Natixis-Chefstratege David Lafferty
Sieben offensichtliche und weniger offensichtliche Risiken
Aktualisiert am 01.08.2019 - 11:00 Uhr
David Lafferty, Chefstratege bei Natixis Investment Managers Foto: Natixis IM
Kein Zweifel: Die Rally, die sämtliche Risikoaktiva hingelegt haben, ist beeindruckend. Seit dem Tiefpunkt des S&P 500 an Heiligabend 2018 liegen US-Aktien um 18,8 Prozent höher, globale gemessen am MSCI World Index um 16,5 Prozent (Stand Ende Februar). Selbst Schwellenländeraktien stiegen um 11,8 Prozent. Bei Anleihen haben sich die Spreads im High-Yield-Segment um über 140 Basispunkte erhöht, während US-Investment-Grade-Anleihen um 27 Basispunkte gestiegen sind. Dennoch: Wir bleiben skeptisch und verweisen auf die sieben Risiken, die wir am Horizont sehen.
Solche Zahlen verleiten dazu, alte Börsenweisheiten zu zitieren – „Go with the flow“, „Ride the wave“, „Don’t fight the tape“ etc. Vielleicht haben sich die Wahrscheinlichkeiten für ihren Eintritt seit Weihnachten verändert – verflüchtigt haben sie sich trotzdem nicht.
Wachstum
Das Risiko Nr 1 bleibt die Verlangsamung des Wachstums oder gar eine Rezession. Auch in einer Situation, in der wir die Assets weder besonders teuer noch besonders billig finden, kommt es darauf an, ob wir diese relativ durchschnittliche Bewertung für richtig halten. Die zugrunde liegenden Makrotrends und Ertragsentwicklungen sind entscheidend, um über zukünftige Renditen nachzudenken....
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Solche Zahlen verleiten dazu, alte Börsenweisheiten zu zitieren – „Go with the flow“, „Ride the wave“, „Don’t fight the tape“ etc. Vielleicht haben sich die Wahrscheinlichkeiten für ihren Eintritt seit Weihnachten verändert – verflüchtigt haben sie sich trotzdem nicht.
Wachstum
Das Risiko Nr 1 bleibt die Verlangsamung des Wachstums oder gar eine Rezession. Auch in einer Situation, in der wir die Assets weder besonders teuer noch besonders billig finden, kommt es darauf an, ob wir diese relativ durchschnittliche Bewertung für richtig halten. Die zugrunde liegenden Makrotrends und Ertragsentwicklungen sind entscheidend, um über zukünftige Renditen nachzudenken. Die Weltwirtschaft verlangsamt sich – deutlich und unbestritten. Die Frage ist, ob dies nur eine zyklische Rückkehr zu einem langsameren, aber weiterhin positiven Wachstum ist. Denn wenn die Verlangsamung in eine Rezession übergeht, sind die Märkte nicht auf diesen Schock vorbereitet, da weder die Stimmung der Anleger noch die Vermögenspreise dieses Risiko angemessen widerspiegeln.
Aus diesem Grund ist wohl das Rezessionsrisiko das einzige das wirklich zählt; allen anderen später aufgeführten Risikoszenarien würden die zukünftige Renditen wahrscheinlich standhalten können. Umgekehrt wird das Nichteintreten der anderen Risiken die Märkte auch nicht retten, wenn die Wirtschaft in die Rezession rutscht. Dass es im Jahr 2019 dazu kommt, sehen wir aber auf Basis der jetzt verfügbaren Daten nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent. Wenn wir die globale Betrachtung nach Regionen abschichten: In den USA sehen wir die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in 2019 bei 20 Prozent, in Europa jedoch schon bei 35 Prozent. In China liegt zwar die Wahrscheinlichkeit einer Rezession bei Null, doch das ist nicht der richtige Maßstab. Dort geht es darum, ob das reale Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um weniger als 6 Prozent wächst; dieses Risiko schätzen wir auf 30 Prozent.
Handelskrieg
Das Risiko, über das mindestens genauso viel gesprochen wird, sind die Handelsspannungen zwischen den USA und China. Wir sind in dieser Beziehung allerdings weniger besorgt, vor allem, weil wir denken, dass der Markt es (zumindest teilweise) eingepreist hat. Außerdem haben die Unternehmen bereits damit begonnen, ihre Produktion anzupassen, Bestände aufzubauen und neue Lieferketten zu entwickeln.
Zugegeben: es kann Überraschungen geben – und zwar in beide Richtungen. Das Abwärtsrisiko – schmerzhafte Zollerhöhungen und Vergeltungsmaßnahmen auf beiden Seiten – taxieren wir auf 25 Prozent. Das upside-„Risiko" besteht darin, dass Trump und Xi auf magische Weise ein umfassendes Abkommen aushandeln, das beide Parteien sofort zufrieden stellt, und beide sich daran halten. Das ist aus unserer Sicht auch ziemlich unwahrscheinlich – 20 Prozent. Immerhin widersprechen sich Trumps "Make America Great Again" (MAGA)-Agenda und Xis "Made in China 2025" diametral. Einen vollständigen Abbruch der Gespräche halten wir jedoch auch für unwahrscheinlich, da nervöse Märkte und die sich abschwächenden Volkswirtschaften beide Parteien weiterhin am Verhandlungstisch halten werden.
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