LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in RegulierungLesedauer: 4 Minuten

Nächste Regulierungswelle voraus Zwei Jahre Mifid II und kein Ende

Seite 2 / 2

Anfangs wurde die Messlatte extrem hoch gehängt: Die Aufsicht wollte zunächst auch den Vertrieb verpflichten, eigene Zielmärkte für hunderttausende Wertpapiere zu definieren. Als die europäische Aufsichtsbehörde ESMA aber erkannte, welchen bürokratischen Auf-wand das bedeutet hätte, ist sie letztlich zurückgerudert. Die Zielmarken wurden eingedampft und letztlich auf die Kriterien heruntergefahren, die auch im Rahmen der Geeignetheitsprüfung abzufragen wären. Für Portfolios wurde das Prinzip mehr oder weniger aufgegeben. Letztlich läuft es auf einen Gleichklang der Prüfmechanismen von Product Governance und Geeignetheitsprüfung hinaus, also im Wesentlichen: außer Spesen nichts gewesen.

Wichtig ist die Erweiterung des Anwendungsbereichs auch auf Drittstaaten wie Großbritannien nach dem Brexit. Mifid II gilt auch, wenn Anlageberatung oder Vermögensverwaltung europäischen Anlegern aus Drittstaaten wie den USA, der Schweiz oder Australien angeboten wird. Ähnlich wie die Datenschutzgrundverordnung beansprucht damit europäisches Verbraucherrecht weltweite Gültigkeit. Eine spannende Aufgabe für Gerichte, die in Zukunft EU-Verbraucherschutzrecht auch gegenüber Anbietern anwenden können, die außerhalb der EU ansässig sind.

Abgeschlossen sind die Arbeiten am Projekt Mifid II indes auch nach zwei Jahren nicht. Eine der größten Herausforderungen bleibt die ex-post-Kosten-transparenz. Wegen mangelnder Datenschnittstellen von Produktanbietern, die außerhalb der EU sitzen oder aus anderen Gründen nicht Mifid II unterworfen sind, fällt es vielen Instituten schwer, die Kosten der Produkte in Euro und Cent auszudrücken. Die Arbeit an Datenlieferungen und Schnittstellen dürfte uns also noch für Jahre begleiten.

Spannend wird auch die Integration des Projekts „Sustainable Finance“ in die Mifid-Regularien. In Zukunft sollen Anbieter den Kunden fragen, welche Anlageziele er hinsichtlich Ökologie, sozialer Gerechtigkeit und guter Unternehmensführung verfolgt. Die Institute müssen ex-ante offenlegen, welche Strategien sie in diesem Bereich verfolgen. Äußert der Kunde in den Anlagezielen entsprechende Vorlieben, müssen Anbieter diese Wünsche in der Anlageberatung und in der Vermögensverwaltung berücksichtigen. Im Rahmen der Geeignetheitsprüfung müssen den nachhaltigen Anlagezielen entsprechende Produkte ausgewählt und den Kunden ex-post belegt werden, wie ihre Nachhaltigkeitsziele umgesetzt wurden.

Aus den bisherigen Erfahrungen mit der Mifid-II-Umsetzung lässt sich erahnen, was mit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele auf die Finanzbranche zukommt: Produkte müssen klassifiziert und Maßstäbe für die Einstufung – die sogenannte Taxonomie - entwickelt werden, Schnittstellen sind zu definieren und diese sind auf ökologische, soziale und Good-Governance-Kriterien auszuweiten, Mitarbeiter sind zu schulen und Anlagestrategien zu entwerfen – eine echte Herkulesaufgabe für die Branche in den kommenden zwei Jahren.


Über den Autor:

Dr. Christian Waigel ist Gründer der Kanzlei Waigel Rechtsanwälte. Seit 20 Jahren ist er im Bankaufsichtsrecht tätig und hat sich auf Fragen des Wertpapiervertriebs spezialisiert.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen