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OLG Köln widerspricht LG Köln Legaltech betreibt doch keine unerlaubte Rechtsberatung

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Nach Auffassung des Gerichts sei die Software als solche nämlich keine „Tätigkeit“ eines Dienstleisters. Die Tätigkeit der Beklagten beschränke sich lediglich auf das Entwickeln und Bereitstellen der Software. Die nachfolgende Inanspruchnahme des Generators durch die Nutzer sei zwar Tätigkeit in einem konkreten Einzelfall, jedoch nicht in „fremder“ Angelegenheit. Um die Tätigkeit der Nutzer in eigener Sache als eine Tätigkeit der Beklagten in konkreter fremder Angelegenheit ansehen zu können, bedürfe es einer Zurechnungs-Konstruktion. Diese käme nur dann in Betracht, wenn Sinn und Zweck des RDG eine solche Zurechnung erforderten. Das sei jedoch nicht der Fall.

Das Merkmal „rechtliche Prüfung im Einzelfall“

Hätte das RDG dennoch eine solche Zurechnungs-Konstruktion vorgesehen, so würde es wiederum am Tatbestandsmerkmal „rechtliche Prüfung im Einzelfall“ scheitern, so das OLG Köln. Unter Verweis auf die Grundsatzentscheidung des BGH vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18 müsse der Verbotsbereich des RDG auf Fälle echter Rechtsanwendung beschränkt werden. Erforderlich sei in dieser Hinsicht vielmehr, dass die Rechtsberatung oder Rechtsbesorgung objektiv oder nach der Erwartungshaltung des Rechtssuchenden eine besondere Prüfung im Sinne eines juristischen Subsumtionsvorgangs voraussetzt.

Keine Rechtsdienstleistung liege vor, wenn rechtliche Vorgänge nach der maßgeblichen Verkehrsanschauung ohne eine individuelle rechtliche Prüfung abgewickelt werden. Oder wenn die rechtliche Beurteilung einer Frage auch für juristische Laien so leicht und eindeutig ist, dass es einer besonderen juristischen Prüfung nicht bedarf.

Somit sei eine Rechtsdienstleistung eine "Tätigkeit", die zwingend menschliche oder zumindest mitdenkende Aktivität voraussetzt. Dies folge aus den Ausführungen in der Gesetzesbegründung (Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts) zur rechtlichen Prüfung. Es sei stets ein juristischer Subsumtionsvorgang auf Seiten des Dienstleistenden notwendig, der auch über die bloße Anwendung von Rechtsnormen auf einen Sachverhalt hinausgehen muss. Bei einem einfachen IT-Programm der vorliegenden Art, das schematisch vorgegebene Ja-/Nein-Entscheidungsstrukturen abarbeitet, sei ein solcher mehr als rein schematisch ablaufender Subsumtionsvorgang nicht gegeben. Dass der Softwareentwickler die Absicht habe, alle denkbaren Fallkonstellationen zu erfassen, bringe kein anderes Ergebnis mit sich, so das OLG Köln.

Kein komplexer Sachverhalt notwendig

Dennoch sei anzumerken, dass eine Rechtsdienstleistung keinen besonders komplexen Sachverhalt erfordert. Jede spezifische Frage zu einem Einzelfall, deren Beurteilung eine juristische Subsumtion und gegebenenfalls besondere Rechtskenntnisse erfordert, beinhaltet eine Rechtsprüfung. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsprüfung keinen hohen Schwierigkeitsgrad aufweist. Auch sei es dabei nicht erheblich, mit welchen technischen Mitteln die Dienstleistung erbracht wird.

Praxishinweis

Die teilweise Änderung des erstinstanzlichen Urteils durch das OLG Köln lässt den Schluss ziehen, dass eine juristische Prüfung des avisierten Geschäftsmodells in jedem Fall vor Geschäftsaufnahme anzuraten ist, bevor eine solche Software in Form eines Rechtsdokumentengenerators in Betrieb genommen wird. Sinnvoll ist es daher, frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, um etwaige wettbewerbsrechtliche Abmahnungen zu vermeiden.

Das OLG Köln hat vorliegend die Revision zum BGH zugelassen, so dass sich der BGH möglicherweise noch dazu äußern wird. Ob die Revision tatsächlich eingelegt wurde, ist derzeit noch nicht bekannt.


Über den Autor:
Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Er ist Partner und Gründer von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Die Hamburger Kanzlei hat sich unter anderem auf den Gewerblichen Rechtsschutz (Wettbewerbsrecht) und das Informationstechnologierecht (IT-Recht) spezialisiert.

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