Natixis-Chefstratege David Lafferty
Die Grenzen der Geldpolitik
Aktualisiert am 17.03.2020 - 15:48 Uhr
David Lafferty, Chefstratege bei Natixis Investment Managers Foto: Natixis IM
In der zweiten Jahreshälfte 2019 wird immer klarer, dass sich die Weltwirtschaft verlangsamt. Und obwohl es eigentlich noch zu früh ist, um zu sehen, ob aus dieser schleichenden Verlangsamung eine veritable Rezession wird, scheint es für die Notenbanker klar zu sein: Nach dem Zinsschritt ist vor dem Zinsschritt. Das ist nicht ohne Risiko.
Die Schäden werden sogar noch zunehmen, wenn die Zinsen weiter sinken und die Zentralbankbilanzen noch stärker aufgebläht werden. Doch dieses Mal sollten wir das Kosten-/Nutzen-Verhältnis sorgfältiger abwägen, zumal eine akute Notsituation nicht zu erkennen ist.
Wirkung nimmt ab
Lassen Sie uns zuerst die Wirkung auf die Vermögenspreise betrachten. In den USA fand die erste Runde des „Quantitative Easing“ der Fed im Jahr 2008 statt, und der S&P 500 notierte bei einem KGV von etwas unter 12. Heute entsprechen die Kurse dem 18fachen der Gewinnschätzungen. Als die EZB in den Jahren 2011/12 ihre Bilanz erweiterte, handelte der Stoxx Europe 600 mit einem KGV von...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die Schäden werden sogar noch zunehmen, wenn die Zinsen weiter sinken und die Zentralbankbilanzen noch stärker aufgebläht werden. Doch dieses Mal sollten wir das Kosten-/Nutzen-Verhältnis sorgfältiger abwägen, zumal eine akute Notsituation nicht zu erkennen ist.
Wirkung nimmt ab
Lassen Sie uns zuerst die Wirkung auf die Vermögenspreise betrachten. In den USA fand die erste Runde des „Quantitative Easing“ der Fed im Jahr 2008 statt, und der S&P 500 notierte bei einem KGV von etwas unter 12. Heute entsprechen die Kurse dem 18fachen der Gewinnschätzungen. Als die EZB in den Jahren 2011/12 ihre Bilanz erweiterte, handelte der Stoxx Europe 600 mit einem KGV von etwa 10. Heute liegt dessen Bewertung um 50 Prozent höher, nahe dem 15fachen der Gewinnschätzungen. Können weitere Assetkäufe und noch niedrigere Leitzinsen Risikoaktiva noch weiter unterstützen? Schon möglich; aber dass die Kursgewinne noch einmal so hoch ausfallen wie früher, ist höchst unwahrscheinlich.
Zweitens, ein Blick auf die Kreditvergabe. Werden niedrigere Zinssätze Verbraucher und Unternehmen ermutigen, mehr Schulden zu machen und mehr auszugeben oder zu investieren? Auch das ist durchaus möglich, aber sicher nicht mehr in dem Umfang wie in den vorangegangenen Perioden des „Quantitative Easing“. In den USA ist es noch ein weiter Weg, bis die Zinsen die Tiefststände von 2015/16 erreichen. In Europa jedoch testen die Renditen bereits neue Tiefststände. Doch beim aktuellen Stand der Verschuldung refinanzieren die Unternehmen eher bestehende Kredite, als dass sie mit neuen Krediten zusätzliche Hebelwirkung entfalten. Der Kreditimpuls wird also durchaus positiv sein, aber mit ziemlicher Sicherheit schwächer.
Psychologisch kann die Politik nach hinten losgehen
Schließlich kann der psychologische Effekt von Negativzinsen und zusätzlichem QE nach hinten losgehen. In einer echten Krise schafft eine außerordentliche Politik das Vertrauen, dass die Entscheidungsträger "alles tun werden, was nötig ist", um die berühmte Aussage von EZB-Präsident Mario Draghi zu zitieren. Heute jedoch scheint die Weltwirtschaft durchaus noch auf Kurs zu sein. Das Wachstum ist zwar langsam, aber immer noch positiv, und weder Herr Powell bei der Fed noch Herr Draghi bei der EZB sehen eine Rezession am Horizont. In diesem Umfeld könnten Zinssenkungen und Assetkäufe als Akt der Verzweiflung wirken und das Vertrauen untergraben, anstatt es zu stützen.
Die Zentralbanker sollten also vorsichtig vorgehen. Umfangreiche Ankäufe von Vermögenswerten und negative Zinssätze verursachen erhebliche Kosten, die mit der Zeit wachsen. Im Gegensatz dazu dürften die Vorteile zusätzlicher monetärer Impulse in Zukunft nachlassen. Die Anleger sollten ihre Erwartungen überprüfen.
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