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Nachhaltigkeit „Fondsindustrie darf sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen“

Naturschutzgebiet Haselschacher Buck in Baden-Württemberg
Naturschutzgebiet Haselschacher Buck in Baden-Württemberg: Das Thema Nachhaltigkeit hat sich als langfristiger Trend etabliert, meint Carsten Böhme. | Foto: Unsplash.com

Der deutsche Fondsverband BVI vermeldete für das Jahr 2020 Rekordzahlen in Bezug auf nachhaltige Investmentfonds. Mit 147 Milliarden Euro erreichte das Vermögen nachhaltig verwalteter Fonds zum Jahresende hierzulande eine neue Rekordmarke. Das Wachstum wird dabei offensichtlich bislang von den Privatanlegern getrieben: Fast jeder zweite von den Bundesbürgern in Fonds neu angelegte Euro entfiel auf Nachhaltigkeitsfonds. Vor zwei Jahren, im Jahr 2018, waren es gerade einmal 16 Prozent. Das Volumen der ESG-Publikumsfonds wuchs so im Jahr 2020 um 52 Prozent, während konventionelle Fonds nur um magere 3 Prozent zulegen konnten. Die Marktdynamik scheint beeindruckend grün zu sein. Eine Erfolgsgeschichte für die gesamte Branche.

Ist also alles gut? Kann die Asset-Management-Branche damit die großen Erwartungen relativ leicht erfüllen, die nicht zuletzt durch den New Green Deal der Europäischen Kommission an sie gestellt wurden? Es geht hierbei um nichts geringeres als klimaneutrales Wirtschaften in der EU bis zum Jahr 2050, unter anderem auch durch gesteuerte, private Investitionen via der sogenannten EU-Taxonomie.

Ein genauerer Blick auf unser aktuelles Nachhaltigkeits-Barometer, bei dem wir zu Jahresbeginn in Zusammenarbeit mit Truth mehr als 2.000 Bundesbürger befragt haben, zeigt, dass die Lage vielleicht nicht ganz so rosig ist, wie die Rekordzahlen vermuten lassen – beziehungsweise positiv formuliert, dass hier noch weiter Luft nach oben ist. Das Barometer beschäftigt sich eingehender mit den Ängsten und Hoffnungen der Deutschen, ihren Einstellungen insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen wie dem Klimawandel, aber auch mit den Erwartungen diesbezüglich an Politik und Unternehmen. Im vergangenen Jahr geschah dies zudem unter dem Eindruck der Corona-Pandemie.

 Optimismus gestiegen

Die Einschränkungen durch Covid-19 über einen so langen Zeitraum haben bei den Menschen deutliche Spuren hinterlassen. Die Sorgen um Gesellschaft und Wirtschaft sind sehr groß, die Wichtigkeit von finanzieller Sicherheit sowie der eigenen Gesundheit dominant. Die Krise hat aber auch bei einer deutlichen Mehrheit der Bundesbürger für eine steigende Aufmerksamkeit für die Schwachen gesorgt. Sie hat gezeigt, wie verletzlich der Einzelne in unserer Gesellschaft ist und wie sehr wir aufeinander angewiesen sind.

Diese deutlichen Sorgen stehen in einer auf den ersten Blick widersprüchlichen Entwicklung hinsichtlich der Zukunftshaltung: Der Anteil der Bundesbürger, die einen optimistischen Blick auf ihr eigenes Leben haben, ist nämlich gestiegen, von 62 Prozent auf 65 Prozent. Die Pessimisten, die mit Blick auf die gesamte Welt eine negative Entwicklung erwarten, sind von 57 Prozent auf 49 Prozent gefallen. Die Pandemie verschiebt also nicht nur die persönliche Gewichtung von Themen, sondern die erwartete beziehungsweise sich abzeichnende Überwindung der Krise bringt durchaus Hoffnung auf bessere Zeiten.

Und was hat all das mit der Nachhaltigkeit zu tun? Die ohnehin hohe Bedeutung von Klimawandel und Umweltschutz ist in der Pandemie, trotz aller großen Sorgen um Wirtschaft und Familie, nicht gesunken, sondern weiter gestiegen. 73 Prozent der Bundesbürger sind besorgt beziehungsweise sehr besorgt über den Klimawandel (gestiegen von 70 Prozent), und 75 Prozent sehen in ihm ein dringendes Thema (gestiegen von 70 Prozent). Ein deutliches Zeichen für die Relevanz und Nachhaltigkeit der Thematik.

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Es kann erwartet werden, dass zukünftig die Bundesbürger hier mehr Taten und Fortschritt sehen wollen: 63 Prozent der Deutschen finden nämlich, dass die Pandemie gezeigt hat, dass wir nachhaltiger Leben können. 45 Prozent schöpfen daraus auch die Hoffnung, dass wir gemeinsam schneller Änderungen erreichen können. Und 49 Prozent befürchten, dass die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie den Klimawandel vergessen lassen könnte.

Die Fondsgesellschaften sollten also nicht nur die Regulierer in Brüssel ernst nehmen, sondern auch und in erster Linie ihre Kunden, die Privatanleger. Klimawandel wird bei ihnen nicht an Bedeutung verlieren. Klimawandel entwickelt sich vom unbestimmten Angst- zu einem echten Gestaltungsthema. Immer mehr Bundesbürger sehen in der Herausforderung Chancen für die Zukunft (von 38 Prozent auf 45 Prozent angestiegen).

Nachhaltig Geld anlegen – nur wie?

In der Verantwortung für den Kampf gegen den Klimawandel sehen die Bundesbürger in erster Linie die Unternehmen selbst – und dazu gehören auch Fondsgesellschaften. Dann kommen erst Regierungen und die breite Bevölkerung. Die Zuversicht, dass die Unternehmen auch ausreichende Schritte umsetzen, um dem Klimawandel zu begegnen, ist im vergangenen Jahr zwar gestiegen, von 24 Prozent auf 32 Prozent. Im Umkehrschluss bedeutet es aber auch, dass immer noch 38 Prozent der Befragten daran zweifeln (zuvor 47 Prozent). Das Misstrauen in die Aussagen der Unternehmen zu den konkreten Maßnahmen fällt zudem nur zögerlich (von 48 Prozent auf 41 Prozent der Befragten).

Vermögensverwalter sollten sich also nicht auf den erreichten Absatzzahlen ausruhen, sondern sich weiter um das Vertrauen der Anleger bemühen. Greenwashing-Vorwürfe beschädigen nicht nur die Reputation einzelner Anbieter, sondern auch deren langfristiges Vertriebspotenzial. Die Hauptgründe, warum Verbraucher keine nachhaltigen Kauf- beziehungsweise Investmententscheidungen treffen, lässt sich nämlich auf zwei Hauptaspekte reduzieren: Kosten und Transparenz. Zu teuer geht nicht – und fehlende, falsche oder verwirrende Informationen bremsen auch aus. Denn 62 Prozent der Bundesbürger würden gerne mehr nachhaltige Entscheidungen treffen, wissen aber nicht wie. 61 Prozent scheitern an widersprüchlichen Informationen, und nur 37 Prozent haben keine Zeit.

Eine Einladung an die Fondsgesellschaften für eine kluge Kommunikationsstrategie! Zumal aktuell gerade einmal 29 Prozent der Bundesbürger angeben, es sei leicht oder sogar sehr leicht Geld nachhaltig anzulegen – der schlechteste Wert unter den abgefragten Produktkategorien. Da hilft es auch nicht, dass die Nachhaltigkeitspolitik von Finanzunternehmen eine deutlich geringere Beachtung durch die Bundesbürger findet – nur 25 Prozent der Befragten ist es wichtig – als zum Beispiel die Automobilindustrie (nämlich 53 Prozent). Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser Wert ansteigt. Und dann gewinnen die Fondsgesellschaften, die sich nicht auf ihren Lorbeeren ausgeruht haben.


Über den Autor:
Carsten Böhme ist Managing Partner beim Kommunikations-Beratungsunternehmen Instinctif Partners. 
Mehr Informationen zum Nachhaltigkeitsbarometer gibt es hier >>

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