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Einlagengeschäft „Trade Republics Zinsrakete startet neue Ära des Wettbewerbs“

Frankfurter Bankentürme
Frankfurter Bankentürme: Unternehmensberater Oliver Geiseler, Experte für die Digitalisierung im Finanzsekor, erwartet durch das jüngste Angebot von Trade Republic einen härteren Wettbewerb der Banken: Fintechs wollen mit Neukunden wachsen und kämpfen mit den Platzhirschen um Marktanteile. | Foto: David Mark / Pixabay

Festgeld, Tagesgeld, risikofreier Zins: viele – vor allem junge – Sparer in Deutschland schicken sich 2023 an, finanzielles Neuland zu betreten. Nach Jahren der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die gerade hierzulande viele Bürger im Portemonnaie schmerzte, folgte nun in den letzten Monaten eine Kehrtwende im EZB-Turm. Im Windschatten der US-Notenbank Federal Reserve hat nun auch die Europäische Zentralbank den Kampf gegen die Inflation als oberste Priorität ausgemacht, zum Ärger vieler Staatshaushalte doch zur Freude der Sparer. Wie schnell nun nennenswerte Renditen wieder möglich sind, sorgt nun jedoch für Verwunderung.  

Banken hoffen vergeblich auf zurückhaltenden Margenkampf

Viele Bankenvertreter hatten in den letzten Wochen geradezu mantraartig beschworen, sich als Branche beim Zinswettbewerb zunächst zurückhalten zu wollen. Beim Kampf um Einnahmen hatten viele Institute in den letzten Jahren bereits neue Gebührenmodelle und Negativzinsen verhängt. Zwar ließ sich von dieser Praxis zuletzt bereits eine Abkehr feststellen, beim Endkunden kam das neue Zinsumfeld im Jahr 2022 auf der Anlageseite jedoch kaum an. 

Aufhorchen lässt in der Branche nun aber eine Ankündigung des Neobrokers Trade Republic, welche den angedachten Burgfrieden der Finanzindustrie fix wieder beenden dürfte: Das Berliner Fintech bietet adhoc allen Kunden satte 2 Prozent Zinsen auf täglich verfügbares Geld auf dem Verrechnungskonto. Gezahlt werden diese auf bis zu 50.000 Euro hohe Einlagen, welche gar bis 100.000 Euro staatlich gesichert sind. Damit dringen die Berliner nicht nur in ein gänzlich neues Geschäftsfeld vor, man setzt in puncto Tagesgeld gar eine neue Bestmarke und düpiert die etablierte Konkurrenz. 

Oliver Geiseler ist Senior Partner bei der Beratungsgesellschaft Capco und beschäftigt sich mit den Digitaltrends im Bereich Banking. 
Oliver Geiseler © Capco

Für den Neobroker dürfte sich der Schachzug als strategisch smart erweisen, spricht man somit doch ein noch breiteres Publikum an.  Dies wird auch maßgeblich dazu beitragen, dass sogar in Zeiten des abgekühlten Börsen-Hypes die Wachstumsstory intakt bleibt, die Nachfrage nach Depoteröffnungen dürfte nicht abkühlen. 

Auch unter den Digitalbrokern ist die Verzinsung derzeit ein Alleinstellungsmerkmal. Deutschlands Neobroker rühmen sich bereits zurecht, die Hemmschwelle gegenüber den Finanzmärkten massiv gedrückt zu haben – klar ist auch, dass viele klassische Sparer wohl der Versuchung erliegen werden, mit ETFs, Kryptos und Einzelaktien doch etwas mehr als die sicheren 2 Prozent Rendite herauszuholen. Die Hemmschwelle gegenüber der Aktienanlage dürfte so auch bei Neukunden weiter abnehmen. Für Trade Republic winken damit neue Umsatzpotentiale im Rahmen des etablierten Geschäftsmodells, gleichzeitig dürfte man einen Meilenstein erreichen: Das Unternehmen hat sich zum Ziel erklärt, für Kunden zur zentralen Anlaufstelle bei Investitionsentscheidungen zu werden. 

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Einlagengeschäft wird adhoc zum Wettbewerbsfaktor

Die strategische Erweiterung des Geschäfts ist jedoch auch aus einer anderen Perspektive attraktiv, könnte sie doch die Kapitalkosten deutlich drücken. Zinswende, zögerliche Investorenrunden und Co. setzen auch der Fintech-Branche zu. Mit dem Griff nach dem Einlagengeschäft könnte man die eigene Positionierung deutlich verbessern.

Allerdings galt die Renaissance des Einlagengeschäfts in der gesamten Finanzindustrie bereits als ausgemacht: Auch Banken nutzen seit jeher die Spareinlagen als Gegenfinanzierung, etwa für das Kreditgeschäft. Die Differenz zwischen Kredit- und Sparzins dürfte in den kommenden Monaten jedoch weniger üppig ausfallen als in vielen Strategiezentralen angedacht. Für Kopfzerbrechen dürfte ferner auch sorgen, dass rein digitale, schlanke und kostengünstige Geschäftsmodelle wie jene der neuen Broker es tatsächlich möglich machen, recht stattliche Angebote direkt an den Kunden weiterzugeben. 

 

Für den Sparer sind diese Entwicklungen natürlich erfreulich. Das Geschäft rund um den Zins wird nicht zum Subventionspaket der Etablierten, vielmehr dürfte sich in der Finanzindustrie ein Bieterkampf entwickeln. Andere Neobroker wie auch klassische Banken werden erwägen müssen, ebenfalls mit spektakulären Angeboten die eigene Wettbewerbsposition zu verteidigen. Der Kampf um Neukundenwachstum, Einlagen und Marktanteile wird dafür sorgen, dass die Zinswende zum Jahresstart 2023 auch auf der Anlagenseite beim Kunden ankommt. Da ein Konto- beziehungsweise Depotwechsel längst binnen weniger Minuten möglich ist, dürfen sich Banken weniger denn je auf die Trägheit ihrer Kunden verlassen. 

Über den Autor: 

Oliver Geiseler ist Senior Partner bei der Beratungsgesellschaft Capco und beschäftigt sich mit den Digitaltrends im Bereich Banking. 

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