Investmentchef der Bethmann Bank Neustart für die Konjunktur
Und auch in Europa sollten die Konjunktur-Ampeln in den kommenden Monaten auf grün schalten. Sofern die Corona-Pandemie nicht außer Kontrolle gerät, sind auch hier spürbare Erholungstendenzen zu erwarten, nicht zuletzt aufgrund der hohen Nachfrage aus China. Allerdings dürfte die Wirtschaft der Eurozone weiterhin unter ihrem Produktivitätsniveau von vor der Krise zurückbleiben. Dennoch dürfte es insgesamt spätestens ab der zweiten Jahreshälfte zu einem konjunkturellen Neustart kommen – und zwar weltweit synchron, was eher ungewöhnlich, aber natürlich positiv ist. Neben Nachholeffekten sind dafür vor allem die massiven Unterstützungs-Maßnahmen der verschiedenen Regierungen und Notenbanken verantwortlich.
Börsianer schauen wie immer voraus
Die Marktteilnehmer haben diese Entwicklungen bereits vorweggenommen. Nachdem in den USA Indizes wie der S&P 500 oder der Nasdaq schon länger von Rekord zu Rekord eilen, hat jetzt auch der Dax die Marke von 14.000 Punkten überschritten und ein neues Allzeithoch markiert. Der Shanghai Composite befindet sich ebenfalls auf Rekordkurs. Die spannende Frage lautet da natürlich, ob noch Luft nach oben ist.
Generell dürften die hohe Risikoneigung und die Zuflüsse in die Aktienmärkte in den kommenden Wochen weiter Bestand haben. Gleichzeitig spannen die Geld- und Fiskalpolitik sowie die weltweit angelaufenen Impfkampagnen gewissermaßen ein Sicherheitsnetz. Dazu kommen die niedrigen beziehungsweise sinkenden Diskontierungszinsen, die die entsprechenden Discounted Cash Flow Modelle positiv beeinflussen.
Angesichts des Neustarts der Konjunktur sollten sich vorerst zyklische Sektoren wie Industrie- und Finanzwerte oder konjunktursensible Konsumtitel durchsetzen. Vor allem hier dürfte sich im besseren konjunkturellen Umfeld die positive Entwicklung der Unternehmensgewinne bemerkbar machen.
Außerdem sollten nach der Value-Rally im Winter jetzt eher wachstumsorientierte Aktien vom verbesserten Ausblick auf das Wirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte profitieren. Staatsanleihen bleiben dagegen in diesem reflationären Umfeld mit negativen Realrenditen unattraktiv. Dies gilt insbesondere bei Inflationsüberraschungen, die zu steigenden Nominalrenditen und fallenden Kursen führen können.
Über den Autor:
Reinhard Pfingsten ist Investmentchef der Bethmann Bank und Mitglied im Management-Team des Investment-Centers der ABN Amro Gruppe.