Ökonom vom IW
Deutsche schätzen ihre Einkommensposition falsch ein
Aktualisiert am 17.03.2020 - 15:43 Uhr
Maximilian Stockhausen ist Ökonom für Verteilung beim Institut der deutschen Wirtschaft. Foto: IW
Viele Deutsche unterschätzen ihre Einkommensposition in der Gesellschaft. Wer als Single monatlich 3.440 Euro netto verdient, zählt zu den einkommensstärksten 10 Prozent der Gesellschaft.
Ein Paar ohne Kinder – hierzu gehören auch Paarhaushalte, aus denen die Kinder bereits ausgezogen sind – zählte somit im Jahr 2016 bereits mit einem gemeinsamen Haushaltsnettoeinkommen von knapp 5.160 Euro zu den reichsten 10 Prozent Deutschlands. Umgerechnet auf den Bedarf eines Alleinlebenden teilte ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.869 Euro die Bevölkerung genau in zwei Hälften – 50 Prozent der Bundesbürger hatten ein höheres Einkommen, 50 Prozent ein niedrigeres Einkommen (sogenanntes Medianeinkommen). Werden einzelne sozioökonomische Teilgruppen der Gesellschaft betrachtet, können die teilgruppenspezifischen Medianeinkommen deutlich anders aussehen. Möchten sich beispielsweise...
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Werden einzelne sozioökonomische Teilgruppen der Gesellschaft betrachtet, können die teilgruppenspezifischen Medianeinkommen deutlich anders aussehen. Möchten sich beispielsweise Akademiker mit der Einkommenssituation anderer Akademiker vergleichen, müssen sie als Alleinlebende bereits ein Einkommen von 2.541 Euro zur Verfügung haben, damit sie genau in der Mitte der Gruppe der Hochschulabsolventen landen. Mit Blick auf die Gesamtbevölkerung lagen im Jahr 2016 mit diesem Einkommen beinahe drei Viertel (74 Prozent) der Bundesbürger unterhalb dieses Einkommens.
Um zu ermitteln, wie viel Prozent der Bevölkerung oder welcher Anteil einer sozioökonomischen Teilgruppe unterhalb eines bestimmten Einkommensschwellenwerts liegen, wird die Bevölkerung zunächst der Einkommenshöhe nach in 100 gleich große Einkommensgruppen sortiert – sogenannte Perzentile. Wenn man beispielsweise zur ärmeren Hälfte des reichsten Perzentils zählt, dann sind weniger als 99,5 Prozent der Bevölkerung ärmer als man selbst, etwas mehr als 0.5 Prozent reicher. Das Medianeinkommen eines Perzentils ist somit entscheidend für die Zuordnung: Bei Zugehörigkeit zur ärmeren Hälfte eines Perzentils wird abgerundet (99 Prozent sind ärmer), bei Zugehörigkeit zur reicheren Hälfte wird aufgerundet (ein Prozent ist reicher). Mittels der Medianeinkommen aller 100 Perzentile lässt sich so für jede Einkommensbandbreite ermitteln, wie viel Prozent der Bevölkerung reicher und wie viel Prozent der Bevölkerung ärmer sind.
Um die verschiedenen Häufigkeitsverteilungen auch grafisch zu illustrieren, werden sowohl die Gesamtbevölkerung als auch die jeweiligen Teilgruppen zunächst in 400-Euro-Intervalle aufgeteilt. Ab 6.000 Euro wird die Länge der Grafik durch breitere Einkommensintervalle begrenzt (6.000 bis 7.000 Euro, 7.000 Euro und mehr). Ähnlich wie bei der Schätzung einer Kerndichtefunktion wird dann die diskrete Verteilung der Einkommen mittels einer Kurve geglättet und in eine gleichmäßige, stetige Verteilung transformiert. Während sich die Anteile der Bevölkerung in den 400-Euro-Einkommensbandbreiten einfach in Prozent ausdrücken lassen, steht bei der Dichtefunktion die Fläche unterhalb der Kurve im Vordergrund und gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der eine bestimmte Einkommenshöhe beobachtet wird.
Akademische Bildung erhöht Chancen auf höheres Gehalt
Wie aus der Abbildung deutlich hervorgeht, bietet eine akademische Ausbildung hohe Chancen, die oberen Bereiche der Einkommensverteilung zu erreichen. Umgekehrt verhält es sich entsprechend, wenn Personen keinen Bildungs- und Berufsabschluss haben: Auch wenn Menschen ohne Abschluss in ihrer bildungsspezifischen Vergleichsgruppe eine mittlere Einkommensposition einnehmen, sortieren sie sich nur knapp oberhalb des ärmsten Viertels der Bevölkerung ein.
Bei anderen sozioökonomischen Teilgruppen zeigen sich ähnliche Unterschiede. Mit einem mittleren Einkommen in der Gruppe der Allereinziehenden (1.309 Euro), zählt man in der Gesamtbevölkerung zu dem einkommensärmsten Viertel der Bevölkerung. Mit Blick auf andere sozioökonomische Charakteristika sind die Unterschiede teilweise gering. Das Medianeinkommen innerhalb der Gruppe der Frauen liegt beispielsweise mit 1.828 Euro etwa 90 Euro unterhalb des Medianein-kommens der Männer; die Verteilungen von Männern und Frauen sind dabei tendenziell ähnlich. Nimmt eine Frau in ihrer Peer-Group eine mittlere Position ein, sind rund 55 Prozent der Männer reicher. Bei den Einordnungen ist zu beachten, dass es sich nicht um individuelle Bruttoarbeitseinkommen handelt, sondern um bedarfsgewichtete Haushaltseinkommen – die Einflüsse einzelner sozioökonomischer Charakteristika können somit durch den Haushaltskontext abgeschwächt werden.
Das Medianeinkommen in städtischen Regionen liegt zwar 116 Euro oberhalb des Medianeinkommens ländlicher Räume. Bei dem Unterschied gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass in der Betrachtung keine regio-nalen Preisunterschiede berücksichtigt werden. Dies ist ebenfalls bei einem Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland zu beachten. Zählt man mit einem Einkommen über 2.839 Euro in Ostdeutschland zu den Top-10-Prozent, so gehört man in Westdeutschland nur zu den Top 20 Prozent. Deutliche Unterschiede bestehen ebenfalls zwischen Mietern und Eigentümern: Während das Medianeinkommen der Mieter bei 1.493 Euro liegt, beträgt derselbe Wert 2.252 Euro bei den Eigentümern. Ein Unterschied von 759 Euro im Monat. Wer in selbstgenutztem Eigentum lebt, hat somit eine hohe Wahrscheinlichkeit, sich eher im oberen Einkommensbereich einzusortieren.
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