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Notenbankpolitik Was kurzfristig hilft, kann langfristig schaden

Brooks Ritchey, Senior Managing Director bei K2 Advisors
Brooks Ritchey, Senior Managing Director bei K2 Advisors
An einem Flussufer bat ein Skorpion einen Frosch, ihn zum anderen Ufer zu bringen. „Nein“, sagte der Frosch, „du wirst mich stechen und töten.“ „Warum sollte ich das tun, dann sterben wir beide“, erwiderte der Skorpion und überzeugte so den Frosch. In der Mitte des Flusses stach er zu. „Warum hast du das getan?“, fragte der Frosch. „Es ist meine Natur, ich kann nicht anders“, antwortete der Skorpion und beide starben.

Wie der Skorpion aus der Fabel falle es auch den Notenbanken schwer, gegen ihre Natur anzukämpfen, meint Brooks Ritchey. Ohne Rücksicht darauf, dass jeder Beweis für die Effizienz ihrer lockeren Geldpolitik fehlt, sind sie gezwungen weiterzumachen. Es ist das einzige Mittel, das sie kennen“, so der Leiter Portfoliokonstruktion bei K2 Advisors. Der Großteil der Notenbanker agiere nach der Theorien des britischen Ökonomen John Maynard Keynes, die hauptsächlich im vergangenen Jahrhundert an den Universitäten gelehrt wurden. Für Keynesianer muss eine deflationäre Depression mit allen Mitteln abgewehrt werden.

Allerdings sind schon in anderen Bereichen des Lebens Bemühungen, ein System zu kontrollieren, nach hinten losgegangen. Laut Ritchey sollten die Notenbanken daher überdenken, ob das konsequente Auslöschen aller deflationären Flammen der richtige Weg ist.

Keynesianismus versus Österreichische Schule

Natürlich gibt es auch Stimmen, die die aktuelle Notenbankpolitik verdammen. Ritchey sieht vor allem zwei Lager, die für beziehungsweise gegen die geldpolitische Lockerung sind: der Keynesianismus und die Österreichische Schule, zu deren Vertretern Ludwig von Mises zählt. Ritchey: „Stark vereinfacht, könnte man die beiden Theorien wie folgt zusammenfassen: Keynesianer argumentieren, dass Entscheidungen der privaten Wirtschaft manchmal zu ineffizienten Ergebnissen führen und die Regierung ab und an über geldpolitische Maßnahmen einschreiten sollte, um die wirtschaftlichen Zyklen in ihrem Verlauf abzumildern. Die Österreichische Schule lässt den Dingen lieber ihren Lauf und argumentiert für ein sehr begrenztes staatliches Einschreiten. Sie glaubt vielmehr, das Zentralbankmanipulationen der Wirtschaftszyklen mit künstlichen Anreizen langfristig eher schädlich als heilend sind.“

Kredite für Konsum statt für Investitionen

Welches ist der richtige Weg? Ritchey sieht die Lösung irgendwo in der Mitte. „Allerdings haben wir uns schon lange von der Mitte entfernt – und zwar auf sehr dramatische Weise durch die Einführung von Negativzinsen“, bedauert der Experte. Die Zentralbanken der Eurozone, von Japan, Schweden, der Schweiz und Dänemark haben sich bereits in den Minuszins-Bereich vorgewagt. „Ich mache mir ernsthafte Sorgen, was die unbeabsichtigten langfristigen Folgen einer solch lockeren Geldpolitik sein könnten.“

Negativzinsen führen zu einem Handeln, das widersprüchlich zu dem erscheint, was vernünftig in normal funktionierenden Märkten wäre. „Im Prinzip wird den Banken gesagt, dass sie so viele Kredite wie möglich vergeben sollen – auch wenn es sich dabei potenziell um faule Kredite handelt. Weigern sich die Banken, werden sie bestraft“, erläutert Ritchey das Dilemma.

Aus Sicht der Vertreter der Österreichischen Schule kann eine Kreditvergabe, die von der Angebotsseite, also dem Bankensystem, geschaffen wird, zwar kurzfristig die Ausgaben erhöhen, langfristig erzeugt sie aber Fehlinvestitionen. „In Europa und den USA wurden bereits in den vergangenen Dekaden immer weniger Kredite für Investitionen genutzt und stattdessen für zusätzlichen Konsum, Importe und Immobilienkäufe verwendet. Das ist eine beunruhigende Entwicklung“, warnt Ritchey.

Geldpolitik verhindert Strukturreformen

Seiner Meinung nach könnte die ultralockere Geldpolitik nötige strukturelle Anpassungen verhindern – egal ob bei Staaten, Banken, Unternehmen oder privaten Haushalten. Zombie-Unternehmen und Staaten würden künstlich am Leben erhalten, und der Finanzsektor werde ermutigt die Ressourcen falsch einzusetzen.

Abgesehen davon, dass sie das Finanzsystem 2008 vor einem systemischen Kollaps bewahrten, haben die Maßnahmen der Notenbanken nach Ritcheys Ansicht für die Wirtschaft bislang nicht viel gebracht: „Weder Europa noch Japan oder die USA haben sich seit 2008 wirtschaftlich deutlich erholt. Japan kämpft immer noch mit Deflationsdruck, Europa scheint am Rande einer neuen Rezession und in den USA kühlt sich die Wirtschaft auch wieder ab.“

Den Keynesianern scheint dies jedoch gleichgültig. Tatsächlich verstärken sie ihre Strategie noch weiter. Es ist wie beim Skorpion: Es ist einfach in ihrer DNA, sie kennen keinen anderen Weg.

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