Ifo-Experte Marcel Thum über Facebooks Libra
Geldordnung in Gefahr
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Facebook-Chef Mark Zuckerberg: Sein Plan einer Kryptowährung Libra trifft nicht nur auf Begeisterung
Als Facebook im Juni die Kryptowährung Libra ankündigte, reagierten Poliker weltweit entsetzt. Kein Wunder, schließlich bedroht das Konzept die staatliche Geldordnung. Ifo-Experte Marcel Thum erklärt, wo die größten Herausforderungen liegen.
Als Facebook am 18. Juni 2019 die Kryptowährung Libra ankündigte, löste der Social-Media-Gigant eine riesige Medienresonanz rund um den Globus aus. Die Reaktionen reichten – wie schon bei früheren Debatten um Bitcoin und andere Blockchain-Währungen – von nahezu hysterischem Hype bis quasi reflexhafter Ablehnung. Bislang ist das Design der Kryptowährung Libra nur in Grundzügen bekannt.
Viele Deta...
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Als Facebook am 18. Juni 2019 die Kryptowährung Libra ankündigte, löste der Social-Media-Gigant eine riesige Medienresonanz rund um den Globus aus. Die Reaktionen reichten – wie schon bei früheren Debatten um Bitcoin und andere Blockchain-Währungen – von nahezu hysterischem Hype bis quasi reflexhafter Ablehnung. Bislang ist das Design der Kryptowährung Libra nur in Grundzügen bekannt.
Viele Details sind trotz der Veröffentlichung eines White Paper der Libra Association (Libra 2019) wie auch der umfangreichen Begleitpapiere (vgl. z.B. Baudet et al. 2019; Catalini et al. 2019) bisher weitgehend unklar, vermutlich nicht einmal innerhalb der Libra Association geklärt. Daher kann dieser Beitrag auch nur eine sehr vorläufige und in Teilen spekulative Einschätzung des Potenzials und der Risiken der Kryptowährung Libra liefern.
Was ist neu an Libra?
Kryptowährungen sind nicht neu. Bitcoin gibt es seit mehr als zehn Jahren und ist zumindest seit zwei bis drei Jahren einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Tausende weitere Kryptowährungen wurden bisher an den Markt gebracht; bis dato leiden diese digitalen Währungen jedoch unter extremen Wertschwankungen und unter fehlender Akzeptanz im Zahlungsverkehr. Warum hat gerade Libra so viel mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen als alle anderen Produkte in diesem Bereich?
Zentrale Gründe hierfür sind zum einen, dass mit Facebook einer der großen Social-Media-Akteure die Initiative übernommen hat. Facebook hat weltweit über 2,3 Milliarden aktive Nutzer; rund 1,5 Milliarden Menschen nutzen Facebook mindestens einmal täglich. Zum anderen hat Facebook – bzw. die für das Projekt gegründete Tochterfirma Calibra – 27 weitere, einflussreiche Firmen wie Mastercard, Visa, Uber, Spotify, Ebay und Paypal als gleichberechtigte Partner an Bord geholt. Zusammen bilden sie die „Libra Association“, die langfristig auf 100 Mitglieder anwachsen soll. Die erste Neuerung von Libra im Vergleich zu früheren Kryptowährungsprojekten ist schlicht die große Konsumentenbasis, mit der die Libra Association schon in Kontakt ist.
Libra weicht aber auch in zahlreichen anderen Dimensionen von Bitcoin & Co. ab. Der wichtigste Unterschied ist, dass jede Libra-Einheit mit Bankeinlagen und kurzfristigen Staatsanleihen in gängigen Währungen als Reserve hinterlegt ist. Anders als bei Currency Boards wird Libra nicht an eine einzige liquide Währung gekoppelt, sondern an einen Währungskorb, in dem sich – bis auf mögliche diskretionäre Anpassungen – in fest definierten Anteilen gängige Währungen wie Dollar, Euro oder Britisches Pfund befinden sollen. Das Konzept ähnelt daher eher den Sonderziehungsrechten des IWF (vgl. Bofinger 2019).
Damit ist der Wert der Libra durch den Wert der Währungen gegeben, während bei Bitcoin der Wert nur von den Erwartungen der Anleger abhängt. Interessant sind auch die Unterschiede bei der Geldmenge: Während die Menge an Bitcoins exogen vorgegeben ist, soll die Menge an Libra von der Nachfrage abhängen. Wenn ein zusätzlicher Nutzer eine nationale Währung in Libra umtauschen will, wird der Betrag der nationalen Währung in Bankeinlagen und kurzfristigen Staatsanleihen des Währungskorbs angelegt und im entsprechenden Umfang neues Libra-Geld geschaffen.
Im Gegensatz zu etablierten Währungen wie Euro oder US-Dollar würde die Menge an Libra also nur von der Geldnachfrage abhängen. Eine Steuerung des Geldangebots, wie sie von EZB oder Federal Reserve mit dem Ziel der Stabilisierung von Inflation und Wirtschaftswachstum betrieben wird, ist nicht vorgesehen. Durch die Notierung der Libra an Devisenmärkten soll die Umtauschmöglichkeit der digitalen Währung gegen traditionelle Währungen sichergestellt werden. Die dort gebildeten Wechselkurse sollten im Regelfall die Reservegewichte wiederspiegeln.
Schließlich unterscheiden sich auch die Mechanismen, mit denen sichergestellt wird, dass bei einer Überweisung der entsprechende Betrag tatsächlich dem Empfänger gutgeschrieben wird. Bitcoin basiert auf dem „Proof-of-work“-Prinzip. Dabei wird – vereinfacht gesagt – jede Überweisung in der Blockchain, einer Kette von Textdateien, festgeschrieben.
Damit diese Textdateien nicht manipuliert werden, wird ein Prüfwert (Hash) erzeugt. Diesen Prüfwert zu ermitteln, ist rechentechnisch aufwendig. Tausende, inzwischen meist hochspezialisierte Computerfarmen weltweit konkurrieren darum, als erste den nächsten gültigen Prüfwert zu erzeugen. Das Bitcoin-System ist dabei so angelegt, dass der Schwierigkeitsgrad für die Ermittlung des Prüfwertes steigt, je mehr Rechenkapazität weltweit auf die Ermittlung des Prüfwertes verwandt wird. Dieses dezentrale Kontrollsystem ist zwar sicher, aber auch sehr teuer (vgl. Thum 2018).
Inzwischen hat die Ermittlung der Prüfwerte mehr als 10 Milliarden US-Dollar verschlungen. Das Libra-System soll hingegen auf dem „Proof-of-stake“-Prinzip basieren. Jede Ergänzung der Blockchain durch eine Überweisung erfordert die Zustimmung einer Supermehrheit von zwei Drittel der Prüfer (validators). Prüfer sind anfänglich die 28 Gründungsmitglieder der Libra Association, die aufgrund ihrer Geschäftsinteressen und aufgrund ihrer Investitionen in Libra einen Anreiz haben, ein vertrauenswürdiges System aufzubauen.
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