Der Verkauf der Nürnberger Versicherung an die Vienna Insurance Group (VIG) schreitet weiter voran. Vorstand und der Aufsichtsrat der Nürnberger Beteiligungs-AG empfehlen in einer gemeinsamen Stellungnahme den Aktionären, das Übernahmeangebot anzunehmen. Es liege im Interesse des Unternehmens, ihrer Aktionäre und ihrer Arbeitnehmer. Auch die Mitglieder des Vorstands hätten nach eigenen Angaben ihre persönlich gehaltenen Aktien bereits eingereicht oder beabsichtigen dies zu tun.
Bereits bekannt ist, dass die VIG Anteilseignern des fränkischen Traditionsversicherers 120 Euro je Aktie in bar anbietet. Der Angebotspreis entspricht laut Unternehmensangaben damit einer Prämie von 173 Prozent im Vergleich zum volumengewichteten Dreimonatsdurchschnittskurs im börslichen Xetra-Handel sowie von 154 Prozent gegenüber dem Xetra-Schlusskurs der Nürnberger-Aktie, jeweils vom 13. Mai 2025, dem letzten Handelstag vor Bekanntgabe der strategischen Optionen.
Annahmefrist endet voraussichtlich am 21. November
Eine bei der Investmentbank Park View Partners in Auftrag gegebene „Fairness Opinion“, also eine Stellungnahme eines unabhängigen Sachverständigen, komme zu dem Ergebnis, dass der Angebotspreis aus finanzieller Sicht als angemessen zu bewerten ist. Die Annahmefrist des Erwerbsangebots hat mit der Veröffentlichung der Angebotsunterlage begonnen und endet laut der Nürnberger voraussichtlich am 21. November um 24 Uhr.
Das öffentliche Erwerbsangebot steht noch unter dem Vorbehalt der behördlichen Genehmigungen, insbesondere durch Wettbewerbs- und Aufsichtsbehörden. Im Zuge der Transaktion ist zudem geplant, die Nürnberger-Aktien von allen Handelsplätzen zu nehmen, sobald dies gesetzlich möglich ist. Ein separates sogenanntes Delisting-Angebot ist nicht erforderlich, da die Aktien im unregulierten Markt notieren.
Zusammenschlussvereinbarung soll Transformation unterstützen
Nürnberger und VIG hatten am 16. Oktober die Unterzeichnung einer Zusammenschlussvereinbarung bekannt gegeben. In diesem Rahmen hat die VIG erhebliche Investitionen, besonders in die digitale Infrastruktur, zugesichert.
Zudem machten die Österreicher weitreichende Zusagen für die bestehenden Arbeitsplätze und den Standort Nürnberg und verpflichteten sich dazu, die Eigenständigkeit und Identität der Nürnberger zu wahren. So wurde von den Parteien vereinbart, für mindestens drei Jahre nach Vertragsabschluss keinen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag abzuschließen.
Vorstandsvorsitzender Rosenberger sehr zufrieden
Im Interview mit dem Fachportal „Asscompact“ zeigt sich Harald Rosenberger, Vorstandsvorsitzender der Nürnberger, zufrieden mit der gefundenen Lösung. „Zuallererst freue ich mich, dass wir in der VIG einen aus unserer Sicht wirklich idealen strategischen Partner gefunden haben“, sagt er.
Der Preis für die Aktionäre sei „ein äußerst attraktives Erwerbsangebot“, so Rosenberger. Es ermögliche den Aktionären, ihre Anteile mit einer „herausragenden Prämie zu veräußern und sich einen wesentlichen Teil der erwarteten Wertsteigerung sofort zu sichern.“
Beschleunigte Transformation
Grundsätzliches Ziel sei gewesen, einen Mehrheitsinvestor zu finden, „der die Transformation zum Präventionsversicherer unterstützt und uns gleichzeitig Stabilität gibt, um unsere Eigenständigkeit dauerhaft zu sichern und unsere Marktposition in Deutschland auszubauen.“
In der internationalen Versicherungsgruppe bringe man Expertise im Einkommensschutz und Vertriebsstärke ein und profitiere von Skalierungspotenzialen und Synergien. Gleichzeitig sichere die VIG notwendige Investitionen und Finanzierungsgarantien zu. Rosenberger: „Das wird unsere Transformation beschleunigen und uns schneller machen in der Produktentwicklung und bei der Digitalisierung von Prozessen.“
Kritik an Nürnberger-Chef wird nicht thematisiert
Zur scharfen Kritik des aktivistischen Investors 7 Square, die sich auch auf Rosenberger selbst bezog, weil er angeblich aus Eigeninteresse die VIG im Bieterverfahren bevorzugt habe, sagt der Unternehmenschef: „Die Tatsache, dass die VIG sich nach ihren Aussagen bereits vor Veröffentlichung des Angebotes mehr als 90 Prozent der Anteile gesichert hat, spricht für sich.“ Kritische Nachfragen bleiben zu diesem Thema im Interview aus. Stattdessen verweist Rosenberger auf die nach seiner Aussage überwältigend positiven Reaktionen zur Übernahme aus dem Vertrieb.
Auch von einem Kulturschock will Rosenberger nichts wissen. Die Transformation ziele auf eine Weiterentwicklung der Unternehmenskultur ab. Die eigene „Performance-Kultur“ sei der leistungsorientierten Unternehmenskultur der VIG sehr ähnlich. Führungskräfte und Mitarbeiter sähen die Vorteile der Partnerschaft zum Erhalt von Marke, Standort, Identität und Eigenständigkeit, was hohe Zustimmungswerte in einer internen Umfrage bestätigt hätten. „Es ist ein logischer nächster Schritt auf unserem Weg und diese Sicherheit gibt Vermittlern und Belegschaft Rückenwind.“
Erhebliche IT-Investitionen erforderlich
Die Probleme im Bereich der IT der Nürnberger räumt Rosenberger zumindest bedingt ein. Man stehe vor der Herausforderung, die historisch gewachsene IT-Landschaft zu modernisieren, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Durch die VIG-Übernahme werde man die Modernisierung der IT erheblich beschleunigen können. Hierzu zu auch ein Großprojekt geplant
„Dabei profitieren wir zum einen von den Investitionszusagen der VIG, zum anderen aber auch von der Expertise und dem Know-how der Gruppe“, so Rosenberger im Interview.
Die Nürnberger habe aber bereits in den vergangenen Jahren große Fortschritte bei der Stabilität unserer IT-Systeme erzielt. „Insbesondere im Bereich der Cybersecurity sind wir heute sehr gut aufgestellt und erfüllen höchste Sicherheitsstandards.“
Wachstum im Sachgeschäft wieder ab 2027
Zu den bekannten Problemen im Sachgeschäft räumt Rosenberger im Gespräch Fehler ein. Ambitionierte Wachstumsziele hätten zusammen mit unerwarteter Inflation sowie Großschäden und Naturkatastrophen zu hohen Verlusten insbesondere 2024 geführt. „Das darf und das wird uns nicht mehr passieren.“
Man habe den Bestand konsequent restrukturiert, sich aus Sparten wie dem internationalen Transportgeschäft zurückgezogen und Prämien erheblich angepasst. Analysetools würden nun helfen, die Portfolien nachhaltig zu steuern. „Durch diese Investition in Produktmanagement und Underwriting-Exzellenz können wir inzwischen viel schneller auf Markttrends reagieren und sind heute bereits wesentlich widerstandsfähiger“, so der Konzernchef.
Die meisten Vertriebspartner hätten die Maßnahmen „trotz der schmerzhaften Einschnitte“ unterstützt. Die Sanierung und die Investitionen in diesem Bereich seien jedoch noch nicht abgeschlossen. Ziel sei es, spätestens ab 2027 auch im Schaden- und Unfallsegment wieder nachhaltig und profitabel zu wachsen.
Fragwürdige Quelle als Beleg für die Arbeitgeberattraktivität
Abwanderungen von Mitarbeitern im Zuge des angekündigten Restrukturierungsprogramms befürchtet Rosenberger demnach nicht. Vielmehr böte die Partnerschaft mit der VIG den Mitarbeitern Vorteile und mache das Unternehmen als Arbeitgeber sogar noch attraktiver.
Dabei verweist Rosenberger auf eine Studie der Ratingagentur Servicevalue und der Tageszeitung „Die Welt“. Demnach gehöre man zu den attraktivsten Arbeitgebern der Branche. Tatsächlich sind die Methoden der Studie hochumstritten und die Ergebnisse wenig aussagekräftig, kommen andere Untersuchungen von Servicevalue im gleichen Jahr zur Arbeitgeberattraktivität doch zu völlig anderen Ergebnissen.

