LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche

Themen-Experte Die Spezialisten für globale Geldanlage

ANZEIGE
Aktualisiert am 09.06.2020 - 16:29 Uhrin Die Spezialisten für globale GeldanlageLesedauer: 6 Minuten
ANZEIGE

Neues Segment an der Börse Shanghai Innovationen sollen China strategisch stärken

Jason Zhu, Franklin Templeton Emerging Markets Equity

Im November 2018 kündigte der chinesische Staatspräsident Xi Jinping die Einführung eines Innovationssegments für Wissenschaft und Technologie (Science and Technology Innovation Board, STIB) an der Börse Shanghai an. Dieses Segment soll als spezielle Plattform, an der Unternehmen aus den Bereichen Technologie und Forschung gelistet werden und Kapital aufnehmen können, Innovationen in China vorantreiben. Marktbeobachter haben sofort Parallelen zum US-amerikanischen Nasdaq gezogen.

Wir begrüßen die Neuerung. Unserer Meinung nach hat das STIB, das die wirtschaftliche Restrukturierung vorantreibt, strategische Bedeutung für China. Es könnte Chinas Aufstieg zu einem wichtigen Forschungsstandort beschleunigen. China wird oft als das Land begabter Nachahmer wahrgenommen, aber neuerdings positioniert es sich in mehreren Bereichen als Innovationstreiber. So übernahm China im Jahr 2017 bei den weltweiten Patentanmeldungen mit 43,6 Prozent klar die Führung. Die USA kamen mit 19,2 Prozent auf nicht einmal die Hälfte von diesem Wert. Außerdem haben sich die chinesischen Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 2,13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht – in der EU beträgt der Anteil geschätzt 1,96 Prozent, kalkulieren die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) in Genf und die OECD.

Das neue Segment könnte Kapital in Bereiche lenken, in denen China Aufholbedarf hat. Insgesamt gehen wir davon aus, dass das STIB in vielerlei Hinsicht wichtigen Einfluss entfalten wird.

Mehr Zugriff auf privates Kapital

Die Liberalisierung der vergangenen Jahrzehnte in China wurde begleitet vom Aufblühen der dortigen Aktienmärkte, die während des investitionsbasierten Wachstums den Aufstieg von Riesen der „Old Economy“ in Branchen wie Energie, Bergbau, Immobilien und Bankwesen befeuerten. Die meisten dieser Unternehmen hatten sich bereits mit etablierten Geschäftsmodellen bewährt, bevor sie an die Börse gingen.

Da China immer stärker darauf setzt, mit Innovationen hochwertigeres Wachstum und technologische Durchbrüche zu erzielen, erfolgt die Schaffung des Segments für Wissenschaft und Technologie zum richtigen Zeitpunkt. Es wird Hightech-Start-ups nicht nur die Aufnahme von Kapital ermöglichen, sondern auch Zugang zu Venture Capital und Private-Equity-Beteiligungen bieten. Kurz gesagt: Das neue Segment könnte Anreize für die Investition von privatem Kapital in die Technologieszene schaffen.

Doch die Auswirkungen reichen noch weiter. Wenn der Aktienmarkt die chinesische Realwirtschaft in Zukunft besser unterstützt, kann er möglicherweise auch die Kapitalallokation verbessern – was gerade für dieses Land, das wegen der Vergabe von staatlichen Subventionen und anderen Hilfen kritisiert wird, große Vorteile hätte. Wir erwarten, dass das STIB der Regierung Spielraum verschafft, um Förderungen abzubauen. Dies dürfte Effizienz und längerfristige Resilienz der chinesischen Wirtschaft stärken.

Tiefgreifende Kapitalmarktreformen

Die chinesischen Aktienmärkte sind riesig, wirken aber auf manche Anleger und auf einzelne Unternehmen, die an die Börse gehen wollen, nach wie vor wenig einladend: Zu den abschreckenden Faktoren gehören strenge Vorgaben, die Freiheit und Effizienz der Märkte einschränken. Zu nennen sind beispielsweise ein auf Zulassung beruhendes System für Börsengänge, Rentabilitätskriterien für Kandidaten, eine inoffizielle, aber weitflächig angewandte Bewertungsobergrenze vor dem Börsengang sowie tägliche Kurslimits für Aktien.

China hat eine Reform der Kapitalmärkte versprochen, und wir betrachten das Segment für Wissenschaft und Technologie in diesem Zusammenhang als wichtiges Pilotprojekt. Es wäre ein Novum in der Geschichte Chinas, wenn das Land auf ein System umstellen würde, das für Börsengänge nur noch eine Registrierung fordert, und unrentable Unternehmen zuließe. In diesem Zuge würde China die impliziten Bewertungsobergrenzen für Börsengänge aufgeben und die täglichen Kurslimits lockern. Wir erwarten von diesen Neuerungen einen stärkeren Einfluss der Märkte sowie schnellere, transparentere Börsengänge. Manche der neuen Regeln könnten in Zukunft auch für andere chinesische Börsen gelten.

Unserer Ansicht ist das neue Segment Ausdruck des chinesischen Vorhabens, die Kapitalmärkte offener und wettbewerbsorientierter zu gestalten. Insbesondere könnte es Shanghai helfen, sich zu einem internationalen Finanzzentrum zu entwickeln. Doch das STIB wird nicht nur Kapital anziehen. Vielmehr dürfte es dem Finanzsystem auch eine stärkere Dynamik verleihen.