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OLG München Diese E-Mail lässt sich nicht als Kündigung deuten

Jens Reichow ist Partner bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow.
Jens Reichow ist Partner bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. | Foto: Jöhnke & Reichow

Der Fall

Ein Handelsvertreter schrieb dem Geschäftsführer des Vertriebs, für welchen er tätig war, eine E-Mail. Darin erklärte er seine Absicht, aus Altersgründen das aktive Tagesgeschäft einstellen zu wollen. Seine Kunden wolle er aber weiter betreuen. Der Handelsvertreter schlug zur Klärung der weiteren Zusammenarbeit ohne Neugeschäfte außerdem ein Gespräch vor. Zudem forderte er den Geschäftsführer auf mitzuteilen, ob dieser unter diesen Umständen noch mit ihm zusammenarbeiten wolle – und in welcher Form.

Der Vertrieb fasste die E-Mail als einseitige Kündigung auf. Daraufhin zog der Handelsvertreter vor Gericht. Er wollte insbesondere festgestellt wissen, dass das zwischen den Parteien abgeschlossene Handelsvertreterverhältnis – mangels Kündigung – unverändert weiter fortbestehe.

Das Urteil

Das Oberlandesgericht (OLG) München konnte der E-Mail des Handelsvertreters an den Geschäftsführer keine ausdrückliche Kündigungserklärung entnehmen. Auch die Auslegung der E-Mail führe nicht zu der Annahme einer Kündigungserklärung.

Laut dem Gericht ist die E-Mail so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben verstehen musste. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden. Dieser muss im Rahmen der Auslegung ermittelt werden. Wendet man diese Grundsätze an und berücksichtigt den Gesamtkontext, so lassen sich laut OLG München die Ausführungen des Handelsvertreters unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes der E-Mail nicht als Kündigungserklärung auslegen.

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Eine Kündigungserklärung muss vielmehr eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass der Vertrag spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet werden soll. Eine derartig eindeutige Erklärung sei dieser E-Mail nicht zu entnehmen, fand das Gericht. Im Gegenteil: Der Handelsvertreter hatte deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich eine weitere vertragliche Beziehung vorstellte. Ein eindeutiger Wille, den Handelsvertretervertrag insgesamt nicht mehr zu wollen, war nicht ersichtlich. Dagegen wird der Wille einer Vertragsänderung deutlich.

Der Handelsvertretervertrag ist laut dem Gericht auch nicht konkludent beendet worden – also durch eine zwingende Schlussfolgerung aus der E-Mail in Verbindung mit der faktischen Beendigung der Tätigkeit für den Vertrieb. Zwar kann grundsätzlich die Kündigung eines Handelsvertretervertrages formlos oder konkludent erfolgen. Der vorliegenden E-Mail ist jedoch weder eine Kündigungserklärung zu entnehmen, noch darf aus der bloßen Untätigkeit des Handelsvertreters auf eine Kündigung des Vertrags geschlossen werden.

Da auch seitens des Vertriebs keine Kündigung des Vertragsverhältnisses erfolgt war, urteilte das OLG München: Das zwischen den Parteien begründete Handelsvertreterverhältnis besteht unverändert fort.

Fazit

Bei der Formulierung und Auslegung von Kündigungserklärungen kommt es oftmals auf den genauen Wortlaut der Formulierung an. Dies zeigt das Urteil des OLG München exemplarisch. Handelsvertreter sollten in entsprechenden Fällen daher bereits frühzeitig anwaltliche Unterstützung in entsprechenden Fällen in Anspruch nehmen, um die eigenen Erklärungen konkret festzulegen und keinen Raum für Auslegungsspielräume zu lassen.


Über den Autor:
Jens Reichow ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrech und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Er ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Die Rechtsanwaltskanzlei veranstaltet regelmäßige Vorträge, Seminare und einen jährlichen Vermittler-Kongress zu vertriebsrelevanten Themen.

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