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Appell gegen Klimawandel von Vontobel-Spezialist Pascal Dudle

Wir sind eindeutig nicht auf dem Weg, das Pariser Abkommen zu erfüllen. Auf der Klimakonferenz COP 28 werden die Regierungen an einem Rahmen für die Erreichung des globalen Anpassungsziels des Pariser Abkommens arbeiten. Wir hoffen, dass sie auch einen Fahrplan zur Förderung von Klimaschutzmaßnahmen mit klaren Verpflichtungen und Empfehlungen aufstellen werden. Die Konferenz wird sich unter anderem mit der Umsetzung des auf der COP 27 vereinbarten Fonds für Verluste und Schäden befassen. Auch die Ernährungssysteme und die Landwirtschaft werden in diesem Jahr im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Gute Absichten und Versprechen reichen nicht aus – die Welt braucht dringend eine Umsetzung. Der Emissionslückenbericht 2022 des UN-Umweltprogramms (UNEP) zeichnet kein schönes Bild. Die von den Staats- und Regierungschefs auf der UN-Klimakonferenz COP 26 in Glasgow im Jahr 2021 verabschiedeten nationalen Klimaschutzziele (Nationally Determined Contributions, NDCs) haben kaum an der Oberfläche gekratzt. Die Treibhausgasemissionen haben im Jahr 2022 einen neuen Rekordwert erreicht, und im September dieses Jahres lagen die globalen Durchschnittstemperaturen um 1,8 °C über dem vorindustriellen Niveau.
1,5-Grad-Ziel kaum erreichbar
Selbst bei vollständiger Umsetzung der an Bedingungen geknüpften NDCs kann der Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert nur auf 2,5 Grad Celsius begrenzt werden. Dem Bericht zufolge muss die Welt bis 2030 48 Prozent der derzeitigen Treibhausgasemissionen einsparen, um auf dem richtigen Weg zu sein, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, und 28 Prozent, um sie auf 2 Grad Celsius zu reduzieren. Die Autoren des Berichts betonen die dringende Notwendigkeit eines systemweiten Wandels und dass ein allmählicher, schrittweiser Ansatz nicht mehr ausreichen wird.
Ein Blick auf die weltweiten energiebedingten CO2-Emissionen im Jahr 2022 könnte auf den ersten Blick Anlass zu Optimismus geben: Dem CO2-Emissionsbericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge stiegen sie um weniger als ein Prozent. Das ist deutlich weniger als im Vorjahr, in dem ein Anstieg von mehr als sechs Prozent zu verzeichnen war. Dies ist jedoch hauptsächlich auf das Wachstum in Sektoren wie Solar- und Windenergie sowie Elektrofahrzeuge zurückzuführen. Sie haben dazu beigetragen, die Auswirkungen des verstärkten Einsatzes von Kohle und Öl im Zuge der weltweiten Energiekrise auszugleichen.
Der Bericht macht deutlich: Die Kohlenstoffemissionen befinden sich nach wie vor auf einem nicht nachhaltigen Wachstumspfad, und es sind mutigere Schritte erforderlich, damit die Welt die Energiewende beschleunigen und ihre Klimaziele erreichen kann.
Enormer Kapitalbedarf für Energiewende
BloombergNEF hat die Investitionschancen im Zuge der Dekarbonisierung auf 200 Billionen US-Dollar beziffert – müssen doch die Maßnahmen für die Energiewende noch wesentlich gesteigert werden, damit die Welt ihre Netto-Null-Ziele bis 2050 erreichen kann. Dies bedeutet jährliche Ausgaben in Höhe von rund 6,5 Billionen US-Dollar (verglichen mit 2 Billionen US-Dollar im Jahr 2021), was durchschnittlich 2 Prozent des weltweiten BIP gleichkommt oder in etwa den Militärausgaben der Nato-Partner.
Bereiche wie Windkraft, Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen müssen massiv ausgebaut werden. Laut einer Studie von Bank of America Global Research müssten zum Beispiel die Windkraft-Kapazitäten in den USA von derzeit gerade einmal 100 Gigawatt bis zum Jahr 2050 auf 4.200 Gigawatt erhöht werden. Man denke nur an die vielen Hunderttausend Ladestationen für Elektrofahrzeuge, die es für den Übergang zu einem batteriebetriebenen Straßenverkehr braucht.
All diese Bereiche müssen um das 40- bis 200-Fache ihrer heutigen Größe zulegen. Ein solches Wachstum ist nur mit entsprechendem Kapital möglich. BloombergNEF schätzt, dass rund 110 Billionen US-Dollar erforderlich sind, um die Art, wie wir heute Energie verbrauchen, zu transformieren. Weitere 90 Billionen US-Dollar sollen in Anlagen zur Energieversorgung, einschließlich Netz-Infrastruktur und Technologien zur Bindung von CO2, fließen.

1.200% Rendite in 20 Jahren?

Die Investitionsanreize in den USA und in Europa greifen zusehends, und es dauert nicht mehr lange, bis die in die Energiewende investierten Mittel jene in fossile Brennstoffe überholen. Dieser Trend dürfte sich in den nächsten Jahren weiter verstärken. Unternehmen, die in diesem Bereich über einen Wettbewerbsvorteil verfügen, entsprechen genau unserer Zielgruppe für Investitionen. Denn sie dürften vom Kapitalzufluss profitieren, können oft kostengünstigere Lösungen anbieten und haben häufig auch mehr Wachstumspotenzial.
Der Trend dürfte auch ohne politische Unterstützung und Subventionierung jenen Unternehmen langfristig strukturellen Rückenwind verleihen, die mit praktikablen Lösungen für die Umweltbedrohungen aufwarten, mit denen wir konfrontiert sind. Investitionen in Technologien, die energieeffiziente Gebäude, grünen Straßenverkehr und Alternativen zu kohlenstoffintensiven Prozessen fördern, sind genauso wichtig wie der Aufbau von Wind- und Solarparks.
Impact Investing – Investmentprofis sind interessiert
Das Interesse an solchen Investitionen ist zweifellos vorhanden. Unsere Umfrage zu Impact Investing aus diesem Jahr bestätigt das beträchtliche Interesse professioneller Anleger an Impact-Investing-Strategien und lässt darauf schließen, dass noch viel ungenutztes Potenzial im Markt vorhanden ist.
Regulatorischer Druck dürfte dem Interesse der Anleger an Impact Investing zusätzlich förderlich sein. Das Weiße Haus gab kürzlich den Plan von US-Präsident Joe Biden bekannt, die Emissionen der USA gegenüber 2005 halbieren zu wollen. Dies entspricht nahezu einer Verdoppelung des ursprünglichen, von der Obama-Regierung festgelegten Ziels. Die Gesetzgeber der Europäischen Union haben sich grundsätzlich darauf geeinigt, ihr Ziel der Emissionsverminderung gegenüber 1990 von 40 Prozent auf 55 Prozent zu erhöhen. Dies wird die Unternehmen zusätzlich unter Druck setzen, sich dem Kampf gegen den Klimawandel anzuschließen.
Investitionen in den Klimaschutz sind nicht nur notwendig, um katastrophale Klimaveränderungen, Wasserstress und den Verlust der biologischen Vielfalt zu verhindern, sondern langfristig auch wirtschaftlich sinnvoll. Kürzlich kündigte die Panamakanal-Behörde neue Einschränkungen im Schiffsverkehr an, die auf die anhaltende Dürre zurückzuführen sind, die durch El Niño verursacht wird und Berichten zufolge die schlimmste in der jüngeren Geschichte ist.
Die Alarmglocken schrillen ohrenbetäubend. Die Menschheit kann aber nicht einfach Hals über Kopf zum Notausgang rennen. Wir müssen unsere bisherigen Anstrengungen verdoppeln. Hierbei sind die Investoren zentral, damit wir die Wende zum Besseren schaffen. Es ist höchste Zeit, zu handeln. Nicht morgen. Nicht nächste Woche oder nächstes Jahr. Nein, jetzt!

Über den Autor:
Pascal Dudle ist Leiter des Bereichs Listed Impact bei dem Schweizer Investment Manager Vontobel.