Nachhaltigkeits-Expertin Miriam Michelsen
Warum nachhaltige Finanzberatung nicht kompliziert sein muss

Nachhaltigkeits-Expertin Miriam Michelsen
Weltpolitisch markieren das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 und die im selben Jahr verabschiedeten Ziele der Vereinigten Nationen – die UN Sustainable Development Goals (SDGs) – die wichtigsten Orientierungspunkte auf dem Weg zu globaler Nachhaltigkeit. Im Bereich nachhaltige Finanzen steht dabei die Erreichung von drei konkreten Zielen auf der Agenda:
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Weltpolitisch markieren das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 und die im selben Jahr verabschiedeten Ziele der Vereinigten Nationen – die UN Sustainable Development Goals (SDGs) – die wichtigsten Orientierungspunkte auf dem Weg zu globaler Nachhaltigkeit. Im Bereich nachhaltige Finanzen steht dabei die Erreichung von drei konkreten Zielen auf der Agenda:
CSR, NFRD, SFDR, CSRD, EU-Taxonomie, MiFID, IDD, PAI, EET: Diese und noch viele weitere regulatorische Initiativen sollen zur Umsetzung dieser Ziele beitragen. Hierbei kommt auch Finanzberaterinnen und Finanzberatern eine gesellschaftlich bedeutende Rolle zu, schließlich ist es ihre Verantwortung, ihre Kundinnen und Kunden im Rahmen des Beratungsgesprächs über Produktausprägungen und Nachhaltigkeitsmerkmale aufzuklären.
Seit August 2022 ist es sogar verpflichtend, bei Fonds und Versicherungsanlageprodukten die Nachhaltigkeitspräferenz zu erfragen – zusätzlich zu Anlagezweck, Anlagedauer und Risikotoleranz [Bafin, n. d.]. Als wichtigster Grundsatz ist im Leitfaden zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitspräferenzen gemäß der IDD genannt: „Es muss sichergestellt sein, dass die Kunden das Konzept ‚Nachhaltigkeitspräferenzen‘ und die Entscheidung, ob und in welchem Umfang ein bestimmtes Produkt in ihre Investitionen einbezogen werden sollte, verstehen.“ [Bafin, 2022].
Was simpel klingt, stellt in der Realität Finanzberater wie Kunde häufig vor Herausforderungen – denn die oben dargestellte komplizierte Regulatorik ist in den meisten Fällen nicht besonders praxistauglich. In Deutschland ist das Volumen der in Nachhaltigkeitsfonds angelegten Gelder im ersten Quartal 2024 zwar deutlich angewachsen (auf 977 Milliarden Euro), allerdings ist das hauptsächlich auf Umklassifizierungen bestehender Produkte und Kursgewinne an den Aktien- und Rentenmärkten zurückzuführen.
Das Neugeschäft jedoch schwächelt [BVI, 2024]. Ein möglicher Grund hierfür ist laut BVI die überbordende Bürokratie: „[Selbst interessierte Anleger scheitern] oft an der Komplexität der vorgegebenen Fragen, etwa zu Mindestquoten oder nachteiligen Auswirkungen, die sie berücksichtigen möchten. Weil Definitionen und Standards fehlen, sind verpflichtende Angaben zu den Nachhaltigkeitsmerkmalen außerdem regelmäßig nicht vergleichbar. Das führt zusätzlich zur Verunsicherung vieler Privatanleger.“ [BVI, 2024].
So kann es beispielsweise passieren, dass es kein passendes Angebot für die geäußerten Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden gibt – etwa, wenn dieser sich für einen sehr hohen Anteil taxonomiekonformer Anlagen entscheidet, die Datentransparenz beziehungsweise das Produktangebot dafür aber noch nicht ausreicht.
In die Liste der Probleme reihen sich außerdem eine wenig endverbrauchergerechte Sprache, die Gefahr des Greenwashings und die Herausforderung einer neutralen Beratung ohne moralischen Zeigefinger ein.
Dennoch ist das grundsätzliche Interesse an nachhaltigen Lösungen groß. Zu den häufigsten Gründen, warum Menschen bei nachhaltigen Geldanlagen trotzdem zögern, zählen Zweifel an deren Wirksamkeit sowie eine vermeintlich geringere Rendite [IVFP, 2024]. Dies unterstreicht einmal mehr den Wert einer guten Beratung – im vertiefenden Gespräch ist es schließlich möglich, über Wirkungsweisen von nachhaltigen Lösungen aufzuklären und die Vorstellungen des Kunden gezielt umzusetzen.
Sowohl auf Ebene der Berater als auch der Kunden ist Interesse an nachhaltiger Beratung vorhanden – eine gute Grundlage, um diese zielgerichtet und bedürfnisorientiert durchzuführen. In unserer Beratungspraxis haben wir die Erfahrung gemacht, dass drei Punkte hierzu in besonderem Maße beitragen:
Offenheit für verschiedene Nachhaltigkeitsdefinitionen und -präferenzen
Jeder interpretiert „Nachhaltigkeit“ für sich unterschiedlich. Ein erster Schritt muss daher sein, eine gemeinsame Grundlage zu schaffen, um die Thematik zu besprechen. Wichtig ist außerdem, ergebnisoffen zu beraten und der Kundin oder dem Kunden damit eine objektive und transparente Entscheidungsgrundlage zu ermöglichen, um für sich selbst die richtige Wahl zu treffen. Das kann auch eine bewusste Entscheidung gegen die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten sein.
Transparentes Aufzeigen aller Optionen
Viele denken beim Thema „nachhaltige Finanzen“ möglicherweise nur an die Geldanlage, wie beispielsweise vermögensverwaltende Fonds oder ETFs. Dabei gibt es in der Zwischenzeit auch weit darüber hinaus vielfältige Möglichkeiten, die persönlichen Finanzen nachhaltig zu gestalten, etwa durch entsprechende Sachversicherungen. Diese übernehmen beispielsweise im Schadenfall die Kosten für die Wiederherstellung beschädigter Dinge oder tragen die Mehrkosten für die Anschaffung energiesparender Alternativen (zum Beispiel Elektrogeräte).
Häufig besteht von Kundenseite auch der Wunsch, moderne energiesparende Technik wie Photovoltaikanlagen oder Wärmepumpen umfassend über die Wohngebäudeversicherung abzusichern. Neben der eigentlichen Produktlösung ist es außerdem relevant, auch den Versicherer selbst zu beleuchten und diese Informationen den Kundinnen und Kunden aggregiert und transparent zur Verfügung zu stellen.
Qualifizierung der Beraterinnen und Berater auf höchstem Niveau
Nicht zuletzt machen wir täglich die Erfahrung, welchen Mehrwert eine fundierte und fortlaufende Aus- und Weiterbildung der Beraterinnen und Berater bietet. Dadurch sind diese nicht nur Experten in Bezug auf alle relevanten fachlichen Themen und stets am Puls der neusten Entwicklungen, sondern werden auch befähigt, komplizierte Sachverhalte verständlich und auf Augenhöhe an ihre Kundinnen und Kunden zu kommunizieren – neutral und ganz ohne moralischen Zeigefinger. So kann die praktische Einbindung von Nachhaltigkeit in die Finanzberatung gut gelingen.
Quellen:
Bafin. „Leitfaden zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitspräferenzen in die Eignungsbeurteilung unter der Versicherungsvertriebsrichtlinie.“ 2022. https://www.bafin.de/ref/19600486
Bafin. „Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen.“ https://www.bafin.de/ref/19692388.
BVI. „Fokus Nachhaltigkeit. Der nachhaltige Fondsmarkt im ersten Quartal 2024.“ 2024. https://www.bvi.de/uploads/tx_bvibcenter/Fokus_Nachhaltigkeit__Q1_2024_.pdf.
Europäische Kommission. „Häufig gestellte Fragen: Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums.“ 2018. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/MEMO_18_1424.
IVFP. „Umfrage zu Nachhaltiger Geldanlage bei Genossenschaftsbanken.“ 2024. https://ivfp.de/wp-content/uploads/2024/04/Bankenumfrage_Nachhaltiger-Geldanlagen_AK.pdf.
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