


Bislang werden die Immobilien in offenen Immobilienfonds in der Regel quartalsweise bewertet. Diese Praxis steht jedoch auf dem Prüfstand. Im Februar hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth geurteilt, dass für eine niedrige Risikoeinstufung in Klasse „2“ oder „3“ mindestens eine monatliche Bewertung der Vermögenswerte im Fonds nötig sei. Das Urteil, das sich auf den Uniimmo Wohnen ZBI von Union Investment bezieht, ist noch nicht rechtskräftig – sorgt allerdings in der Branche für Unsicherheit.
Mit Wohnselect stellt nun der erste Fondsanbieter ab dem 1. Juli 2025 auf eine monatliche Bewertung um. Die Anpassung betrifft den 332 Millionen schweren Wertgrund Wohnselect, der hauptsächlich in Wohnhäuser in deutschen Städten investiert. Damit erfülle Wertgrund „auf freiwilliger Basis die vom Gericht aufgestellten Forderungen und schafft damit bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Klärung der aktuellen Frage eine rechtssichere Basis zur Fortführung der bisherigen Praxis der Risikoklassifizierung“, wie es in einer Pressemitteilung des Anbieters heißt.
„Durch die Anpassung des Bewertungsrhythmus gewährleisten wir Stabilität sowie ein Höchstmaß an Transparenz“, erklärt Marcus Kemmner, Geschäftsführer der Wohnselect Kapitalverwaltungsgesellschaft und Manager des Fonds. Der präventive Schritt schaffe die Voraussetzung für die „Fortführung der Vertriebsbemühungen unserer Partnerinnen und Partner“.
Monatliche Bewertung nutzt dem Anleger wenig?
Wird die Entscheidung von Wohnselect zum Präzedenzfall? Andere Anbieter offener Immobilienfonds äußern sich zurückhaltend. „Natürlich erhöhen sich durch die häufigeren Bewertungen auch die Fondskosten“, sagt Michael Denk, Geschäftsführer der auf Immobilien und erneuerbare Energien spezialisierten Investmentboutique Quadoro. Eine sorgfältige Abwägung der Sinnhaftigkeit und des tatsächlichen Nutzens für die Anleger sei daher unerlässlich.
Bei gravierenden Änderungen im Portfolio gebe es so oder so eine Anpassung: „Wenn es einen Anlass gibt für eine Neubewertung, zum Beispiel weil ein Mieter rausgeht, müssen die Immobilien von Gesetzes wegen ohnehin neu bewertet werden.“ An der Bewertungspraxis des offenen Immobilienfonds Quadoro Sustainable Real Estate Europe Private, der auch Privatanlegern offensteht, wird sich daher erst einmal nichts ändern.
Skeptisch äußern sich auch die großen deutschen Fondshäuser. „Die genannte Rechtstreitigkeit betrifft ausschließlich den Fonds Uniimmo Wohnen ZBI und es gibt kein rechtskräftiges Urteil“, teilt die Commerbank-Tochter Commerz Real mit, die mit dem knapp 16 Milliarden schweren Hausinvest einen der größten Fonds der Branche stellt. Das Unternehmen werde die Entwicklung in diesem Fall – im engen Austausch mit dem BVI und der Bafin – genau verfolgen und „zu gegebener Zeit“ über das weitere Vorgehen entscheiden.
„Das Verfahren zur Bestimmung des Risikoindikators ist europaweit standardisiert, genau vorgegeben und wird von uns so angewendet“, so ein Sprecher. Der Anteilswert für den Hausinvest werde täglich berechnet. Gemäß Kapitalanlagegesetzbuch seien die Bewertungen innerhalb von drei Monaten zu ermitteln und entsprechend gültig, solange die wesentlichen Bewertungsfaktoren sachgerecht seien. „Sollte nach Auffassung der AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft der zuletzt ermittelte Wert auf Grund von Änderungen wesentlicher Bewertungsfaktoren nicht mehr sachgerecht sein, ist der Wert stets erneut zu ermitteln und anzusetzen“, heißt es weiter. Es gebe keinen Grund, von der bewährten Praxis abzuweichen.
Von Deka Immobilien heißt es: „Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist noch nicht rechtskräftig und hat keine bindende Wirkung für die Deka.“ Das Unternehmen sei überzeugt, dass der Gesamtrisikoindikator der offenen Immobilienfonds – darunter der 18 Milliarden schwere Deka-Immobilien Europa – im Einklang mit den aufsichtsrechtlichen Regelungen ermittelt wurde. „Das aktuell branchenweit verwendete und aufsichtsrechtlich akzeptierte Verfahren wurde nicht von der Deka entwickelt. Dennoch führt es bei unseren Fonds zu Ergebnissen, die mit den tatsächlichen empirischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sehr gut korrespondieren.“
Die offenen Immobilienfonds des Anbieters, die den Schwerpunkt auf gewerbliche Immobilien legen, hätten in der Vergangenheit sowie in der Niedrigzinsphase stets positive Renditen bei geringen Wertschwankungen erwirtschaftet. „Im Jahr 2024 lag die Wertentwicklung bei den großen, etablierten Fonds nach Kosten zwischen 2 und 3 Prozent. Für das Jahr 2025 rechnen wir mit einer ähnlich hohen Wertentwicklung“, so das Unternehmen weiter.
Gesetzgeber sollte Klarheit schaffen
Für Fondsanbieter sei es eine Sache der Abwägung, meint Sonja Knorr, Leiterin des Bereichs alternative Investments bei der Ratingagentur Scope: „Es ist natürlich ein zusätzlicher Kostenfaktor für den Anleger und schmälert ein Stück weit die Rendite, aber – zumindest im Fall von Wertgrund – in einem vertretbaren Umfang.“ Die Analystin sieht den Gesetzgeber in der Pflicht: „Bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, kann es noch Jahre dauern. Daher wäre es sinnvoll, wenn die Regulierungsbehörden Klarheit schaffen würden.“ Die Unsicherheit, wie die europäische Priips-Verordnung anzuwenden ist, betreffe nicht nur offene Immobilienfonds, „sondern alle Private-Markets-Produkte, die außerhalb von Risikoklasse 6 eingestuft werden sollen“.
Zum Hintergrund: Im Streit um die Abwertung des offenen Immobilienfonds Uniimmo Wohnen ZBI hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth im Februar der Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg stattgegeben. Das Gericht bezeichnete die Einstufung des offenen Immobilienfonds als vergleichsweise sicheres Produkt – Risikoklasse „2“ oder „3“ – als falsch und bezog sich auf die europäische Priips-Verordnung, die Regelungen zu Anlageprodukten für Kleinanleger enthält.
Demnach müsste der Nettoinventarwert, also der Anteilspreis auf Basis der Vermögenswerte im Fonds, für eine niedrige Risikokennzahl mindestens monatlich berechnet werden. Union Investment hatte dagegengehalten, dass ein Teil des Vermögens in Geldmarktfonds investiert sei und dort täglich neue Kurse gestellt würden. Das Gericht stellte klar, dass die gewählte Bewertungsmethode zwar kapitalrechtlich zulässig sei, aber eine höhere Einstufung der Risikoklasse zur Folge habe. Union Investment hat Berufung eingelegt. Der Fall geht nun vor das Oberlandesgericht Nürnberg.
Immobilienfonds verzeichnen weiter hohe Abflüsse
Im Vertrieb machen sich die Diskussionen um die Risiken der Fonds jedoch bemerkbar. Nach einem Negativrekord im März 2025 mit Nettoabflüssen von 870 Millionen Euro flossen den neuesten Zahlen von Barkow Consulting zufolge im April nochmals 691 Millionen Euro ab. Insgesamt haben Anleger seit August 2023 netto 9,4 Milliarden Euro aus offenen Immobilienfonds abgezogen. Für die Fondsanteile gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Entwicklungen am Markt schlagen sich daher erst deutlich später in den Fondsabflüssen nieder.