Natixis-Strategin Esty Dwek
Wirrwarr um Großbritannien
Esty Dwek ist bei Natixis unter anderem für weltweite Marktstrategien zuständig. Foto: Natixis Investment Managers
Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union verunsichert Investoren. Natixis-Strategin Esty Dwek gibt ein Update zu laufenden Verhandlungen und sagt, wo Gefahren lauern.
Es spricht in der Tat einiges dafür, dass Großbritannien wirtschaftlich mehr zu verlieren hat als Europa, wenn es nicht zu einer wie auch immer gearteten Regelung der künftigen Beziehungen kommt. So entfällt auf die EU ein weitaus größerer Anteil der britischen Exporte als umgekehrt. Im Jahr 2019 machten die britischen Ausfuhren in die EU 43 Prozent aller Exporte aus, während die umgekehrte Exportquote weniger als 15 Prozent betrug. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Importen.
Im vergangenen Jahr beliefen sich die Einfuhren aus der EU nach Großbritannien auf 51 Prozent. Die Länder der EU hingegen importierten im gleichen Zeitraum prozentual weit weniger Waren- und Dienstleistungen...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Es spricht in der Tat einiges dafür, dass Großbritannien wirtschaftlich mehr zu verlieren hat als Europa, wenn es nicht zu einer wie auch immer gearteten Regelung der künftigen Beziehungen kommt. So entfällt auf die EU ein weitaus größerer Anteil der britischen Exporte als umgekehrt. Im Jahr 2019 machten die britischen Ausfuhren in die EU 43 Prozent aller Exporte aus, während die umgekehrte Exportquote weniger als 15 Prozent betrug. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Importen.
Im vergangenen Jahr beliefen sich die Einfuhren aus der EU nach Großbritannien auf 51 Prozent. Die Länder der EU hingegen importierten im gleichen Zeitraum prozentual weit weniger Waren- und Dienstleistungen aus UK. Sollte es zu keiner Übereinkunft zwischen der EU und Großbritannien kommen, würde das Land im internationalen Handel auf die Basis-Regelungen der WTO zurückgeworfen werden. Das wäre kaum förderlich.
Und auch mit Blick auf einen weiteren Handelspartner bleibt die Lage für Großbritannien unübersichtlich. Denn, je nachdem, wer die US-Präsidentschaftswahlen im nächsten Monat gewinnt, könnten sich die Handelsgespräche zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA ebenfalls als kompliziert erweisen.
Das schwierige Verhältnis von EU und dem Vereinigten Königreich ist weiterhin mit großen Unsicherheiten behaftet. Dies gilt auch mit Blick auf einen Megatrend, der derzeit vor allem von der EU angetrieben wird. Es geht um den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft, ein Projekt, das in seiner Tragweite für den materiellen und immateriellen Wohlstand weltweit nicht unterschätzt werden darf. Mit ihrem Green Deal hat die EU-Kommission das Thema ganz oben auf die politische Prioritätenliste gesetzt. Und sie ist bereit, den Umbau mit immensen finanziellen Mitteln zu unterstützen.
Auch in Zukunft werden die entsprechenden Fördermittel für Forschung, Innovation und nachhaltiges Wirtschaften beträchtlich sein. Fraglich ist, in welchem Umfang die britische Wirtschaft davon wird profitieren können oder ob ihre Wettbewerbsfähigkeit in diesen Zukunftsbereich einen zusätzlichen Dämpfer erhält.
Ähnliches könnte für den so wichtigen britischen Finanzsektor gelten. Klar ist, dass der nachhaltige Umbau der Wirtschaft ohne die Allokation von privatem Kapital nicht zu stemmen ist. Die Regeln, wie und unter welchen Bedingungen die Finanzströme künftig transparent und nach einheitlichen Standards gelenkt werden können, werden auf europäischer Ebene derzeit in Brüssel gemacht.
Für das weitere Wachstum der Finanzwirtschaft hat das auf EU-Ebene entstehende Regulierungswerk große Bedeutung. Mit ihm werden zentrale Weichenstellungen vorgenommen. Es bleibt abzuwarten, wie die Großbritannien hier künftig seinen Einfluss geltend machen kann.
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