Ifo-Experte Marcel Thum über Facebooks Libra
Geldordnung in Gefahr
Aktualisiert am 13.03.2020 - 16:51 Uhr
Facebook-Chef Mark Zuckerberg: Sein Plan einer Kryptowährung Libra trifft nicht nur auf Begeisterung
Als Facebook im Juni die Kryptowährung Libra ankündigte, reagierten Poliker weltweit entsetzt. Kein Wunder, schließlich bedroht das Konzept die staatliche Geldordnung. Ifo-Experte Marcel Thum erklärt, wo die größten Herausforderungen liegen.
Da noch unklar ist, wofür Libra primär genutzt wird, ist auch schwer vorherzusagen, woraus die Nutzer von Libra die größten Vorteile ziehen. Im Gegensatz zu Bitcoin dürfte das Spekulationsmotiv, d.h. die Hoffnung auf rasche Wertsteigerungen, keine Rolle spielen, schließlich ist der Wert der Libra durch den Wert des zugrunde liegenden Währungskorbes definiert. Dafür könnte das Transaktionsmotiv eine nennenswerte Rolle spielen. Der einfache Zugang über die vorhandenen Plattformen der Libra-Mitglieder, die hohe Transaktionsgeschwindigkeit und -sicherheit sowie die geringen Kosten könnten die Kunden dazu veranlassen, Überweisungen über Libra abzuwickeln.
Wer profitiert von Libra?
Libra wäre...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Da noch unklar ist, wofür Libra primär genutzt wird, ist auch schwer vorherzusagen, woraus die Nutzer von Libra die größten Vorteile ziehen. Im Gegensatz zu Bitcoin dürfte das Spekulationsmotiv, d.h. die Hoffnung auf rasche Wertsteigerungen, keine Rolle spielen, schließlich ist der Wert der Libra durch den Wert des zugrunde liegenden Währungskorbes definiert. Dafür könnte das Transaktionsmotiv eine nennenswerte Rolle spielen. Der einfache Zugang über die vorhandenen Plattformen der Libra-Mitglieder, die hohe Transaktionsgeschwindigkeit und -sicherheit sowie die geringen Kosten könnten die Kunden dazu veranlassen, Überweisungen über Libra abzuwickeln.
Wer profitiert von Libra?
Libra wäre dann lediglich ein Intermediär, der die Transaktionen erleichtert, wie dies – auf andere Art – auch Paypal und einige FinTechs versuchen. Für ein globales Zahlungssystem, das weltweit auch für kleine Transaktionen genutzt wird, könnten die Kapazitäten, die Libra bereithält, auf Dauer knapp bemessen sein. Libra ist auf maximal 1.000 Transaktionen pro Sekunde ausgelegt (vgl. Arnsden et al. 2019).
Visa, das nur einen Teil der Welt bedient und in vielen Ländern (noch) nicht für Mikrozahlungen genutzt wird, erledigt im Durchschnitt 1.700 Transaktionen pro Sekunde; die maximale Kapazität von Visa ist aber noch deutlich höher. Schließlich könnte Libra aber auch Portfoliozwecken dienen. In Ländern mit instabiler Währung und dem Risiko staatlicher Eingriffe könnte Libra dazu genutzt werden, einen Teil des liquiden Vermögens in einer relativ sicheren, stabilen Korbwährung zu halten.
Insbesondere für Schwellen- und Entwicklungsländer mit schwachen finanziellen Infrastrukturen und weichen Währungen drängen sich die Vorteile der Libra auf. Die Libra Association nennt 1,7 Billionen Menschen ohne klassisches Bankkonto als Zielgruppe (vgl. Libra 2019). Diesen Menschen Zugang zum Finanzsystem und zu (internationalen) Überweisungen ohne nennenswerte Transaktionskosten zu ermöglichen, wäre ein weitreichender Schritt in der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Länder. So könnte die Libra in diesen Ländern auch der Startpunkt für die Entwicklung eines alternativen, digitalen Finanzsystems sein.
Auf Basis der Libra könnten neue digitale Finanzplattformen entstehen, die Einlage- und Kreditgeschäfte in Libra anbieten und damit neue Finanzierungsmöglichkeiten für die im Durchschnitt relativ armen Bürger und kleinen Unternehmen erschließen, die sich bis dato nicht oder nur zu horrenden Zinsen Finanzmittel besorgen können. Der Markteintritt solcher Librabasierter Finanzplattformen würde dadurch erleichtert, dass sie auf eine große Nutzerbasis existierender Plattformen der Libra Association zugreifen, regulatorische Lücken ausnützen und Kostenvorteile gegenüber traditionellen Finanzintermediären generieren könnten.
Auch wenn die Libra Association die Vorteile für die Menschheit in den Vordergrund rückt, ist das Engagement der beteiligten Unternehmen natürlich nicht nur altruistisch. Bei erfolgreicher Platzierung des Systems fallen Geldschöpfungsgewinne an, indem die Libra Association als Gegenwert für die Ausgabe unverzinslicher Libra verzinsliche Staatspapiere oder Bankeinlagen akquiriert. In einer Beispielsrechnung mit einer Milliarde Libra-Nutzer, die im Durchschnitt für 1.000 US-Dollar Libra halten, kommt Mayer (2019) trotz der aktuell niedrigen Verzinsungen kurzfristiger Staatsanleihen, mit denen die Kryptowährung unterlegt werden soll, auf einen Geldschöpfungsgewinn von 7,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Profitabel könnte das Projekt aber auch wegen der damit zu gewinnenden Nutzerdaten sein.
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