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Berufsunfähigkeit Warum die Krankenakte zur Haftungsfalle für Makler werden kann

Bert Heidekamp. Foto: Fairtest
Bert Heidekamp. Foto: Fairtest
Am 29. August erschien ein Artikel bei DAS INVESTMENT.com zum Thema „BU: „Ärzte gehen zu sorglos mit Diagnosen um“. Dazu gibt es einige überlegenswerte und wichtige Anmerkungen.

1. Fordern Sie weiterhin den Versicherungsverlauf der Krankenkasse vor Antragsaufnahme an

Matthias Wörmann, Direktor beim Finanzdienstleister Consilium empfiehlt im obigen Artikel, dass der Versicherungsnehmer seine Krankenakte beim Arzt einsehen sollte, aber davon abrät einen Auszug/Versicherungsverlauf der Krankenkasse einzuholen. Grund: Rechnen Ärzte mit differenzierten Diagnosen ab und der Versicherungsnehmer erhält über den Versicherungsverlauf Kenntnis darüber, muss er dies im Antrag angeben.

So sei es ihm passiert, dass selbst ein „gesunder Mensch“ aufgrund einer registrierten Vorerkrankung im Versicherungsverlauf der Krankenkasse ein gestellter BU-Antrag abgelehnt wurde. Aus diesem Grund empfiehlt Herr Wörmann, keinen Versicherungsverlauf einzuholen. So ist zumindest die Aussage interpretierbar.

Ist das ein Rat, den man wirklich ernst nehmen und dem man folgen sollte?

Dreht man einfach mal die Aussage um und fragt sich: Was passiert, wenn im Leistungsfall der Versicherer nun erfährt, dass eine schwerwiegende Vorerkrankung im Versicherungsverlauf enthalten ist? Wenn laut Herr Wörmann der Versicherer bereits bei Antragstellung einen BU-Antrag ablehnte, so würde dieser auch im Leistungsfall entweder für den Vertrag den Rücktritt erklären oder diesen sogar anfechten. Der Kunde hätte im schlimmsten Fall bei Arglist keinen Versicherungsschutz, hätte für die Jahre umsonst gezahlt und die finanzielle Existenz könnte auf wackligen Beinen stehen.

Es ist zu erwähnen, dass dies in den ersten fünf oder zehn Jahren nach Vertragsabschluss gilt, je nach Schwere einer möglichen vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung. Man kann sich daraus folgende Frage stellen: Nimmt hier der Vermittler bei dieser offiziellen oben genannten Aussage und Rat nicht billigend in Kauf, seinen Kunden ins offene Messer laufen zu lassen? In dem genannten Beispiel von Herrn Wörmann würde ja die Chance bestehen, diese Fehldiagnosen oder Abrechnungen mit dem Arzt vor Antragsaufnahme gerade zu stellen. Wenn der Kunde wie beschrieben „gesund“ ist, sollte dies problemlos möglich sein.

2. Spätere Richtigstellungen sind schwer oder kaum möglich

Ob ein Arzt in drei, fünf oder acht Jahren sich noch erinnern kann, dass eine Fehldiagnose oder fehlerhafte Abrechnung stattfand, wenn er in seine Akte schaut? Oder wurde aus anderen, vielleicht finanziellen Gründen abgerechnet? In solch einem Fall wird es eher schwer werden, den Arzt davon zu überzeugen alles richtig zu stellen, da ein Arzt auch unter Umständen seine Zulassung riskieren könnte. Was ist, wenn der Arzt zwischenzeitlich seine Praxis aufgegeben hat?

Diesen Fall erlebten wir 2012: Im Versicherungsverlauf stand eine Behandlung wegen Suchtbehandlung (Alkohol) – eine Fehlabrechnung und der Arzt praktizierte nicht mehr. Die Kundin war außer sich und hatte einen Hürdenlauf, alles richtig stellen zu lassen. Dies dauerte knapp sechs Monate! In einem Versicherungsfall hätte die Kundin kaum eine Chance, wahrscheinlich auch nicht die Kraft dafür, Unregelmäßigkeiten richtig zu stellen.

Dazu noch ein anderes Beispiel: Im Oktober 2010 hatte ein Versicherungsnehmer einen Bandscheibenvorfall. 2011 beantragte er Leistungen bei seinem Versicherer. Nach Prüfung der Unterlagen durch den Versicherer stellten sich mehrere Ungereimtheiten heraus, unter anderem,  das im Versicherungsverlauf eine „Knochen-Prothese/fremder Körperteil“ enthalten war – die der Versicherungsnehmer aber selbst nie hatte beziehungsweise hat.

Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass im Diagnoseschlüssel statt eines „I“ ein „T“ enthalten war.  Der Versicherungsnehmer hatte für die Richtigstellung knapp ein Jahr benötigt, inklusive Gutachten und so weiter. Zudem war der Versicherer in diesem Fall sehr vorsichtig geworden. Der gesamte Prozess inklusive Einbeziehung des Versicherungsombudsmanns dauerte knapp vier Jahre bis der Versicherer die BU-Leistungen zahlte. Seit 2014 ist der Versicherungsnehmer unser Mandant.

3. Ein aktueller Fall aus dem August 2014

Hier ein Ausschnitt aus dem Versicherungsverlauf: Der BU-Versicherer fragte mit Antragstellung und Erhalt des auszugsweisen Versicherungsverlaufes nun beim Versicherungsnehmer an, was es mit der näher bezeichneten „Persönlichkeits- und Verhaltensstörung“ zu bedeuten hat und sandte dem Versicherungsnehmer eine zusätzliche Erklärung – „Nerven- und Gemütserkrankungen“ – zu.

Dem Versicherungsnehmer ist dieser Eintrag in der Verlaufsliste nach Erhalt nicht aufgefallen, dem Versicherer schon. Was ist passiert: Der Versicherungsnehmer hatte eine Gangunsicherheit. Auf Wunsch des Orthopäden, der eine MS-Krankheit ausschließen wollte, wurde auch ein MRT vom Kopf gemacht, welches durch einen Neurologen ausgewertet wurde. Es konnte nichts Neurologisches festgestellt werden. Bei der weiteren Untersuchung konnte man die Ursache der Gangunsicherheit feststellen, es war ein Kreuzbandriss im Knie.

Für den Versicherungsnehmer war der Eintrag einer „Sonstige näher bezeichnete Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen“ unbekannt und ist jetzt dabei, dies mit den Ärzten und der Krankenkasse richtig zu stellen. Hätte die Versicherungsnehmerin nicht den Versicherungsverlauf beantragt und dem Versicherer auszugsweise vorgelegt, so würde im Versicherungsfall der Versicherer diese Diagnose als eine erhebliche Gefahrerhöhung werten, höchstwahrscheinlich Arglist unterstellen und den Vertrag anfechten.

Die Möglichkeit einer grobfahrlässigen Anzeigepflichtverletzung und eventuell vielleicht fehlende Kausalität würde wohl keine Rolle spielen, da der Versicherer bei „psychischen Erkrankungen“ einen Antrag womöglich abgelehnt hätte.  Aufgrund des vorliegenden Versicherungsverlaufs hat nun der Versicherungsnehmer die Chance, alles richtig zu stellen.