LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche

Themen-Experte Energie und Technik für die Welt von morgen

ANZEIGE
ANZEIGE

Telemedizin, KI, Genomik Neue Technologien sorgen für Bewegung in der Gesundheitsbranche

Krebsforschung
Krebsforschung: Insbesondere die massiv gesunkenen Kosten für die Gensequenzierung haben der Gesundheitsbranche einen Schub verliehen. | Foto: imago images / epd

In der Diagnostik und Therapie von Krankheiten sind in den vergangenen Jahrzehnten deutliche Fortschritte gemacht worden – eines hatte sich jedoch lange Zeit kaum verändert: Die Art und Weise der Gesundheitsversorgung. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen fanden in der Arztpraxis statt. Das bedeutet: Patienten nahmen sich die Zeit, um in die Praxis zu fahren und erledigten dort zunächst den Papierkram – was zusammen nicht selten länger dauerte als die eigentliche Untersuchung. Wer derweil dringend eine Behandlung benötigte, machte sich unabhängig von der Schwere des Problems oft gleich auf den Weg in die Notaufnahme.

Pamela Hagerty, BNP Paribas AM

„Das führte zu höheren medizinischen Gesamtkosten und möglichen doppelten diagnostischen Tests aufgrund fehlender integrierter medizinischer Aufzeichnungen. Daneben kostete es Zeit und setzte die Patienten einem Infektionsrisiko aus“, sagt Pamela Hagerty, Portfoliomanagerin des Fonds Disruptive Technology bei BNP Paribas Asset Management. Außerdem habe es große Probleme beim Zugang zu medizinischen Einrichtungen in bestimmten ländlichen Regionen und zu fachärztlicher Versorgung gegeben – ebenso wie bei der Koordinierung innerhalb des medizinischen Systems.

Eine Lösung könnte die Telemedizin bieten. Zwar stieg bereits in den vergangenen Jahren die Zahl der Ärzte, die diese Möglichkeit anbieten. Die Corona-Pandemie könnte nun jedoch den endgültigen Durchbruch eingeleitet haben. Im Zuge der Virusausbreitung mussten große Teile des Gesundheitsversorgungsnetzes geschlossen werden, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. „Da die Nachfrage nach medizinischer Versorgung jedoch anhielt, waren Mediziner und Patienten gezwungen, schnell auf Telemedizin umzusteigen“, sagt Hagerty.

Gesundheitsdienstleister konnten sich nicht mehr ausschließlich auf traditionelle Methoden verlassen, um ihre Patienten zu erreichen oder sich mit anderen Experten abzustimmen. „Es wurde klar, dass die Anbieter virtuelle Lösungen benötigen, um überlebensfähig zu bleiben“, betont Hagerty. „Denn diese bieten einen höheren Komfort und eine größere Effizienz.“

Bessere medizinische Versorgung auch wirtschaftlich sinnvoll

Bereits weit vor Corona haben bedeutende Fortschritte in Medizintechnik, Konnektivität und Software vielfältige Innovationen im Gesundheitsbereich hervorgebracht. Ein Beispiel ist die Überwachung des Blutzuckerspiegels von Diabetespatienten. Diese ist wichtiger Bestandteil der Krankheitskontrolle, da sie die richtige Insulindosierung bestimmt.

Jon Stephenson, BNP Paribas AM

Eine unzureichende Blutzuckerüberwachung kann zu erheblichen Problemen führen. Daher ist Diabetes eine extrem schwierig zu handhabende und sehr kostspielige Krankheit. „Die American Diabetes Association schätzte im Jahr 2017, dass sich die jährlichen Kosten für diagnostizierten Diabetes allein in den USA auf rund 327 Milliarden US-Dollar belaufen, das entspricht einem Siebtel der gesamten Gesundheitsausgaben“, gibt Jon Stephenson zu bedenken, Portfoliomanager der BNP Paribas Healthcare Innovators Strategy. „Daher macht die Suche nach technologischen Lösungen, mit denen Diabetiker ihre Krankheit besser kontrollieren können, auch ökonomisch Sinn.“

Die Hersteller nutzen Innovationen im Technologiebereich, um Geräte zur automatischen Insulinabgabe zu entwickeln. Hochpräzise Pflastertechnologien, sogenannte kontinuierliche Glukosemonitore, messen permanent den Blutzuckerspiegel. Der Wert kann via Bluetooth an eine Pumpe am Körper übertragen werden, die mittels Algorithmen die entsprechende Insulindosis berechnet. Gleichzeitig werden alle Daten automatisch an ein persönliches Diabetes-Manager-Gerät oder eine Smartphone-Anwendung weitergeleitet und können von Patienten, Familienmitgliedern und Pflegepersonal in Echtzeit genau überwacht werden. „Durch solche kombinierten Technologien werden Patienten in die Lage versetzt, ihre Blutzuckerwerte für einen deutlich größeren Teil des Tages und insbesondere in der Nacht im Zielbereich zu halten“, sagt Stephenson. „Dies sollte letztendlich die Komplikationen deutlich reduzieren und damit auch die Kosten für stationäre Aufenthalte.“ Darüber hinaus reduzieren diese Technologien bei den Patienten die Belastung durch das Krankheitsmanagement und gebe ihnen ein größeres Gefühl der Unabhängigkeit.

Künstliche Intelligenz als wesentliche Unterstützung

Auch künstliche Intelligenz (KI) spielt eine immer größere Rolle bei Innovationen im Gesundheitswesen, erläutert Pamela Hagerty: „KI-Systeme werden entwickelt und eingesetzt, um die Entdeckung von Medikamenten zu beschleunigen, die Analyse medizinischer Bilder zu verbessern und die Diagnose durch Mustererkennung klinischer Daten zu unterstützen.“ Archana Venkataraman zum Beispiel, außerordentliche Professorin für Elektro- und Computertechnik an der Johns-Hopkins-Universität, nutzt maschinelles Lernen – einen Teilbereich der KI – und andere Computertechniken, um neurologische Erkrankungen zu diagnostizieren und zu behandeln. Ihr Team hat einen Algorithmus entwickelt, der anhand von Elektroenzephalogramm (EEG)-Daten den Beginn von epileptischen Anfällen erkennt. Das Ziel ist die Entwicklung alternativer Therapien für das eine Drittel der Epilepsie-Patienten, die auf Medikamente nicht ansprechen. „In einem Vortrag auf der MIT EmTech-Konferenz im September 2019 sagte Venkataraman, dass ihr Team auch an der Behandlung von Rückenmarksverletzungen, Schizophrenie, Autismus und anderen Erkrankungen arbeitet“, berichtet Hagerty.

Während einige Beobachter befürchten, dass KI den Menschen ersetzen wird, fehlen KI-Systemen dafür bisher noch entscheidende menschliche Kompetenzen wie Kreativität und die Fähigkeit, kontextabhängige Urteile zu fällen. „Die meisten KI-Medizinsysteme, einschließlich Diagnostik und Bildanalyse, sind darauf ausgelegt, menschliche Experten zu unterstützen und nicht zu ersetzen. KI kann in Zukunft zu einer kostengünstigeren Gesundheitsversorgung beitragen, indem sie die Geschwindigkeit und Genauigkeit von medizinischen Prozessen verbessert“, prognostiziert Hagerty.

Gensequenzierung als Gamechanger

Die biopharmazeutische Industrie gehört zu den innovativsten Wirtschaftszweigen überhaupt. Lange wurde sie durch Fortschritte in der Chemie angetrieben. Chemiker entwickelten riesige Datensätze von Verbindungsmolekülen, die auf ihren potenziellen therapeutischen Nutzen getestet wurden, ohne die zugrunde liegende Biologie der Krankheit zu verstehen. „In Bezug auf die therapeutische Wirksamkeit war das wie der Versuch, eine Nadel im Heuhaufen zu finden“, beschreibt es Stephenson.

Die Entwicklung von Instrumenten zur Massensequenzierung von Genen, der massive Rückgang der Kosten dafür und der Einsatz von KI zur schnellen Analyse riesiger Datenmengen haben die Arzneimittelentwicklung jedoch revolutioniert. „Jetzt beginnt der Prozess mit der Analyse der zugrunde liegenden Krankheitsbiologie und der Identifizierung von therapeutischen Zielen, bevor man zur Konstruktion von Molekülen übergeht, die diese Ziele erreichen können“, blickt Stephenson voraus.

Dieser Prozess kann sehr schnell ablaufen, wie die Corona-Pandemie bewiesen hat. Nachdem der erste Fall von Covid-19 im Dezember 2019 offiziell bekannt gegeben wurde, war das Virus innerhalb weniger als eines Monats sequenziert. „Diese schnelle Sequenzierung ermöglichte sowohl die Entwicklung von Diagnosetests zum Nachweis von Infizierten als auch die rasche Entwicklung von potenziellen Impfstoffkandidaten gegen das Virus“, erläutert Stephenson. Sehr schnell wurde daraufhin die Entwicklung von Impfstoffen eingeleitet, die weniger als ein Jahr dauerte.

Die Auswirkungen der biopharmazeutischen Innovationen sind jedoch viel umfassender. Die Biotechnologie-Industrie hat innovative Medikamente entwickelt, die die Behandlungsaussichten für Patienten mit Krebs beziehungsweise seltenen oder bislang nicht behandelbaren Krankheiten deutlich verbessern. Und dank immer leistungsfähigerer neuer Technologien dürfte sich dieser Prozess fortsetzen – wovon neben Patienten auch die Anleger innovativer Unternehmen aus dem Healthcare-Bereich profitieren. 

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen