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Norbert Betz von der Börse München „Diese typischen Anlegerfehler unterlaufen auch Profis“

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Was wird noch falsch gemacht?

Betz: Anleger trennen sich zu schnell von Gewinneraktien. Sie freuen sich über vielleicht 20 Prozent Gewinn und bekommen dann Angst, diese wieder zu verlieren. Dann verkaufen sie tendenziell das, was gut läuft. Und die lahmen Gäule bleiben im Depot.

Ein Beispiel?

Betz: Wer so wagemutig war und sich im Jahr 2000 eine Amazon-Aktie gekauft hat, besitzt sie heute wahrscheinlich nicht mehr. Denn entweder hat er sie nach der ersten Schwäche verkauft oder spätestens dann, als sie 100 oder 200 Prozent gewonnen hatte. Wenn ein Anleger mit einer Position bereits 20.000 oder sogar 200.000 Euro Gewinn erzielt hat, tendiert er dazu, sie vorschnell wieder zu verkaufen. Es ist sehr selten, dass Anleger durch eine Super-Gewinneraktie richtig reich werden.

Sie erwähnten auch die lahmen Gäule, die zu lange im Depot blieben: Bei schlecht laufenden Aktien hoffen die Anleger doch, dass sie sich noch erholen.

Betz: Häufig ist der Verlust programmiert. Wenn sich das Umfeld der Aktie nicht mehr weiterentwickeln kann, merkt es der Anleger vielleicht erst einige Jahre später. Er hält noch an den Aktien fest, wenn sie 40 oder 60 Prozent verloren haben. Vielleicht kauft er sogar noch mal nach, weil er hofft, dass sie noch einmal zumindest leicht steigen könnten. Dann käme er mit einem blauen Auge davon. Viele Anleger denken: Nur realisierte Verluste sind tatsächliche Verluste.

Aber woran soll ein Anleger festmachen, ob er eine Niete oder den nächsten Börsen-Überflieger im Depot hat?

Betz: Noch mal Amazon: Dass sich diese Aktie so entwickeln wird, wusste anfangs kein Mensch. Man konnte Amazon nie günstig kaufen. Genauso wie Facebook. Analytisch gesehen waren diese Aktien immer viel zu teuer, Anleger haben für ein Investment eine Menge Fantasie gebraucht. Manche waren wagemutig und wurden dafür belohnt. Diesen Wagemut aber auch auf höherem Niveau aufrechtzuerhalten – das tut weder der Durchschnitt der Anleger noch der der Analysten. Zumal die Amazon-Aktie, wenn sie stark steigt, irgendwann vielleicht 40 Prozent des Depots ausmacht. Dann hat der Anleger das Gefühl, alles auf eine Karte zu setzen. Spätestens das nimmt er als Anlass, das Investment zu verkaufen.

Es heißt doch: Nicht alle Eier in einen Korb legen. Wer Anlagen breit streut, hat ein geringeres Risiko. Widersprechen Sie dem Rat?

Betz: Ich würde jedem empfehlen, auf Diversifikation zu setzen. Aber Anleger sollten aufpassen, dass sie Gewinne nicht ständig zu früh vom Tisch nehmen.

Ein konkretes Rezept dagegen?

Betz: Schon kleine Nuancen können helfen, die eigene Rendite zu verbessern. Vielleicht sollte man nicht schon bei 20 Prozent, sondern erst bei einem Plus von 50 Prozent verkaufen. Oder der Anleger verkauft nur ein Viertel oder die Hälfte der Anteile, wenn er  schon einen guten Gewinn sieht. Den Rest lässt er weiterlaufen und hofft, dass es die Apple-Aktie von morgen ist.