Ifo-Experte Marcel Thum über Facebooks Libra
Geldordnung in Gefahr
Aktualisiert am 13.03.2020 - 16:51 Uhr
Facebook-Chef Mark Zuckerberg: Sein Plan einer Kryptowährung Libra trifft nicht nur auf Begeisterung
Als Facebook im Juni die Kryptowährung Libra ankündigte, reagierten Poliker weltweit entsetzt. Kein Wunder, schließlich bedroht das Konzept die staatliche Geldordnung. Ifo-Experte Marcel Thum erklärt, wo die größten Herausforderungen liegen.
Denn schließlich werden alle Transaktionen in der Blockchain gespeichert. Zahlungs- und Güterströme lassen sich damit ebenso analysieren wie die Zahlungsmoral von Kunden. Libra könnte zudem den Aufbau eines digitalen Marktplatzes à la Amazon befördern, da sich letztendlich alle Transaktionen eines Libra-Nutzers nachvollziehen lassen (vgl. Dölle 2019).
Wo liegen die Gefahren für die Kunden?
Geld basiert seit jeher auf Vertrauen. Um Vertrauen in die neue Währung sicherzustellen, soll jede Libra fest durch einen Korb etablierter Währungen gedeckt sein, den die Libra Association in der Schweiz verwaltet. Während im Normalfall der Umtausch von Euro in Libra am Devisenmarkt stets gewährleistet...
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Denn schließlich werden alle Transaktionen in der Blockchain gespeichert. Zahlungs- und Güterströme lassen sich damit ebenso analysieren wie die Zahlungsmoral von Kunden. Libra könnte zudem den Aufbau eines digitalen Marktplatzes à la Amazon befördern, da sich letztendlich alle Transaktionen eines Libra-Nutzers nachvollziehen lassen (vgl. Dölle 2019).
Wo liegen die Gefahren für die Kunden?
Geld basiert seit jeher auf Vertrauen. Um Vertrauen in die neue Währung sicherzustellen, soll jede Libra fest durch einen Korb etablierter Währungen gedeckt sein, den die Libra Association in der Schweiz verwaltet. Während im Normalfall der Umtausch von Euro in Libra am Devisenmarkt stets gewährleistet sein sollte, könnte ein Rücktausch in finanziellen Stresssituationen problematisch sein. Bis dato ist kein Einlöseanspruch der Kunden gegen das Libra-Konsortium vorgesehen (vgl. Catalini et al. 2019). Stattdessen sollen Angebot und Nachfrage am Devisenmarkt und die „autorisierten Händler“ des Netzwerks einen Rücktausch sicherstellen.
Das Libra-Konsortium verweist darauf, dass der Wert der Libra durch die quotierte Unterlegung mit etablierten Währungen stets sichergestellt sei, ein Argument, das auch bei Goldstandard oder Currency Boards wie dem Hongkong-Dollar angeführt wird. Trotz dieser mechanischen Wertunterlegung könnten die Geldhalter das Vertrauen in die Werthaltigkeit der Reserven verlieren, etwa wenn (wichtige) Mitglieder des Systems ausfallen oder ein Datenskandal gewahr wird.
In Finanzkrisensituationen hat die Hongkonger Zentralbank bereits häufig intervenieren müssen, um den festen Wechselkurs zum US-Dollar am Markt aufrechtzuerhalten, obwohl der Hongkong-Dollar fest mit US-Dollar unterlegt ist. In ähnlichen Notfällen könnte das Libra-Konsortium – entgegen den eigenen Ankündigungen (vgl. Catalini et al. 2019) – doch Teile seiner Reserven verkaufen, um den Wert der Libra gegenüber dem definierten Währungskorb zu stützen.
Wenn die Investoren nicht fest darauf vertrauen können, dass es nie zu solchen Stützungskäufen kommt, unterläge Libra ähnlichen Risiken wie existierende Festkursregime. Ein massiver Verkauf der Reserven führt zu fallenden Kursen und damit einer Verringerung des Wertes der restlichen Reserven. Um sich vor so einer Abwärtsspirale abzusichern, würden alle Anleger versuchen, sich aus dem Libra zurückzuziehen; das Libra-Regime wäre damit am Ende.
Aber auch wenn es der Libra Association gelingt, solche Stützungskäufe glaubwürdig auszuschießen, bleibt das Problem der Preisschwankungen, denen die Reservegegenstände, insbesondere Staatsanleihen, im Krisenfall unterliegen. Selbst wenn die autorisierten Händler bei einem Run auf die Libra die Reserven der Association in Anspruch nehmen könnten und damit qua Konstruktion ausreichend eintauschbares Vermögen verfügbar wäre, bleibt dem Anleger ein Risiko: Da die Association das Vermögen nicht nur in Geld, sondern auch in geldähnlichen Anlagen wie kurzfristigen Staatspapieren halten will, bestünde – bei großer Verbreitung der Libra – ein Stock-Flow-Problem.
Zwar kann jeder einzelne Nutzer zum herrschenden Marktpreis Libra (und damit die dahinterliegenden kurzfristigen Staatspapiere) in heimische Währung umtauschen. Würde die Libra Association bei einem Run jedoch große Mengen der Staatspapiere auf einen Schlag auf den Markt bringen, würde sie damit deren Preis nach unten drücken.
Am Devisenmarkt könnte Libra für internationale Investoren wegen der diversifizierten Währungsreserven zu einer attraktiven Währung mit relativ geringen Wechselkursschwankungen aufsteigen. Natürlich geht der einheimische Libra-Investor ein Währungsrisiko ein, denn Libra ist nicht nur an den Euro, sondern an eine breiten Währungskorb gekoppelt, in dem eben auch US-Dollar, Yen etc. enthalten sind.
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