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Paul Buchwitz: „Wir wollen kein zahnloser Tiger sein“ (Interview)

Nachhaltigkeit ist als Schlagwort aus der öffentlichen Debatte eigentlich kaum noch wegzudenken und dennoch ist das Thema zuletzt in den Hintergrund gerückt. Treiber an den Märkten waren vor allem künstliche Intelligenz und Abnehmspritzen. Paul Buchwitz von der DWS sieht dies jedoch nur als einen vorübergehenden Trend – langfristig wird aus seiner Sicht das Interesse an nachhaltigen Investments wieder steigen, wie er im Interview erklärt. Der von ihm gemanagte Fonds hat das Ziel, sich für den Schutz der Ozeane zu engagieren. Zu diesem Zweck investiert er in Unternehmen, die noch Verbesserungspotenzial im Bereich Nachhaltigkeit haben – und fordert die Veränderung dann auch ein. Unterstützt wird er dabei von einem prominenten Partner: dem WWF Deutschland.
DAS INVESTMENT: Herr Buchwitz, Sie haben 2021 den Fonds DWS Concept ESG Blue Economy (ISIN: LU2306921490) ins Leben gerufen. Dieser verzeichnet für ein Jahr ein kumuliertes Plus von 1,4 Prozent (Stand der Daten: 5. Januar 2024), war aber zwischenzeitlich auch schon deutlich im Minus. Wie zufrieden sind Sie mit der Performance bisher?
Paul Buchwitz: Ich bin nicht zufrieden. Die Performance weicht eindeutig von unserem Anspruch ab. Auch wenn wir einkalkuliert hatten, dass so etwas passieren kann, da der Fonds sehr stark auf bestimmte Bereiche konzentriert ist. Wenn diese Sektoren nicht mit dem Gesamtmarkt mitlaufen, dann ist es auch schwer, hier eine Outperformance zu erzielen. Insbesondere, wenn man innerhalb dieser Sektoren auch noch auf spezifische Sub-Kategorien abzielt.
Das klingt nicht gerade nach einem positiven Ausblick.
Buchwitz: Langfristig ist das Thema strukturell sehr stark. Allerdings muss man Geduld mitbringen. Und natürlich sind damit gewisse Risiken verbunden. Deshalb sollte der Fonds eher eine Beimischung für das Portfolio sein. Aber er eignet sich auch zur Diversifikation, weil viele seiner Werte nicht in den normalen Portfolien vertreten sind. Gerade wenn zum Beispiel das Thema Technologie nicht mehr so en vogue sein sollte, wie es heute der Fall ist.
Würden Sie bitte noch ein bisschen genauer auf die Zusammensetzung des Fonds eingehen? Was meinen sie mit „konzentriert auf bestimmte Bereiche“?
Buchwitz: Wie der Name schon sagt, zielt der Fonds auf die Blue Economy. Da gibt es bestimmte Sektoren, wie zum Beispiel Aquakultur oder Wind-Offshore-Energie sowie die ganze Wertschöpfungskette, die dazu zählt. Container-Schifffahrt und maritimer Tourismus sind ebenfalls große Sektoren. Und dann haben wir eine Gruppe von Unternehmen, die Lösungen dafür anbieten, um diese Transformation hin zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Ozeane zu bewerkstelligen.
Welche Herausforderungen haben Sie?
Buchwitz: Die Unternehmen zu finden, deren Geschäftsanteil bei der Industrie bereits relativ hoch ist. Ein Beispiel aus dem Bereich Aquakultur: Hier suchen wir Unternehmen, die dazu beitragen, dass bei Lachsfarmen kein Fischmehl aus gefangenen Fischen oder Fischöl als Futtermittel eingesetzt wird. Stattdessen wird ein algenbasiertes Futtermittel verwendet. Da die Preise für Fischöl derzeit auf einem Rekordhoch sind, wird somit auch das Wettbewerbs-Produkt konkurrenzfähiger.
Können Sie auch noch was zur Gewichtung innerhalb Ihres Portfolios sagen? Sie sagten bereits, Container-Schifffahrt sei ein Schwerpunkt, ebenso Offshore-Windenergie. Sind das die beiden wichtigsten Säulen?
Buchwitz: Momentan ist der größte Bereich Wind-Offshore. Dabei investieren wir aber nicht nur in die offensichtlichen Unternehmen, also nicht nur die OEMs. Entlang dieser Wertschöpfungskette gibt es viele attraktive Nischen. Zum Beispiel gibt es Unternehmen, die sich nur um den Service von Windfarmen kümmern. Oder Unternehmen, die spezielle Schiffe für die Installation von Windturbinen bereitstellen. Die sind teilweise bis 2027 und darüber hinaus ausgebucht. Groß ist auch der Anteil des im Portfoliokontext eher defensiven Bereichs der Aquakultur. Hier haben wir zuletzt noch einmal ausgebaut. Hinzu kommen die Test- und Zertifizierungsunternehmen. Grundsätzlich – und das ist auch ein struktureller, langfristiger Trend – gibt es immer mehr Nachfrage nach solchen Zertifizierungen.
Was ist der Grund dafür?
Buchwitz: Das Gute als Absicht zu haben, ist wichtig. Aber die Performance langfristig natürlich ebenso. Wenn diese Entwicklung am Markt, wie wir sie jetzt sehen, noch länger anhält, dann verlieren die Investoren womöglich die Geduld. Das mussten wir anerkennen und im Portfolio umsetzen. Deshalb sind wir nun ein bisschen defensiver in den Bereichen Recycling- sowie Waste-Management investiert, auch stärker in den USA.
Sie sagten vorhin, dass Sie mit der Performance des Fonds nicht zufrieden sind. Nachhaltigkeit ist als Schlagwort in aller Munde - da sollte die Entwicklung dann doch eigentlich zufriedenstellender sein. Oder ist das ein Trugschluss, weil doch andere Themen mehr im Vordergrund standen in den letzten Jahren?
Buchwitz: Ich sage immer, es gibt zwei Themen derzeit: Das sind künstliche Intelligenz und Übergewicht. Und alles, was drumherum ist, wird nicht beachtet. Und natürlich ist es schwer, wenn Technologie der Fokus und Treiber ist. Wir haben fast nichts an klassischer Technologie - es ist einfach nicht das Thema des Produktes.
Macht Ihnen dieser Fokus auf „künstliche Intelligenz und Übergewicht“ Sorgen?
Buchwitz: Das ist derzeit wirklich eine enorme Marktkonzentration, die wir selten so gesehen haben. Meiner Meinung nach wurden die Zahlen aus der Berichtssaison in diesem Bereich auch stets sehr wohlwollend interpretiert. Man erwartet halt ein riesiges Wachstum. Zugleich werden Unternehmen in allen anderen Bereichen stark abgestraft, wenn die Erwartungen nur knapp verfehlt werden. Dass viele Aspekte im Bereich Nachhaltigkeit von den Investoren nicht mehr als glaubwürdig erachtet werden, bereitet mir ehrlich gesagt weitere Kopfschmerzen.
Können Sie das näher erläutern?
Buchwitz: Nehmen wir den Inflation Reduction Act in den USA. Es gibt dort ein riesiges Commitment, enorme Subventionen, die zum Teil in profitable und attraktive Industrien gehen wie die Solarindustrie, aber auch in Industrien, die erst durch die Förderung deutlich an Attraktivität gewinnen. Dazu zählen Wasserstoff, Batteriespeicher oder Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2.
Aber man sieht trotzdem, dass Investoren dort ihr Geld rausziehen. Das mag mit den anstehenden Wahlen zusammenhängen. Man weiß nicht, was kommt. Aber wenn man die Historie von Subventionen in den USA betrachtet, dann ist es eher so, dass solche, die einmal eingerichtet worden sind, selten gleich wieder gestrichen werden.
Meiner Ansicht nach ist diese Angst deshalb übertrieben. Es gibt viel mehr Chancen. Denn die genannten Industrien und damit die Arbeitsplätze befinden sich überwiegend in republikanischen Staaten. Und welcher Senator stellt sich denn gegen die? Aber momentan spielt das keine Rolle und die Unternehmen werden abgestraft, obwohl die Subventionen beschlossen sind und sich die Ergebnis-Schätzungen nicht verschlechtern.