Merger-Experte Kai Lucks
Neue Wege
Kai Lucks ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions. Foto: Bundesverband Mergers & Acquisitions
Wie können Unternehmen in der Corona-Krise Fusionen sinnvoll planen und umsetzen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Kai Lucks vom Bundesverband Mergers & Acquisitions im dritten Teil seines Gastbeitrags.
Vor-Ort-Prüfungen sind vor allem im Zuge der Käufer Due Diligence vor dem Closing und nach der Übernahme unverzichtbar. Auch hier stellt sich die Frage: Was tun bei Reiseverboten? Delegieren? Lokale Vertreter einschalten? Gleichwohl: Die Due Diligence muss, von wem auch immer, persönlich durchgeführt werden. Sie umfasst sowohl die Prüfung von Unterlagen und Dokumenten als auch die in-Augenscheinnahme von Gebäuden, Infrastruktur, Ausrüstungen und Personal.
7/24-Nachweise sind zu erbringen, also über alle Wochentage und je über 24 Stunden. Denn auch hier droht Ungemach: etwa gefakte Mitarbeiter, dargestellt von Schauspielern und Studenten, ganze Bürofluchten, die nur zum Schein und nur...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Vor-Ort-Prüfungen sind vor allem im Zuge der Käufer Due Diligence vor dem Closing und nach der Übernahme unverzichtbar. Auch hier stellt sich die Frage: Was tun bei Reiseverboten? Delegieren? Lokale Vertreter einschalten? Gleichwohl: Die Due Diligence muss, von wem auch immer, persönlich durchgeführt werden. Sie umfasst sowohl die Prüfung von Unterlagen und Dokumenten als auch die in-Augenscheinnahme von Gebäuden, Infrastruktur, Ausrüstungen und Personal.
7/24-Nachweise sind zu erbringen, also über alle Wochentage und je über 24 Stunden. Denn auch hier droht Ungemach: etwa gefakte Mitarbeiter, dargestellt von Schauspielern und Studenten, ganze Bürofluchten, die nur zum Schein und nur zur Besichtigung während der wenigen offiziellen Tage der Due Diligence betrieben werden. Unter den Fach-Dienstleistern, die hier eingesetzt werden können, sind findige Experten. Die sehen zum Beispiel nach, welche der Papierkörbe mit Abfällen genutzt werden, und welche (überhaupt) nicht. Ohne Reisemöglichkeiten für Mitarbeiter und Dienstleister sind solche Prüfungen kaum möglich.
Digitalisierung von M&A-Prozessen nutzen
Die Digitalisierung von M&A ist eine der großen Entwicklungen der letzten Jahre. Dies findet zunächst unabhängig von Krisen und Wirtschaftsproblemen statt. Treiber ist auf der einen Seite die zunehmende Komplexität von M&A-Projekten: durch höhere rechtliche und technische Absicherungen, durch steigende Wettbewerbsdynamik, durch Zunahme von Vorschriften, durch das Engagement in immer entlegeneren Regionen, durch die steigende Themenvielfalt und der zu Beteiligenden und um den höheren Ansprüchen an die Post-M&A-Performance zu entsprechen. Auf der anderen Seite bietet die Digitalisierung eben jene Tools an, mit denen höhere Komplexitäten in kürzerer Zeit in reproduzierbarer Weise bewältigt werden können. Anforderungen und technische Angebote schaukeln sich gegenseitig auf.
Die zeitliche Koinzidenz mit der Corona-Krise ist eine Chance, die zusätzlichen und alternativen Potenziale durch die Digitalisierung zu nutzen. Dies bietet sich ja förmlich an, weil die M&A-Digitalisierung vor allem die Remote-Arbeit fördert. Einige zentrale Erkenntnisse zum Status Quo:
- Ein durchgehendes und alle Aufgaben abdeckendes „Digital-Konzept“ gibt es nicht und ist auch nicht zu erwarten, da zentrale Themen menschenorientiert und kulturell basiert sind.
- Dennoch gibt es digitalisierte Ansätze, die bereits „end-to-end“ verwendet werden können, etwa ausgehend vom virtuellen Datenraum, die sich von der Due Diligence kommend nach vorn – etwa zur Erfassung und Auswertung von Kandidatenscreenings – bis nach hinten – etwa zur Umsetzungsverfolgung – durchgesetzt haben.
- Die meisten digitalen Tools haben eher „Stand-alone-Charakter“. Selbst die großen Wirtschaftsprüfer und Strategieberater arbeiten mit jeweils mehreren spezialisierten Tools, die noch nicht vollautomatisch IT-basiert zusammengeführt werden können.
- Es gibt schlagkräftige Instrumente, die die human-basierten Begabungen sehr gut ergänzen und somit von ermüdenden Arbeiten entlasten können, etwa „E-discovery“ zur Analyse und Auswertung von Verträgen.
- Das Angebot an Instrumenten ist enorm und erweitert sich laufend. Dennoch ist vor einen Einsatz von ansonsten wenig bekannten Lösungen und in jedem einzelnen Fall nachzuweisen, ob der erfolgreiche Praxis-Einsatz für vergleichbare Fälle nachgewiesen wurde.
Eine elegante Lösung, um Problemen aus notwendiger Lokalisierung von Aktivitäten auszuweichen, bieten netzbasierte Geschäftsmodelle, denn vereinfacht gesprochen gilt: „Wer im Netz ist, ist global“. Bisher hat sich in der Wirtschaftswelt, die sich mit digital basierten Geschäften auseinandersetzt, keine allseits akzeptierte Modell-Landschaft durchsetzen können. Die einen verstehen im Wesentlichen die Internet-basierten Vertriebsplattformen B2B und B2C, für andere stehen digital-getriebene Lösungsgeschäfte im Vordergrund, Dritte argumentieren mit Services, die die „Internet of Things“ umgeben, im Extremfall „Everything as-a-Service“.
Agiles Management
Eng verbunden mit der Digitalisierung ist das Konzept des agilen Managements, das auch seinen Niederschlag bei M&A gefunden hat. Die Nähe zur digitalen Welt entspringt der Entstehung des sogenannten agilen Managements, denn die Grundzüge sind den Instrumenten zu Führungsverfahren der Informationstechnik entlehnt.
Der Ursprung geht auf das agile Manifest zurück, das 2001 von einer Gruppe aus 17 renommierten Softwareentwicklern formuliert wurde. Somit dient die Softwareentwicklung als Referenzmodell. Deren Leitsätze sind:
- Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge.
- Funktionierende Software ist wichtiger als eine umfassende Dokumentation.
- Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlung.
- Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans.
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