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Ökonomen-Diskurs Was ist der Auslöser der nächsten großen Rezession?

Fast jeder stimmt zum jetzigen Zeitpunkt zu, dass die Große Depression von 2007 bis 2009 durch das Finanzsystem verursacht wurde. Es lässt allerdings die Frage offen, was genau in einem Finanzsystem vor sich geht, um eine Wirtschaft zum Absturz zu bringen. Formale Wirtschaftsmodelle für finanzielle Schocks sind nicht sehr realistisch. Sie unterstellen gewöhnlich, dass der Schaden von Störungen im Bankensystem kommt, die wie ein Versorgungsengpass wirken, der die wirtschaftliche Aktivität abwürgt. Doch die Große Rezession und ähnliche Vorfälle ähneln vielmehr Nachfrageschocks, mit niedriger Inflation und einer Menge ungenutzter Kapazitäten.

Also fragen sich die Ökonomen, welche Art von Finanzkatastrophen die stärksten Auswirkungen auf die Nachfrage haben. Grob gesagt gibt es zwei Antworten: Vermögenseffekte und Schuldenüberhang. Die Wohlstandseffekt-Schule beansprucht, dass sich Menschen plötzlich ärmer fühlen, wenn Vermögensblasen platzen. Das sorgt dafür, dass sie ihre Ausgaben zügeln, was die Nachfrage auf Talfahrt schickt. Die Anhänger der Schuldenüberhang-Schule sind derweil der Ansicht, dass Menschen plötzlichen Veränderungen bei der Bereitschaft zum Schuldenaufbau unterworfen sind - sobald sie in den Modus der Sanierung ihrer Finanzlage eintreten, tätigen sie keine Ausgaben mehr.

Eine Politisierung der Auseinandersetzung zwischen den beiden Denkschulen hat glücklicherweise (noch) nicht stattgefunden. Dabei hat der Streit wichtige politische Auswirkungen. Wenn die Wohlstandseffekte der große Übeltäter sind, würde der Eindämmung von Vermögenspreisblasen eine zentrale Bedeutung zukommen, um Rezession zu verhindern. Ist die Verschuldung der Schuldige, wäre es entscheidend, eine so starke Kreditaufnahme der Haushalte zu unterbinden.

Der Hauptbeleg für die Bedeutung des Schuldenüberhangs fußt auf der Beobachtung, dass das Platzen von Blasen, die eine Menge Fremdfinanzierungen involvieren, den größten Schaden anzurichten scheint. Das wurde von den Ökonomen Oscar Jorda, Moritz Schularick und Alan Taylor bestätigt - so weit historische Muster tatsächlich bestätigt werden können. Es würde erklären, warum die Rezession nach dem Börsencrash 2000 so viel milder ausgefallen war als das Gemetzel nach 2008: obwohl die Papiervermögen in beiden Fällen ähnliche Verluste aufwiesen, waren im letzteren viel mehr Finanzierungen im Spiel. Paul Krugman stimmt dieser Interpretation der Geschichte beispielsweise zu. Es ist auch das Konzept der Bilanzrezession, der Nomura-Ökonom Richard Koo zu Popularität verhalf.

Andere vertreten eine unterschiedliche Meinung

Dem Gründer der Denkfabrik Center for Economic and Policy Research Dean Baker zufolge war der Vermögensverfall viel wichtiger als der Schuldenaufbau. Er führt den Unterschied zwischen 2000 und 2008 auf die Tatsache zurück, dass im letzteren Fall dem Wohlstand der Mittelklasse einen Schlag versetzte, während im ersteren Fall vor allem die Vermögen der Reichen beeinträchtigt wurden (bei denen Ausgabenkürzungen weniger wahrscheinlich sind, nachdem sie Verluste erlitten haben).

Was sagt die Fachliteratur in dieser Frage von Vermögen gegenüber Schulden? Eine der bekanntesten Studien, die von den Ökonomen Atif Mian, Kamalesh Rao und Amir Sufi verfasst wurde, kam 2013 zu dem Ergebnis, dass der Rückgang des Immobilienvermögens einen stark negativen Einfluss auf den Konsum hatte. Es stellte sich aber auch heraus, dass die Auswirkungen sinkender Vermögen bei höher verschuldeten Haushalten stärker ausfielen.


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