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Mathias Pianowski von Ökoworld „Transformation wird von Investoren meistens als Ausrede benutzt“

Mathias Pianowski leitet gemeinsam mit Verena Kienel die Abteilung Nachhaltigkeits-Research der Ökoworld.
Mathias Pianowski leitet gemeinsam mit Verena Kienel die Abteilung Nachhaltigkeits-Research der Ökoworld. | Foto: Ökoworld

Seit 1995 hat Ökoworld einen festen Platz in der deutschen Fondsbranche. Das Unternehmen ist bekannt für seinen nachhaltigen Investmentansatz und gilt als einer der Pioniere im Bereich Öko-Investments. Verknüpft wurde das Unternehmen lange Zeit mit Gründer Alfred Platow, der jedoch vergangene Woche von seinen Aufgaben als Vorstandsvorsitzender entbunden und vor die eigene Tür gesetzt wurde. Künftig soll eine neue Generation die Führung von Ökoworld übernehmen: Platows Aufgaben werden auf Katrin Hammerich, Andrea Machost und Torsten Müller verteilt, die alle bereits dem Vorstand beziehungsweise dem Unternehmen angehören.

Es war nicht die einzige personelle Veränderung in diesem Jahr. Seit Jahresanfang leitet Mathias Pianowski gemeinsam mit Verena Kienel das Nachhaltigkeitsresearch der börsennotierten ESG-Fondsboutique, die insgesamt mehr als 3,2 Milliarden Euro verwaltet. Ein Gespräch über die Herausforderungen des Investmentprozesses, die zuletzt maue Fonds-Performance, Probleme mit der Offenlegungsverordnung und die Frage, wer in Sachen Nachhaltigkeit eigentlich am längeren Hebel sitzt - die Finanzbranche oder die Politik.

DAS INVESTMENT: Herr Pianowski, Nachhaltigkeit ist in der Finanzbranche das Buzzword der Stunde. Alle sprechen darüber, doch jeder scheint etwas anderes darunter zu verstehen. Wie definieren Sie den Kern von Nachhaltigkeit?

Mathias Pianowski: Die meisten wollen Nachhaltigkeit inhaltlich gar nicht verstehen oder nachvollziehen oder gar konsequent leben, sondern malen sich irgendein Konzept, das zum Geschäftsmodell, oder eben diesem „Buzzword“, wie Sie es bezeichnen, passt. Man lebt den Trend der Nachhaltigkeit dann eher als Trend an der Oberfläche. Denn dann muss man nicht zugeben, dass man beteiligt ist an der Zerstörung unserer Zukunft. Das Prinzip ist aber einfach: Wir müssten ökologisch so wirtschaften, dass wir die Ökosysteme unserer Erde erhalten, konkret die neun planetaren Grenzen. Derzeit reißen wir sie aber alle und riskieren damit, dass sich das System nicht mehr regenerieren kann. Zum anderen müssen die Menschenrechte eingehalten werden. Dieser Ansatz ist der Mindeststandard. Ehrlicherweise müssten wir noch mehr tun und Naturkapital wieder aufbauen. Doch die Realität sieht anders aus. So, wie wir derzeit leben, brauchen wir drei Erden.

Planetare Grenzen sind für den Einzelnen doch abstrakt und schwer zu überblicken.

Pianowski: Eigentlich nicht. Es geht um lebenswichtige globale Systeme, die bald nicht mehr funktionieren. Wie Klima, Wasserhaushalt, Nährstoffkreisläufe. Wir Menschen bringen künstliche Dinge in die Natur ein, die uns letztlich ernsthaft krank machen. Wie Mikroplastik oder Ewigkeitschemikalien, die nicht abgebaut werden. Die Ressourcen und Aufnahmekapazitäten auf unserer Erde sind beschränkt, also müssen sie sinnvoll eingesetzt beziehungsweise verwendet werden, vor allem von Unternehmen. Unter diesen Aspekten analysieren wir bei Ökoworld jedes Unternehmen im Detail.

 

Machen wir es konkret an einem einzelnen Unternehmen fest, etwa dem Handelskonzern Metro. Der betreibt mehr als 660 Märkte in 30 Ländern, die meisten davon in Deutschland. Es ist eines der umsatzstärksten Familienunternehmen Deutschlands und hat eine eigene ESG-Strategie. Ist das für Ökoworld damit ein Investment oder nicht?

Pianowski: ESG hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Aber um auf Ihre Frage zu antworten: Ich möchte Metro gar nicht kritisieren. Für uns von Ökoworld ist deren Geschäft zu komplex und alleine dadurch nicht investierbar – die können gar nicht alles richtig machen. Man müsste bei jedem einzelnen Produkt bis ins Detail wissen, ob es ökologisch und ethisch-sozial hergestellt wird. Bis hin zu den Lieferketten und diese sind ein Graus auf dieser Welt. Man denke nur an Produkte wie Kaffee oder Kakao und an die entsprechenden ökologischen Auswirkungen sowie an die sozialen und ethischen Aspekte mit Blick auf die Arbeitsbedingungen und Menschenrechte.

Ein Unternehmen muss allerdings auch den Bedürfnissen des Marktes entsprechen, um Geld zu verdienen.

Pianowski: Klar. Aber das kann doch nicht das Argument sein, so weiterzumachen. Dann muss man eben die Regeln ändern und zwar für alle gleich. Sonst ist der Gute der Dumme und scheidet aus dem Markt aus. Für diese Erkenntnis gab es vor zwanzig Jahren mal einen Nobelpreis für Akerlof für seine Arbeiten über das Verhältnis von Information und Märkten. Schauen Sie: Es gibt mehr als 90.000 börsennotierte Unternehmen auf dieser Welt. Im Fonds Ökoworld Ökovision Classic sind lediglich etwas mehr als 400 freigegeben, weil sie für uns okay sind. Die anderen nicht. Hört sich dieses Verhältnis für Sie beruhigend an? Du kannst Kosten als Unternehmen eben massiv auf die Gesellschaft auslagern. Das ist das Problem.

Mitbewerber von Ihnen wählen mitunter einen anderen Ansatz und versuchen, die Unternehmen hin zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell zu begleiten. Wie stehen Sie dazu, in Transformationsunternehmen zu investieren?

Pianowski: Es gibt bewundernswerte große Unternehmen, die sich aus dem Mainstream heraus zu ethisch-ökologischen Unternehmen entwickeln. Wir sprechen auf unseren Unternehmensreisen nicht nur mit Unternehmen aus unseren Universen, sondern auch mit interessanten neuen Kandidaten. Ich bin oft tief beeindruckt von den Menschen, die solche Entwicklungen in Unternehmen mit viel Fachkenntnis, Herzblut und Energie vorantreiben. Auch wenn ich Bioläden mag: Aber einen Tanker ethisch-ökologisch zu drehen hat viel Impact. Wir als Ökoworld haben allerdings strenge Ausschlusskriterien, die von Transformationsunternehmen befristet noch gerissen werden, was dazu führt, dass wir diese nicht in unsere Anlageuniversen aufnehmen können. Deshalb sind wir hier vorsichtig. Es ist schwer, so etwas bei unseren Stakeholdern zu vermitteln. Aber umso mehr Geld wir einsammeln, umso dringender müssen wir darüber nachdenken. Das Konzept muss dann aber streng nach Ökoworld-Style, also echt nachhaltig und damit einzigartig sein und vermittelbar. Denn meistens wird Transformation heute auch als Ausrede von Investoren benutzt.

 

Sie sagten vorhin beiläufig, ESG sei keine echte Nachhaltigkeit. In der Branche wird unterschieden zwischen Artikel-8- und Artikel-9-Fonds. Doch nach wie vor fehlt ein einheitliches, allumfassendes Regelwerk. Wie stehen Sie zur Offenlegungsverordnung?

Pianowski: Die ist gut gemeint, aber schlecht gemacht. Die einheitlichen Standards wurden eingeführt, um Greenwashing einzudämmen. Doch die Umsetzung ist am Thema vorbei. Mit der Taxonomie-Quote beispielsweise wird eine Genauigkeit suggeriert, die es nicht gibt. Man kann natürlich seine Machete stundenlang wetzen, um sich eine Schneise durch den Dschungel zu schlagen. Aber wenn man im falschen Dschungel ist, bringt das ja auch nichts. 

Wie meinen Sie das konkret?

Pianowski: Unserer Meinung nach leisten Unternehmen mit guten Produkten und indirekten Effekten, beispielsweise im Bereich Landwirtschaft, viel für den Klimaschutz. Diese Effekte werden in der Taxonomie jedoch nicht berücksichtigt. Dort findet man vornehmlich plakative Geschäftsfelder wie Windräder, um es mal überspitzt auszudrücken. Kleinere Unternehmen in den Emerging Markets, die noch keine Kapazitäten für umfangreiche Nachhaltigkeitsberichte haben, fallen ebenso hinten herunter.

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Die Performance der Ökoworld-Fonds ließ im letzten Jahr zu wünschen übrig. Und auch dieses Jahr ist der Zuwachs verglichen mit anderen nachhaltigen Fonds überschaubar.  

Pianowski: Da werden die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen verglichen. Ich habe schon Nachhaltigkeitsfonds von großen Anbietern unter die Lupe genommen, da waren bei den Top-10-Positionen alle zehn Unternehmen bei uns ausgeschlossen. In der Regel sind es 5 bis 6. Es gibt eben unterschiedliche Auffassungen.

Wenn wir über Schwellenländer reden, dann reden wir auch über seltene Erden, Lithium oder Kobalt. Die werden häufig unter schwierigen Bedingungen gefördert. Zugleich brauchen wir diese Rohstoffe für die große Wende hin zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft. Wie gehen Sie mit diesem Konflikt bei der Ökoworld um?

Pianowski: Es wird immer neue Technologien geben, bald mehr marktreife kobalt- und lithiumfreie Batterien zum Beispiel. Kritische Rohstoffe werden allerdings immer benötigt werden. Denn der Individualverkehr beispielsweise muss elektrisch sein, wenn Fahrräder, ÖPNV und Schiene für Strecken nicht in Frage kommen. Wenn wir das nicht schaffen, ist der Schaden weit größer, gerade auch für die ärmsten Menschen auf dieser Welt, die sich nicht ausreichend schützen können vor den Auswirkungen des Klimawandels. Wir müssen allerdings unbedingt managen, dass wir zur Vermeidung des globalen Schadens Menschen in Teilen der Welt für uns heute leiden lassen. Den Konflikt darf man nicht kleinreden, sondern muss ihn bearbeiten. Negative lokale Effekte herkömmlicher, etwa fossiler Lösungen werden aber auch kleingeredet. Genauso wie das Verlagern unseres CO2 Ausstoßes durch ausgelagerte Produktionen auf die verlängerte Werkbank, deren Produkte wir dann wieder importieren.

Das heißt, Sie investieren nicht in Rohstoffe?

Pianowski: Grundsätzlich nicht. Derzeit in einen Lithium-Hersteller, von dem wir überzeugt sind. Das kann sich aber auch wieder ändern, wenn der beste Stand der ökologischen Technik sich ändert und das Unternehmen nicht mitzieht.

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