partners (GPP), einem Netzwerk von lokal führenden Gewerbeimmobiliendienstleistern in den Top-7-Städten Deutschlands. Hierzu gehören Grossmann & Berger, Anteon Immobilien, Greif & Contzen Immobilien, Blackolive und E & G Real Estate. Es soll sich durch umfassende Marktkenntnisse vor Ort, langjährig für die Partnerunternehmen tätige Immobilienberater und das persönliche Engagement der Gesellschafter und Geschäftsführer auszeichnen. 

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