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Digitale Versicherungen
„Niederländer lassen sich eher von KI-betriebenen Chatbots beraten“
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Digitale Versicherungen „Niederländer lassen sich eher von KI-betriebenen Chatbots beraten“

Walter Capellmann ist Hauptbevollmächtigter des niederländischen Lebensversicherers Dela in Deutschland. Darüber hinaus ist er Gesellschafter von Capellmann Consulting und Mitinitiator der internationalen Insurtech-KonferenzDigital Insurance Agenda (DIA).
Walter Capellmann ist Hauptbevollmächtigter des niederländischen Lebensversicherers Dela in Deutschland. Darüber hinaus ist er Gesellschafter von Capellmann Consulting und Mitinitiator der internationalen Insurtech-Konferenz Digital Insurance Agenda (DIA). Im Interview spricht er über aktuelle deutsche Markttrends und zieht den Vergleich zum Vertrieb von Versicherungen bei unseren Nachbarn. | Foto: DELA

DAS INVESTMENT: Insurtechs entwickelten sich im vergangenen Jahrzehnt vom Rivalen zum Partner der Platzhirsche im Versicherungsmarkt. Welche Entwicklung hat Sie hierbei besonders überrascht?

Walter Capellmann: Dass wir uns in Deutschland als Versicherer erst spät um das Thema Insurtech gekümmert haben und der Entwicklung noch immer etwas hinterherlaufen. Ganz anders als in Großbritannien, den Niederlanden und den USA – denken wir nur einmal an Anbieter wie Lemonade und Oscar. Wir sind im direkten Vergleich noch deutlich traditioneller unterwegs.

Könnte das vielleicht auch daran liegen, dass es für die Versicherungsbranche hierzulande auch mit den herkömmlichen Konzepten im Vertrieb gut läuft?

Capellmann: Wenn man gemein sein möchte, könnte man das so sagen. Aber es gibt ja andererseits auch vertraute Vertriebswege, an die sich die Verbraucher gewöhnt haben. Und es gilt immer noch das Motto  „Versicherungen werden nicht gekauft, sondern verkauft “. Das gilt unabhängig vom Vertriebsweg auch für ein Insurtech.

Stichwort Vertrieb: Der sprichwörtliche Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Wie groß ist die Gefahr, dass Insurtechs zu sehr ihre Top-IT betonen und dabei zu wenig an den praktischen Nutzen für den Kunden denken?

Capellmann: Diese Gefahr ist gesunken, denn der große Hype um Insurtechs mit besonders großen Finanzierungsrunden ist seit etwa zwei Jahren vorbei. Die Investoren schauen inzwischen genauer hin, wo sie ihr Geld reinstecken und welche der vielen Start-ups wirklich das Potenzial haben, schnell schwarze Zahlen zu schreiben. So richtig gescheitert sind bislang aber gar nicht so viele Start-ups. Denn die meisten Insurtechs zielen nicht mehr auf den großen Wurf als digitaler Versicherer.

Sondern?

Capellmann: Sie sind jetzt eher Enabler, die einen Online-Zugang für Kunden schaffen und gemeinsam mit Versicherern neue Ökosysteme entwickeln. Denn es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass man ein Insurtech nur sehr schwer ohne einen erfahrenen Risikoträger markttauglich machen kann. Die Annahme, dass es bald nur noch Insurtechs geben könnte, war von Anfang an unrealistisch. Im deutschen PKV-Markt beispielsweise hat sich zwar Ottonova behauptet, aber selbst erfolgreiche Insurtechs wie Wefox und Clark haben sich vom Anbieter von Versicherungen zum Marktplatz gewandelt. Eine ähnliche Strategie als Vertriebspartner der Assekuranz kann ich mir perspektivisch auch für die großen Tech-Konzerne wie Amazon, Apple und Google gut vorstellen. 

 

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Inwiefern spiegeln sich diese Entwicklungen bei den Themen auf der internationalen Insurtech-Konferenz DIA wider?

Capellmann: Als wir 2016 die DIA ins Leben gerufen haben, war es schwierig, überhaupt deutsche Unternehmen für die Messe zu gewinnen. Zu dieser Zeit gab es aber schon Insurtechs aus Großbritannien oder zum Beispiel den Niederlanden, die bereits erste Markterfolge vorweisen konnten. Viele von ihnen hatten sich frühzeitig als Plattformen für die Schadensabwicklung aufgestellt. Die DIA ist auch heute noch ein Kontaktpunkt für Start-ups aus unterschiedlichen Märkten. Insurtechs präsentieren sich dort jedoch nicht mehr vorrangig als die nächsten Big Player, sondern eher als Nischenanbieter, beispielsweise zum Thema Prävention. Der Schwerpunkt liegt heute mehr auf Schadenversicherungen für Dinge des alltäglichen Lebens und weniger auf Vorsorgesystemen. Letztere könnten aber in der Zukunft immer mehr zum Handlungsfeld der Insurtechs werden, da sie sich für den Einsatz von künstlicher Intelligenz eignen. Mit deren Hilfe ist ein Versicherer in der Lage, persönliche Kundendaten mit statistischen Sterbetafeln et cetera zu vergleichen, um beispielsweise Lebens- und Berufsunfähigkeits-, aber auch Krankenversicherungspolicen individuell zu tarifieren. Das Thema Gesundheit wird ganz sicher einer der wachsenden Märkte für KI-basierte Anwendungen sein.

Welche Rolle spielen hierbei die Erfahrungen mit digitalen Tools, die viele Menschen erstmals während der Corona-Lockdowns gemacht haben?

Capellmann: Wenn man sich die Entwicklung auf Kundenseite seit Anfang 2020 anschaut, dann hat die Pandemie das Verhalten massiv und nachhaltig verändert. Das betrifft insbesondere den Umgang mit digitalen Werkzeugen. Da sehe ich gerade auch für die Versicherungswelt jetzt neue Prioritäten: Die Menschen denken mehr über ihre Gesundheit nach. Das hat sich enorm verändert. Außerdem erleben sie mehr Unsicherheit und wollen die Kontrolle wieder zurückgewinnen. Nicht umsonst spielen Health-Apps auf dem Smartphone oder Fitness-Tracker heute für viele Menschen eine so große Rolle. Die Versicherungsbranche sollte das aufgreifen und über das herkömmliche Modell des reinen Risiko-Schutzes hinausdenken. Sie könnte sich stattdessen weiter hin zur Rolle des Unterstützers bewegen, der im Alltag zu einem gesünderen Lifestyle beiträgt – beispielsweise über gebündelte Gesundheitsdaten und dazu passende Tipps in ihrer Kunden-App.

Ist die Situation hierbei in Deutschland anders als im Rest Europas?

Capellmann: Ja. In unserem Nachbarland Niederlande zum Beispiel erfolgen bereits etwa 80 Prozent des Versicherungsgeschäfts online. Das hat einerseits mit dem dortigen Provisionsverbot für komplexe Versicherungsprodukte zu tun. Andererseits gehen die Niederländer viel offener mit dem Thema Internetvertrieb um und lassen sich beispielsweise von KI-betriebenen Chatbots beraten. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt der Online-Anteil lediglich etwa 4 Prozent. Dennoch bestehen auch in Deutschland gute Chancen für Insurtechs, die Anbietern und Kunden einen Mehrwert bieten können. Der Versicherungsvertrieb ist hierzulande zwar immer noch sehr vermittlergetrieben und dürfte es auf absehbare Zeit auch bleiben. Dadurch sehe ich für Makler aber die Chance, dass sie ihr Geschäft mithilfe der digitalen Helfer für die Zukunft aufstellen und voranbringen können. 

 

Über den Interviewten:

Walter Capellmann ist Gesellschafter von Capellmann Consulting und Mitinitiator der internationalen Insurtech-Konferenz Digital Insurance Agenda (DIA). Darüber hinaus ist der langjährige Branchenexperte Hauptbevollmächtigter der Dela Lebensversicherungen in Deutschland. Wie Anfang März berichtet zieht er sich in den kommenden Monaten aus dem operativen Geschäft zurück. Sein Nachfolger als neuer Dela-Hauptbevollmächtigter in Deutschland ist Edwin Brouwers, der bereits seit Oktober 2021 mit ihm die Geschäfte von Düsseldorf aus leitet. 

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