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Wachtendorf-Kolumne Öl 2.900 Dollar, Gold 34.000 Dollar, Bitcoin null?

Von in Kommentare der RedaktionLesedauer: 4 Minuten
DAS-INVESTMENT-Kolumnist Egon Wachtendorf
Vergleicht die Kapitalmarkt-Situation in den 70er Jahren mit heute: DAS-INVESTMENT-Kolumnist Egon Wachtendorf | Foto: DAS INVESTMENT

Wer erinnert sich noch an die 70er Jahre? Klar, Plateau-Schuhe, Rüschenhemden, Marianne Rosenberg und Abba sowie für die Hard 'n' Heavy-Fraktion das Viergestirn Led Zeppelin, Deep Purple, Black Sabbath und Uriah Heep. Aber wirtschaftlich? Glaubt man jenen Kommentatoren, die sich angesichts der aktuellen Gemengelage an den Kapitalmärkten ein Stück weit in diese Zeit zurückversetzt fühlen, erscheint ein kurzes Update dringend vonnöten. Begleitet von der Einsicht, dass der inzwischen recht inflationär gebrauchte Begriff „Zeitenwende“ auch hier greift.

Das Stichwort „Inflation“ markiert dabei in der Betrachtung nur den Anfang. Eine Sieben vor dem Komma beim Preisauftrieb, das gab es vor 2022 hierzulande zuletzt im Winter 1973/74. Damals drehten die Opec-Länder dem Westen den Ölhahn zu, gleichzeitig drohte im Nahen Osten der Jom-Kippur-Krieg zu eskalieren. Energie blieb bis ins nächste Jahrzehnt hinein ein knappes Gut: Zwischen 1970 und 1982 stieg der Rohölpreis von 1,20 auf 35 US-Dollar je Barrel. Auch Gold ging durch die Decke und legte binnen eines Jahrzehnts um das Zwanzigfache zu.

An den Aktienbörsen wiederum herrschte Tristesse. Als größte Belastung erwies sich die Stagflation – jener fatale Mix aus Inflation und stagnierendem Wachstum, dem sich lediglich wenige Unternehmen entziehen konnten. Mit am schlimmsten traf es jene als „Nifty Fifty“ gefeierten US-Konzerne, deren Perspektiven Analysten zuvor in den rosigsten Farben ausgemalt hatten. Zwar gab es an der Wall Street nach kräftigen Einbrüchen immer wieder spektakuläre Erholungen. Letztlich notierte jedoch der marktbreite S&P-500-Index Ende 1979 mit 107,94 Punkten nur unwesentlich höher als Ende 1968 (103,86 Punkte). Der Rentenmarkt bot in dieser Phase ebenfalls keinen Schutz, im Gegenteil: In der zweiten Hälfte der 70er Jahre verloren Anleger angesichts der rasant steigenden Zinsen mit langlaufenden Anleihen viel Geld.

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Schießt Öl jetzt also auf 2.900 Dollar und Gold auf 34.000 Dollar? Stehen Aktionären von Amazon (minus 37 Prozent seit Mitte 2021), Facebook (minus 51 Prozent) oder Netflix (minus 64 Prozent) in den kommenden Jahren noch weit höhere Verluste bevor? Derart simpel lassen sich die damaligen Entwicklungen natürlich nicht in die Zukunft hochrechnen. Gleichwohl sollte die ein oder andere Kurs-Kapriole, die noch vor einem Jahr undenkbar schien, aufhorchen lassen. Wer hätte etwa erwartet, dass eine mit der zweithöchsten Note AA+ geratete Staatsanleihe innerhalb von 18 Monaten 70 Prozent an Wert verliert? So geschehen mit einem bis Juni 2120 laufenden Papier der Republik Österreich, das von 139 Euro auf 40 Euro abstürzte. Auf der anderen Seite haben sich diverse Energie-Dienstleister wie Nextier Oilfield Solutions oder RPC im ersten Halbjahr 2022 zwischenzeitlich mehr als verdreifacht. Keiner dieser Trends muss sich zwingend fortsetzen. Der womöglich wichtigste Merksatz für Anleger in den kommenden Jahren lautet jedoch: Nach einer Zeitenwende sind es nur äußerst selten die alten Favoriten, die den neuen Aufschwung anführen.

Bleibt die Frage, wie sich künftig Krypto-Währungen schlagen, die es in den 70er Jahren noch nicht gab. Die Einschätzung hängt im Wesentlichen davon ab, ob man diesem Depotbaustein nun grundsätzlich positiv oder negativ gegenübersteht. Skeptiker wie Warren Buffett dürften Parallelen sehen zu den damals zahlreich aufkommenden, meist als Totalverlust endenden Penny Stocks aus dem Explorations-Sektor. Einem Optimisten kommen vielleicht eher Indexfonds in den Sinn, die rückblickend betrachtet erfolgreichste Finanzinnovation jener Dekade. Wer zur zweiten Gruppe tendiert, dem wünsche ich vor allem eines: starke Nerven.

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