Japanische Börse Nikkei: Vom Rekordverlust zum Rekordgewinn in nur 24 Stunden
Nach dem schlimmsten Tagesverlust seit dem „Schwarzen Montag“ 1987 hat die japanische Börse am Dienstag eine beeindruckende Kehrtwende hingelegt. Der Leitindex Nikkei 225 sprang um 9,4 Prozent nach oben auf 34.416,32 Punkte - der größte Tagesgewinn in der Geschichte des Index. Auch der breiter gefasste Topix legte um 9,3 Prozent zu und schloss bei 2434,21 Punkten.
Yen-Carry-Trades als Auslöser der Turbulenzen
Dieser Aufschwung kam überraschend, nachdem der Nikkei am Montag um 12,4 Prozent eingebrochen war. Auslöser für den Absturz waren globale Marktturbulenzen, Rezessionsängste in den USA und Sorgen um die Abwicklung von Yen-finanzierten Investitionen, den sogenannten Carry-Trades.
Dabei leihen sich Investoren Geld in einer Währung mit niedrigem Zins, wie dem Yen, und investieren es in einem Währungsraum mit höheren Zinsen. Aufgrund der jüngsten Zinserhöhungen der Bank of Japan und eines stärkeren Yen wurden diese Carry-Trades jedoch weniger attraktiv und mussten teilweise rückabgewickelt werden, was zu Verwerfungen an den Märkten führte.
Der starke Yen, der gegenüber dem US-Dollar den höchsten Stand seit Jahresanfang erreichte, belastete zudem die Gewinne der exportabhängigen japanischen Unternehmen. Dennoch wurde die Erholung am Dienstag vor allem von Technologiewerten angetrieben. Chiphersteller Tokyo Electron und Advantest verzeichneten Kursgewinne von über 16 beziehungsweise 14,5 Prozent. Auch die Aktie des KI-Investors Softbank Group legte um 9,3 Prozent zu. Die starken Schwankungen lösten mehrfach automatische Handelsunterbrechungen aus.
Einfluss der Bank of Japan auf globale Finanzmärkte
Die Bilanz der japanischen Notenbank ist mit 127,5 Prozent des japanischen Bruttoinlandsprodukts größer als die Wirtschaftsleistung des Landes selbst, während die Bilanz der US-Notenbank Fed nur 25 Prozent der amerikanischen Wirtschaftsleistung beträgt. Dieser Vergleich verdeutlicht den potenziell großen Einfluss der Bank of Japan auf die globalen Finanzmärkte.
Hedgefonds und andere spekulative Anleger hielten Anfang Juli eine beträchtliche Anzahl von Kontrakten im Wert von mehr als 14 Milliarden US-Dollar, die auf einen schwächeren Yen setzten. Obwohl diese Summe in der vergangenen Woche auf rund sechs Milliarden US-Dollar reduziert wurde, stellt sie nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten Marktes für Yen-Kredite dar.
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Chinesische und deutsche Börsen kämpfen
Im Gegensatz zur Erholung in Japan kämpften die chinesischen Märkte nur knapp ins Plus zurück. Anleger sorgten sich weiter um die schleppende Konjunkturerholung in China. Die Börse in Shanghai gewann lediglich 0,2 Prozent, während der Index der wichtigsten Unternehmen in Shanghai und Shenzhen stagnierte. Analysten führen die relative Stabilität des chinesischen Marktes auf seine bereits bestehende Schwäche zurück, die ihn teilweise von den globalen Turbulenzen abkoppelt.
Auch der deutsche Leitindex Dax konnte sich bisher nicht von den Verlusten des Vortages erholen. Nach einem Minus von über 2 Prozent am Montag stagniert der Dax am Dienstag bei rund 17.350 Punkten. Anleger bleiben angesichts der schwachen US-Konjunkturdaten und geopolitischer Spannungen vorsichtig.
Schwache US-Arbeitsmarktdaten schüren Rezessionsängste
Hintergrund der globalen Marktturbulenzen sind insbesondere die enttäuschenden US-Arbeitsmarktdaten vom Freitag. Mit nur 114.000 neuen Stellen blieb der Stellenaufbau weit hinter den Erwartungen zurück, während die Arbeitslosenquote auf den höchsten Stand seit Oktober 2021 stieg. Dies nährte die Sorgen vor einer möglichen Rezession in der weltgrößten Volkswirtschaft.
Trotz der aktuellen Turbulenzen halten viele Ökonomen die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA derzeit noch für gering, aber es besteht die Möglichkeit von Übersprungseffekten durch die Verwerfungen am Finanzmarkt.
Es ist davon auszugehen, dass die Märkte weiterhin volatil bleiben werden, bis die Abwicklung der Carry-Trades vollständig abgeschlossen ist. Die komplexen Verflechtungen im globalen Finanzsystem und die Größenordnung der involvierten Positionen lassen vermuten, dass dieser Prozess einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Bis dahin dürften die Unsicherheit hoch bleiben und die Kurse an den Börsen weiter schwanken.
Trotz des beeindruckenden Aufschwungs bleibt abzuwarten, ob der japanische Markt seine Gewinne halten kann. Die strukturellen Herausforderungen wie der starke Yen, die alternde Bevölkerung und die hohe Staatsverschuldung dürften die Börse in Tokio weiter belasten. Anleger sollten die weitere Entwicklung genau im Auge behalten und auf eine nachhaltige Stabilisierung der globalen Märkte hoffen. Ob die Erholung des Nikkei von Dauer ist oder nur ein kurzes Aufbäumen darstellt, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.