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Aktualisiert am 09.03.2023 - 14:43 Uhrin WirtschaftLesedauer: 10 Minuten

10 Unternehmen im Check Welche Tech-Aktien jetzt lohnenswert sind - und welche nicht

E-Commerce und Online-Händler erholen sich 2023 nach dem Absturz im vergangenen Jahr möglicherweise wieder etwas schneller, glaubt Digitalisierung-Experte Baki Irmak.
E-Commerce und Online-Händler erholen sich 2023 nach dem Absturz im vergangenen Jahr möglicherweise wieder etwas schneller, glaubt Digitalisierung-Experte Baki Irmak. | Foto: IMAGO Images / Addictive Stock

Es war das Ende einer jahrelangen Party: Als die Notenbanken im vergangenen Jahr beherzt an der Zinsschraube drehten, um die Inflation zu bekämpften, rauschten die Aktienkurse in den Keller. Allen voran die von Growth-Werten, also jenen Unternehmen, die ihre Gewinne nicht im Hier und Jetzt, sondern erst in der Zukunft machen.

Doch nicht nur die jungen Wilden der Technologie-Welt wurden vom Markt abgestraft. Auch die Erfolgs-Rallye von Big Tech stoppte jäh. Die wertvollsten Technologiekonzerne der Welt haben allesamt den marktbreiten S&P 500 underperformt. Netflix und Amazon, zuvor Pandemie-Gewinner, erlitten beinahe Kurshalbierungen, Tesla, Meta und PayPal verloren noch deutlich stärker.

„Wir sind dennoch optimistisch für die Zukunft. Denn die fundamentalen Trends, die wir in den letzten Jahren beobachtet haben, sind nach wie vor intakt", erklärt Fonds-Manager Baki Irmak im Gespräch mit DAS INVESTMENT (hier gibt es das Interview in voller Länge). Mit seinem The Digital Leaders Fund setzt er auf Unternehmen, welche die Digitalisierung der Welt vorantreiben.

Für uns hat Irmak 10 Technologie-Werte genauer untersucht und verrät, welche er derzeit (Stand: 10. Januar 2023) attraktiv bewertet findet und von welchen er trotz deutlicher Kursrückgänge abrät.

Aktie 1: Netflix (und warum Disney die bessere Wahl ist)

Netflix war einer der großen Profiteure der Corona-Pandemie. Den Höhepunkt erreichte der Aktienkurs zu Zeiten des zweiten Lockdowns. Dann folgte der Absturz, der Kurs viertelte sich, in diesem Sommer setzte eine kleine Rallye ein. Ist die Erfolgsgeschichte von Netflix für Sie noch intakt?

Das klassische Geschäft von Netflix ist mittlerweile in einer Sättigungsphase angekommen. Für den Dienst wird es zunehmend unmöglich, nur noch über Subscriptions, also kostenpflichtige Abonnements, zu wachsen. Denn in vielen Ländern ist der Preis des Abonnements zu hoch.

Selbst im Kernmarkt USA waren die Abonnentenzahlen zuletzt rückläufig.

Netflix blieb deshalb gar nichts anderes übrig, als ins Werbegeschäft einzutreten, auch wenn CEO Reed Hastings immer das Gegenteil beteuerte. Denn nur mit dem Werbemodell kann der Dienst an die Wachstumszahlen anknüpfen, die Anleger aus der Vergangenheit gewohnt sind.

Viele Analysten stellten das Geschäftsmodell deshalb grundsätzlich in Frage.

Für mich persönlich war das ein logischer und absolut notwendiger Schritt. Warum sollte Netflix das Werbegeld auch liegen lassen, insbesondere in Ländern, in denen man mit klassischen Abonnements gegenüber der günstigeren Konkurrenz nicht mithalten kann?

Zumal die Produktionskosten für eigene Serien immens hoch sind. Andere Anbieter haben weitere Erlösquellen: Apple hat das iPhone, Disney starke Marken und Themenparks, Amazon das Onlinegeschäft – damit lässt sich eine millionenteure „Herr der Ringe“-Serie leichter stemmen. Kann Netflix dagegen überhaupt bestehen?

Ich denke schon. Man muss sich nur die Kennzahlen anschauen: Die Bruttomarge von Netflix liegt bei etwa 40 Prozent, das ist sehr ordentlich. Die operative Marge liegt bei 15 Prozent. Das Unternehmen ist mittlerweile Cashflow-positiv. Als die Netflix-Aktie unter 200 Euro lag, fand ich sie attraktiv bewertet.

Mit knapp 295 Euro ist Netflix Ihnen nun zu teuer?

Ja. Die Bruttomarge werden sie nicht deutlich steigern können, außer Netflix wird unglaublich erfolgreich im Werbemarkt. Deshalb würde ich im direkten Vergleich Disney vorziehen. Deren Bruttomarge ist ähnlich hoch. Als Anleger bin ich aber wesentlich breiter diversifiziert. Netflix ist ein tolles Unternehmen - aber ich denke, Disney wird 2023 das Rennen machen.

Aktie 2: Meta - warum ich weiter investiert bin

Facebook – mittlerweile Meta - war lange ein Liebling der Börse. Die Bilanz des letzten Jahres war dagegen verheerend: Der Aktienkurs gab um 60 Prozent nach und liegt wieder auf dem Niveau von 2016. Das liegt nicht nur an stagnierenden Nutzerzahlen, sondern auch an Mark Zuckerbergs kostspieliger Wette auf das Metaverse. Ist der Abverkauf gerechtfertigt?

Der Schock bei Meta waren im vergangenen Jahr die massiven Kosten. Der Cashflow wurde mehr oder weniger eliminiert im letzten Quartal. Die Kennzahlen sind bei genauerem Hinsehen jedoch immer noch sehr gut: Die Bruttomarge bei Meta liegt bei 77 Prozent, die Ebit-Marge bei 22 Prozent. Das Potenzial für Gewinne ist bei Meta also wesentlich höher als bei Netflix oder Disney. Es wird spannend, wie sich diese Werte entwickeln. Der Konzern hat verstanden, dass er sich mehr in Richtung Profitabilität entwickeln muss. Das zeigt etwa der Stellenabbau. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei 13, was gut ist für ein so wirtschaftlich starkes Unternehmen.

Facebook – beziehungsweise Meta – hat jedoch einen sehr schlechten Ruf. Ist das kein Risiko?

Die schlechte Reputation ist ganz klar ein Problem. Verglichen mit Apples Marktmacht ist Facebook eigentlich nur eine Fußnote, dennoch ist die Regulatorik hinsichtlich Meta strenger. Hinzu kommt, dass Apple über seine Geräte den Zugang zum Internet beherrscht. Meta möchte sich von dieser Abhängigkeit lösen. Und deshalb entwickelt das Unternehmen eigene Geräte, von denen sie glauben, dass sie zukünftig die relevanten Zugänge ins Internet, ins Web3 oder die Metawelt sind. Das ist eine sehr mutige Wette, deren Ausgang völlig unklar ist. Die Asymmetrie zwischen Chancen und Risiken ist extrem schief verteilt. Auch das hat dazu geführt, dass der Meta-Aktienkurs kollabiert ist.

Gibt es einen Ausweg für das Unternehmen?

Meta könnte das Management ändern. Mark Zuckerberg ist einer der letzten großen Gründer eines Digitalgiganten, der sein Unternehmen noch eigenhändig managt. Fast alle anderen haben ihr Unternehmen in die professionellen Hände von Managern übergeben. Tim Cook, CEO von Apple, ist ein sehr gutes Beispiel, wie das gelingen kann. Satya Nadella von Microsoft ebenfalls. Wenn Meta die eigene Wahrnehmung verbessert, könnte das auch den Aktienkurs beflügeln. Dann wäre das Unternehmen auch wieder in der Position, anzugreifen. Stattdessen verfolgt Mark Zuckerberg derzeit eine andere, deutlich riskantere Strategie. Aber womöglich erlebt man 2023 einen Kurswechsel bei Meta.

Das Metaverse liegt weit in der Zukunft. Wie ist Ihre kurzfristige Einschätzung?

Ich bin aus anderen Gründen bei Meta investiert: Das Thema Reels, also Short Videos, wurde 2022 kaum monetarisiert, obwohl das Engagement sehr hoch ist. Erst jetzt passen Kunden ihre Werbeformate allmählich auf dieses Format an. Hinzu kommt: Über Tiktok hängt ein Damoklesschwert. Die ersten Bundesstaaten in den USA haben Tiktok für eigene Mitarbeiter verboten, ebenso einige Universitäten. Sollte daraus eine landesweite Sperre für App Stores von Apple und Google folgen, wäre Meta der große Profiteur.

Aktie 3: Snap - das unterschätzte Netzwerk

Sie bezeichnen Snap als günstige Plattform-Aktie. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Ich bin davon überzeugt: Der Werbemarkt geht immer dahin, wo die Nutzer sind. Und von allen Werbe- und Social-Media-Plattformen ist Snap die Plattform, die derzeit am stärksten wächst. Im vergangenen Quartal sogar stärker als Tiktok! Dennoch wird Snap häufig unterschätzt, was sich im Aktienkurs niederschlägt. Selbst wenn Snap die Umsätze 2023 nicht mehr steigern sollte, wir das Unternehmen aufgrund der Kostenersparnisse  einen positiven Cashflow erwirtschaften.

Was sind Herausforderungen für Snap?

Snap hat wie Meta ein riesiges Problem mit Apples Privatsphäre-Einstellungen. Die App Tracking Transparency, die Nutzern mehr Kontrolle darüber gibt, welche Apps ihre Daten wie nutzen, hat das Geschäft von Meta und Snap massiv belastet. Snap versucht immer noch, eine vernünftige Antwort darauf zu finden, denn bislang sind die Werbekunden auf iPhones im Blindflug. Für Snap ist das ein Problem, weil die App nur über mobile Geräte benutzt wird - und in den USA dominiert Apple die Hälfte des Marktes.

Dennoch sind Sie überzeugt von Snap?

Snap ist einer der Werte aus der zweiten oder dritten Reihe, die jetzt auf Schnäppchenpreis-Level bewertet sind. Denn trotz aller Probleme wird das Unternehmen dieses Jahr Cashflow-positiv sein. Das liegt auch am Abonnement-Geschäft, das sehr gut angelaufen ist. Die Bank of America prognostizierte bereits, dass Snap 10 bis 15 Prozent der Umsätze allein mit Abonnements machen könnte. Das würde noch einmal einen völlig anderen Multiplikator rechtfertigen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass bei Twitter im Zuge der Elon-Musk-Umstellung viele Werbekunden abgewandert sind und der eine oder andere nun bei Snap landet. Als Tiktok in Indien verbannt wurde, war der größte Profiteur schließlich auch nicht Facebook, sondern Snap.

Aktie 4: Block - und warum Paypal interessanter ist 

Block ist ein Finanzdienstleistungs-Unternehmen aus den USA mit verschiedenen Hardware- und Software-Diensten. In Zeiten von Inflation und höheren Ausgaben sitzt bei vielen das Geld jedoch nicht mehr so locker. Das ist ein Problem für Zahlungsdienstleister, oder?

Wir waren mit dem The Digital Leaders Fund früh in Block investiert, vor allem aufgrund des schnellen Wachstums der Cash-App. Dieses Wachstum ist nach wie vor intakt, auch die Profitabilität steigt. Mit dem Kauf von Afterpay auf dem Hoch der Bewertungen haben sie sich jedoch keinen Gefallen getan. Das Unternehmen belastet die Bilanz eher.

Der Kurs von Block hat sich seit dem Hoch beinahe geviertelt. Ist es für Sie nun ein Zukauf-Kandidat?

Die Bewertung ist im Moment insgesamt okay, aber bei Weitem kein Schnäppchen. Da ist Paypal meiner Einschätzung nach deutlich attraktiver bewertet mit Blick auf die Risiken, die man sich bei Block mit kauft. Denn wir befinden uns derzeit in einem Umfeld, das wesentlich stärker auf Profitabilität und Stabilität setzt. Paypal ist streng genommen eine globale Retail-Bank und längst nicht nur ein Zahlungsprovider. Aber es gibt einen Konkurrenten, der massiv in das Geschäft von Paypal hineinwächst: Apple. Meiner Auffassung nach ist das in den Paypal-Kursen jedoch schon eingepreist.

Aktie 5: Coinbase - deshalb hält man sich derzeit lieber fern

Wer den Tech-Crash schlimm fand, sollte sich die Charts von Kryptowährungen besser nicht ansehen. Coinbase galt gewissermaßen als Schaufelhersteller der Kryptowelt – und blutete dementsprechend aus. Mehr als 80 Prozent Rückgang in nur einem Jahr! Eine verheerende Entwicklung. Sollte man die Aktie meiden oder sehen Sie ein Comeback von Kryptowerten und damit Coinbase?

Ich habe nach der FTX-Pleite Coinbase noch einmal genauer unter die Lupe genommen. Dafür analysierte ich, wie sich die Downloadzahlen und das Engagement entwickeln. Die Downloadzahlen sind massiv gesunken, das Engagement jedoch war gestiegen. Allerdings in negativer Hinsicht: Denn die Kunden zogen ihr Geld ab. Dieser Trend hält immer noch an.

Insgesamt hat der Kryptomarkt massiv gelitten. Einige versuchen vermutlich zu retten, was zu retten ist.

Ich konnte deshalb nicht verstehen, warum Cathie Wood weiterhin in Coinbase investierte, als der Kurs zwischen 50 und 60 US-Dollar lag. Mittlerweile ist der Kurs deutlich unter 40 gesunken. Coinbase muss erst einmal die Kosten in den Griff bekommen. Denn die kommunizierten Sparmaßnahmen waren ein Witz. Das Unternehmen kämpft ums Überleben und muss deutlich radikaler die Kosten drücken. Das Geschäft muss zurückgefahren werden. Nur auf dieser Grundlage können sie wachsen, sofern sich Bitcoin und Co. wieder etwas stabilisieren. Bei Coinbase läuft man jedoch Gefahr, dass das Unternehmen selbst bei steigenden Kryptopreisen pleite gehen könnte, wenn sie ihre Kosten nicht in den Griff bekommen. Bei Coinbase sollte man derzeit auf keinen Fall einsteigen.

Aktie 6: Etsy - Resilient in der Krise

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Unter den Technologiewerten haben E-Commerce-Unternehmen im Jahr 2022 besonders stark gelitten. Wie schätzen Sie die Lage für die Online-Shopping-Anbieter ein?

Das hängt sehr von der wirtschaftlichen Entwicklung ab, also ob es eine schwere Rezession geben wird oder nicht. Wenn es in den USA nur eine leichte Rezession geben sollte, dürfte das Vertrauen der Verbraucher nicht allzu stark erschüttert werden. Dann werden die Ausgaben nicht stark zurückgefahren, was für E-Commerce-Unternehmen entscheidend ist.

Innerhalb eines Jahres gab die Etsy-Aktie etwa um rund 40 Prozent nach.

Die digitalen Spuren zeigen bei Etsy für das vierte Quartal sehr gute Zahlen. Das Ökosystem ist mit 100 Millionen aktiven Kunden und mehreren Millionen Verkäufern riesig. Der Netzwerkeffekt ist enorm. Deshalb gehe ich davon aus, dass 2023 für Etsy ein gutes Jahr sein dürfte. Denn selbst mit eine Minus von 43 Prozent ist Etsy ein Outperformer, wenn man sich anschaut, wie heftig der E-Commerce-Sektor im vergangenen Jahr getroffen wurde.

Sind die anderen, noch günstigeren Werte dann nicht vielversprechender?

Wenn es einen Rebound gibt, sind die größten Verlierer plötzlich die größten Gewinner. Alle, die zuvor ums nackte Überleben gekämpft haben, machen dann einen Riesensatz nach oben. Dieses Muster kann man immer wieder beobachten. Etsy würde dann im Falle eines starken Rebounds im Vergleich underperformen. Wenn wir aber in eine eher milde Rezession fallen, dann sind Werte wie Amazon, Zalando oder Etsy eine bessere Wahl als Wish oder Overstock. Wer langfristig investiert und nicht nur auf die kurzfristigen Chancen schielt, der ist mit Etsy sehr gut aufgestellt. Das Geschäftsmodell hat sich in der Krise als resilient erwiesen. Denn sie haben auch keine Lieferketten-Probleme, weil viele Verkäufer dort Manufakturen und keine Massenhersteller sind.

Aktie 7: Tesla - 2023 wird ein hartes Jahr"2023 wird ein hartes Jahr für Tesla"

Tesla ist eine der Lieblingsaktien deutscher Privatanleger. Aber auch einige Großinvestoren und Fonds schwören auf den E-Auto-Hersteller. Vor einem Jahr notierte eine Tesla-Aktie bei 343 Euro, nun hat sie sich beinahe gedrittelt. Siehst du die Aktie nun als fair bewertet oder nach wie vor als überteuert an?

Wenn man sich den Chart und die Kennzahlen anschaut, könnte man meinen, jetzt sei Tesla attraktiv bewertet. Zumal Tesla mittlerweile einen positiven Cashflow hat. Die Bruttomarge liegt jedoch gerade einmal bei 23 Prozent. Das ist hoch in der Automobilbranchen, nicht aber im Techsegment. Und das ist der entscheidende Punkt: Tesla müsste das Umsatzwachstum intakt halten bei dieser niedrigen Bruttomarge, um diese immer noch hohe Bewertung zu rechtfertigen.

Angeblich sind die Lager von Tesla voll. Der Nachfrageschock scheint auch an ihnen nicht vorbeizuziehen.

Tesla hat lange behauptet, kein Problem mit der Kundennachfrage, sondern mit dem Angebot zu haben. Ganz nach dem Motto: Wir können gar nicht so viel bauen, wie wir verkaufen könnten. Jetzt befindet sich das Inventar auf Rekordhöhe. Und nun, wo der Aktienkurs zurückgeht, werden die fundamentalen Probleme des Unternehmens erkennbar. Jetzt wird tiefer in die Bilanz geschaut. Und Teslas Weltherrschaftsanspruch wird zunehmend angezweifelt. 2023 wird ein hartes Jahr für Tesla.

Die 110 Euro sind Ihnen noch zu hoch?

Ja.

Konzern-Chef Elon Musk landet häufig in den Schlagzeilen, meist jedoch negativ. Mittlerweile scheint er sich mehr mit seinem jüngsten Zukauf Twitter als mit der Entwicklung von Tesla zu beschäftigen. Auch das verstimmt viele Anleger.

Dass Elon Musk diese völlig absurde Twitter-Übernahme ablenkt hilft der ganzen Sache nicht. Aber auch unabhängig davon hat Tesla ein Problem: Der große Markt ist China und dort gibt es viel Konkurrenz. Und das Land hat politisch großes Interesse, den westlichen Autobauern Paroli zu bieten. Es gibt viele sehr gute und innovative chinesische Hersteller von E-Autos. Teslas Nachfrageproblem wird sich noch verschärfen. Deshalb rate ich von Tesla weiterhin ab.

Aktie 8: Apple - die Profitmaschine

Apple ist ein Dauerläufer an der Börse. Doch selbst dieser Konzern konnte sich der Abwärtsbewegung nicht vollends entziehen. Der Kurs gab um rund 20 Prozent nach. Ist Apple weiterhin ein Basisinvestment oder sind die besten Zeiten für Anleger vorbei?

Apple ist ein absolutes Basis-Investment. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, es ist das am besten geführte Unternehmen weltweit. Es ist sensationell, was Tim Cook geleistet hat. Solch eine unglaubliche Vormachtstellung einzunehmen und gleichzeitig so smooth durch alle Krisen zu gleiten, sei es die Präsidentschaft von Trump, die Konflikte zwischen den USA und China oder Corona. In den USA beträgt der Marktanteil des iPhones mehr als 50 Prozent, auch im PC-Markt breitet sich Apple aus.

Der Konzern setzt zunehmend auf Abonnement-Dienste, etwa zum Streaming von Filmen und Musik, für Cloud-Speicher oder virtuelle Fitnesskurse. Diese digitalen Angebote sind sehr margenstark.

Obwohl Apple schon immer ein Premiumanbieter war, gehen die Brutto- und Ebit-Margen von Apple immer weiter nach oben. Das Unternehmen startet immer neue Services. Ein weiteres starkes Wachstumsfeld ist Werbung. Man hat mit der App Tracking Transparency ein Feature eingeführt, mit dem die Nutzer mehr Hoheit über ihre Daten bekommen und so Facebook, Snap und vielen anderen Playern das Geschäft kaputtgemacht. Nun bietet Apple selbst Werbung an. Damit könnte Apple Schätzungen zufolge dieses Jahr 15 bis 20 Milliarden US-Dollar an Einnahmen generieren. Mit Profitmargen von mehr als 70 Prozent, wohlgemerkt.

In dem Apple die Geräte kontrolliert, kontrollieren sie auch die Zugänge zum Internet – und so die Erlösströme.

Apple betreibt Wegelagerei wie kaum ein anderes Unternehmen. Das Unternehmen verdient mehr Geld mit Gaming als die fünf größten Videospiel-Unternehmen zusammen. Und dass nur durch den App Store. Dennoch ist der regulatorische Druck immer noch relativ gering. Das ist gleichzeitig die größte Gefahr für Apple. In Europa muss das Unternehmen bald alternative App Stores zulassen. Aber am Ende ist das ein Detail. Der Konzern ist sensationell gemanagt und hat eine vernünftige Bewertung. Apple bekommt man nicht zum Schnäppchenpreis. Man zahlt einen Premiumpreis für ein Premiumunternehmen. Doch mit der Wiederöffnung Chinas hat Apple auch das Potenzial für Wachstum vor sich.

Aktie 9: Amazon - nach der Krise der große Gewinner

Amazon ist einer der mächtigsten Techkonzerne der Welt. Dennoch rangiert der Kurs auf dem niedrigsten Stand seit 3 Jahren. Wurde das Unternehmen zu Unrecht so abgewertet?

Amazon ist der Gigant unter den E-Commerce-Anbietern. Vor allem aber gehört dem Unternehmen mit seiner Cloud-Sparte einer der wichtigsten Bausteine des Internets. Amazon teilt sich mit Google und Microsoft das Cloud-Business auf, alle drei genießen eine sensationelle Vormachtstellung. Chinesische Firmen haben außerhalb Chinas keine Chance und alle anderen, die in dieses Segment rein wollen - etwa Oracle -, deren Cloudgeschäft ist außerhalb von TikTok meines Erachtens überschaubar. Klar, SAP wächst in diesem Bereich um 15-20 Prozent pro Jahr, das ist nett. Aber viele Großkunden werden nicht wechseln. Der Lock-in-Faktor bei der Cloud ist extrem hoch. Große Unternehmen bleiben Amazon über viele Jahre treu.

Durch das rezessive Umfeld verschieben einige Unternehmen jedoch ihre Cloud-Investitionen.

Das bekommen Amazon und Microsoft und Alphabet direkt zu spüren. Doch wenn man als Anleger bereit ist, durch diese Phase zu gehen und das auch 1-2 Jahre durchzustehen, ist Amazon ein sehr gutes Investment. Vermutlich kann man mit dem Einstieg aber auch noch etwas warten, da die nächsten Quartalszahlen schwächer ausfallen dürften. In ein langfristiges Welt-Portfolio gehört Amazon aber definitiv rein.

Einige Zukunftswetten des Konzerns sind nicht aufgegangen. Das Team rund um den Sprachassistenten Alexa wird zusammengekürzt, die Lieferroboter wurden gestrichen. Amazon scheint es schwer zu fallen, in neue Segmente vorzustoßen.

Das sind keine relevanten Geschäftsfelder, sondern eher die Kategorie „Nice to have“. Entscheidend ist, dass Amazon Prime weiterhin läuft. Dass die E-Commerce-Plattform intakt ist. Und dass das Cloud-Geschäft den Markt dominiert. Amazon ist in allen Segmenten der Leader. Das Drumherum ist deshalb gar nicht so entscheidend. Sobald die Weltwirtschaft anzieht, ist Amazon einer der großen Gewinner.

Aktie 10: Lendingclub - Wette auf ein Schnäppchen

Das Unternehmen Lendingclub startete als Vermittler von Peer-to-Peer-Krediten, hat zuletzt jedoch eine gewaltige Transformation durchlaufen. Dem Kurs scheint das nicht geholfen zu haben: Zu Buche stehen 75 Prozent Verlust vom Hoch im November 2021. Was ist da los?

Viele Vermögensverwalter haben jahrelang erzählt, die Zinsen seien abgeschafft. Jetzt sind sie wieder zurück – und in was für einem Ausmaß! Wir sahen letztes Jahr auch, dass die Zeit der Investmentbanken erst einmal pausiert ist und die Stunde der Retailbanken schlägt. Man sieht das am Gewinn und den Margen. Mit einem guten Risiko-Management werden viele dieser Banken eine gute Zeit vor sich haben. Lendingclub ist ein absoluter Nischen-Player, der sein Geschäftsmodell in den letzten Jahren massiv geändert hat. Einst als Peer-to-Peer-Kreditplattform gestartet, ist es jetzt eine mehr oder weniger klassische Bank mit einem sehr starken digitalen Modell.

Was machen sie anders als andere Banken?

Lendingclub hat ein Einlagengeschäft, das ordentlich wächst. Sie haben eine sehr vernünftige Zinsmarge und sind im Markt für Konsumentenkredite tätig. Das Wachstum muss nun stark aus den Einlagen finanziert werden, da die Finanzierung über institutionelle Investoren und über ABS-Strukturen wegfällt. Bislang gelingt denen das sehr gut. Der Markt ist jedoch skeptisch hinsichtlich möglicher fauler Kredite, deshalb ist der Kurs auch massiv gefallen. Wenn die Weltwirtschaft in eine heftige Rezession abrutscht, hat man mit Unternehmen wie Lendingclub im Depot ein Problem. Wenn wir ein Softlanding bekommen, dann wäre Lendingclub aktuell ein Schnäppchen. Investoren mit guten Nerven können sich in solche Unternehmen hineinwagen.

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