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Teure Agrarrohstoffe: Spekulanten verursachen 15 Prozent der Preissteigerungen

Demonstration gegen steigende Lebensmittelpreise in Malis <br> Hauptstadt Bamako im April 2008. Quelle: AFP
Demonstration gegen steigende Lebensmittelpreise in Malis
Hauptstadt Bamako im April 2008. Quelle: AFP
Der Preisindex der Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) liegt aktuell bei 236 Punkten – das ist höher als während der Hungerkrise 2008 und der Höchstwert seit Einführung des Index im Jahr 1990. Zu den größten Preistreibern zählen dabei die wachsende Nachfrage nach Fleisch und Biosprit, die steigenden Erdölpreise – und die Kapitalanlagen auf den Rohstoffmärkten.

So können Finanzkonstrukte wie ETCs, Rohstoff-Zertifikate und Agrar-Futures für arme Länder schon bald zum Verhängnis werden. Denn die Finanzspekulation auf den Rohstoffmärkten beschleunigt den Anstieg von Lebensmittel-Preisen und vergrößert damit den Hunger in der Welt. Eine bislang nicht veröffentlichte Studie der Hochschule Bremen, die im Auftrag der Deutschen Welthungerhilfe durchgeführt wurde, liefert nun konkrete Zahlen.

Spekulanten sind für bis zu 240 Millionen hungernde Menschen zusätzlich verantwortlich

Das Engagement der Kapitalanleger auf den Getreidemärkten führte in den Jahren 2007 bis 2009 zu einer durchschnittlichen jährlichen Preiserhöhung von bis zu 15 Prozent gegenüber einem Referenzwert, so das Studienergebnis. Zieht man eine Analyse des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit aus dem Jahr 2008 hinzu, der zufolge ein Nahrungsmittelpreis-Anstieg um 1 Prozent weitere 16 Millionen Menschen in Hungergefahr bringt, dann wären die Spekulanten für den drohenden Hungertod von bis zu 240 Millionen Menschen zusätzlich verantwortlich.

Wie sich die globale Preisentwicklung auf die Lebensmittelmärkte einzelner Länder auswirkt, zeigen die Forscher am Beispiel von Mali – einem Land in Westafrika, das zu den ärmsten der Welt zählt. Im Jahr 2008 kam es dort trotz weit überdurchschnittlicher Ernteerträge im Vorjahr zu Preissteigerungen von mehr als 25 Prozent.

Auch gute Ernten und geringe Importraten schützen nicht von Preissteigerung

Die allgemeine Geldentwertung konnte dabei nur einen kleinen Teil des Preisanstiegs erklären, da die Inflationsrate 2008 nur 2,5 Prozent betrug. Die Importrate bei Grundnahrungsmittel war mit unter 10 Prozent ebenfalls gering. Trotzdem machen die Forscher die Weltmarktpreisentwicklung für den Preissprung in Mali verantwortlich. „Hier ist insbesondere daran zu denken, dass wie in einem System kommunizierender Röhren die Preissteigerungen in einem integrierten Markt insbesondere bei so homogenen Produkten wie Getreide auf alle Teilmärkte übertragen werden“, schreiben sie. Ähnliches beobachteten die Forscher auch in anderen Entwicklungsländern wie Haiti, Kenia und Nepal.

Die Preisschocks führten dazu, dass die Haushalte einen höheren Anteil ihres Einkommens für Essen ausgeben mussten. Besonders hart traf das die arme Bevölkerung, deren Anteil in den untersuchten Ländern zwischen 66 (Haiti) und 31 (Nepal) Prozent liegt. Um nicht verhungern zu müssen, mussten sie in anderen Bereichen sparen. Meistens verzichteten sie dabei auf die Gesundheitsversorgung und den Schulbesuch der Kinder.

Anders sieht das indes der Star-Investor Jim Rogers, der Anlegern kontinuierlich zum Kauf von Agrarrohstoffen rät. „Gehen Sie doch morgen mal auf den Acker“, empfahl er dem DAS INVESTMENT-Redakteur Andreas Scholz, der ihn auf ethische Fragwürdigkeit von Agrar-Investments ansprach. Nach Rogers Ansicht nützten hohe Agrarpreise nämlich nicht nur den Finanzinvestoren, sondern kämen auch den Landwirten aus den Entwicklungsländern zugute.


Hintergrundinfo zum Terminmarkt für Agrarrohstoffe: Ende 2010 waren US-amerikanische Finanzunternehmen nach Angaben der Aufsichtsbehörde zu Anlagezwecken mit etwa 14 Milliarden Dollar auf dem Terminmarkt für Mais, etwa 17 Milliarden Dollar auf dem Terminmarkt für Soja und etwa 10 Milliarden Dollar auf dem Terminmarkt für Weizen engagiert. Dies macht 5 bis 10 Prozent der Weltjahresproduktion dieser Nahrungsmittel aus. In Deutschland befinden sich nach Schätzungen der Studienautoren durch ETCs, ETFs und Zertifikate zusammen 1,5 Milliarden Dollar auf den drei genannten Nahrungsmittelmärkten. Allerdings können durch Hebelwirkungen weit umfangreichere Termingeschäftskontrakte abgeschlossen werden.

Wichtigste Akteure auf diesem Feld sind in Deutschland die Commerzbank, die DZ Bank, Black Rock und ETF Securities.

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