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„Ohne Strukturreformen wäre eine europäische Fiskalunion eine reine Transfergesellschaft“

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Viele Beobachter fordern die Einführung von Euro-Bonds (von den Mitgliedern der Eurozone gemeinsam emittierte und garantierte Anleihen) sowie eine Bankenunion mit gemeinsamer Einlagensicherung als ersten Schritt in Richtung Fiskalunion.

Diese Vorschläge rücken auf der Tagesordnung wieder nach oben, seit sich Frankreich mit der Wahl von François Hollande, zu dessen ersten Maßnahmen trotz Staatschuldenkrise eine Senkung des Renteneintrittsalters zählte, definitiv auf die Seite der südeuropäischen Länder gestellt hat.

Doch könnten die Emission von Euro-Bonds, eine Bankenunion oder sogar eine Fiskalunion die Krise wirklich lösen? An dieser Stelle sei an gewisse Fakten erinnert:
  • Griechenland, Portugal, Spanien und so weiter, werden sich auf absehbare Zeit nicht zu angemessenen Konditionen am Markt refinanzieren können. Privatanleger wissen nicht nur, dass die Verschuldung dieser Länder nicht tragbar ist. Sie wissen auch, dass ihre Rechte im Falle eines Schuldenschnitts hinter denen institutioneller Investoren (zum Beispiel Europäische Zentralbank) rangieren.
  • Der enorme Geldbedarf dieser Länder müsste deshalb entweder direkt über die Europäische Zentralbank (EZB) oder über ein paneuropäisches Institut mit praktisch unbegrenztem Zugang zu EZB-Krediten finanziert werden (zum Beispiel könnte der ESM Bankenstatus erhalten).
  • Realistische Schätzungen zum Finanzbedarf eines solchen Instituts gehen von mindestens 4000 Milliarden Euro aus. Ein erheblicher Teil hiervon wäre von Deutschland zu garantieren. Denn Länder, die Kapital benötigen, können kaum ernsthaft als Garanten dieses Instituts in Betracht gezogen werden. Zum Vergleich: Deutschlands Staatsschulden liegen derzeit bei ca. 1500 Milliarden Euro, das heißt sie könnten sich über Nacht verdoppeln.
  • Südeuropas Länder kämpfen mit drei Problemen, die eng miteinander verbunden sind: der übermäßigen Verschuldung, dem illiquiden Bankensystem und dem zu hohen Außenhandelsdefizit. Der letzte Punkt wird gerne vergessen. Südeuropa ist nicht mehr wettbewerbsfähig. Hieraus entstehen Außenhandelsdefizite und damit ein hoher Bedarf an externem Kapital.

    In der Vergangenheit wäre die Wettbewerbsfähigkeit über die Abwertung der Währung wieder hergestellt geworden. Als Mitglieder der Eurozone ist den Ländern diese Option verwehrt. Es bleibt nur der Weg einer „internen Abwertung“, sprich einer Absenkung des Lohn- und Gehaltsniveaus und einer höheren Arbeitslosigkeit (die vor allem die junge Generation betrifft). An dieser Situation würde weder die Emission von Euro-Bonds noch eine Fiskalunion etwas ändern.
  • Sparprogramme alleine funktionieren nicht. Die negativen Auswirkungen von Sparmaßnahmen auf das Wachstum sind so stark, dass betroffene Länder auf der Einnahmenseite (Steuern) mehr verlieren, als sie auf der Ausgabenseite einsparen (wenn sie wirklich zu Einschnitten bereit sind).

    Anders gesagt: Die Schuldenquote, das heißt der Quotient von Schulden zu Bruttoinlandsprodukt, verbessert sich nicht, sondern verschlechtert sich, denn der Nenner sinkt schneller als der Zähler. Damit schwindet die Schuldendienstfähigkeit dieser Länder.
  • Die bequemste Lösung, auf die neben Südeuropa auch die Finanzmärkte und viele Volkswirte drängen, könnte mittel- bis langfristig katastrophale Folgen haben, vor allem für künftige Generationen. Denn grob gesagt liegt der Kern dieser Lösung in einer Vergemeinschaftung und anschließenden Monetisierung der Schulden der europäischen Länder, indem die Europäische Zentralbank direkt oder indirekt einen Freibrief zum Gelddrucken bekäme.

    Die Krise der Eurozone ist vor allem eine Krise des Wohlfahrtsstaates, dessen Finanzierung sich die Europäer nicht mehr leisten können. Vor diesem Hintergrund hat Bundeskanzlerin Angela Merkel recht, wenn sie diese Lösung ablehnt und von den Peripherieländern weitere Strukturreformen fordert.

    Allerdings steht zu befürchten, dass sie mehr und mehr Zugeständnisse machen muss, vor allem wenn die Kritik im eigenen Land lauter wird. Denn auch Deutschlands Volkswirtschaft spürt mittlerweile die Auswirkungen der Krise.
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