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Luca Pesarini, Ethenea: „Die ultralockere Geldpolitik führte zum Inflationsproblem“
DAS INVESTMENT: Mischfonds kommen nach dem Ende der Zinsanstiege wieder in Schwung. Ihr Flaggschifffonds Ethna-Aktiv performte in den zurückliegenden drei Jahren zudem deutlich stärker als seine Wettbewerber im Schnitt. Mit welchen Maßnahmen haben Sie dies erreicht?
Luca Pesarini: Die beiden zurückliegenden Jahre waren für Multi-Asset-Fonds sehr herausfordernd. Die Zentralbanken haben einen Paradigmenwechsel vollzogen und sind von der Nullzinspolitik abgekehrt. Darunter litten sowohl Aktien als auch Anleihen. Herkömmliches Diversifizieren war zum Scheitern verurteilt, aktive und flexible Lösungsansätze waren gefragt. Exakt da haben wir 2022 angesetzt: schnelle Absicherung der Aktienrisiken und insbesondere die Übersicherung der Zinsrisiken haben in diesen herausfordernden Zeiten den Fonds stabil gehalten.
Im darauffolgenden Jahr war es erneut wichtig, sich dem Konsens zu widersetzen, zumindest zwischenzeitlich. Die negative Sicht auf die wirtschaftlichen Entwicklungen haben wir nicht geteilt. Deshalb haben wir relativ schnell sämtliche Sicherungen glattgestellt. Das war genau richtig, anschließend konnten wir von dem sich entwickelnden Bullenmarkt ansprechend profitieren.
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DAS INVESTMENT: Mischfonds kommen nach dem Ende der Zinsanstiege wieder in Schwung. Ihr Flaggschifffonds Ethna-Aktiv performte in den zurückliegenden drei Jahren zudem deutlich stärker als seine Wettbewerber im Schnitt. Mit welchen Maßnahmen haben Sie dies erreicht?
Luca Pesarini: Die beiden zurückliegenden Jahre waren für Multi-Asset-Fonds sehr herausfordernd. Die Zentralbanken haben einen Paradigmenwechsel vollzogen und sind von der Nullzinspolitik abgekehrt. Darunter litten sowohl Aktien als auch Anleihen. Herkömmliches Diversifizieren war zum Scheitern verurteilt, aktive und flexible Lösungsansätze waren gefragt. Exakt da haben wir 2022 angesetzt: schnelle Absicherung der Aktienrisiken und insbesondere die Übersicherung der Zinsrisiken haben in diesen herausfordernden Zeiten den Fonds stabil gehalten.
Im darauffolgenden Jahr war es erneut wichtig, sich dem Konsens zu widersetzen, zumindest zwischenzeitlich. Die negative Sicht auf die wirtschaftlichen Entwicklungen haben wir nicht geteilt. Deshalb haben wir relativ schnell sämtliche Sicherungen glattgestellt. Das war genau richtig, anschließend konnten wir von dem sich entwickelnden Bullenmarkt ansprechend profitieren.
Welche Teile des Portfolios haben Sie konkret angepasst?
Pesarini: Die jüngsten Anpassungen haben wir im Aktienportfolio umgesetzt und betreffen weniger das grundsätzliche Exposure. Nach dem sehr guten Lauf und der enormen Fantasie, die mittlerweile in den großen Technologie-Aktiengesellschaften Amazon, Alphabet, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla, den sogenannten „Glorreichen Sieben“, eingepreist ist, haben wir uns vorerst von diesen Titeln getrennt. Wir setzen für die nächste Zeit auf eine Aktienrally, die von einer größeren Marktbreite getragen wird. Nach einer Konsolidierung im Zeitraum Oktober bis Januar ist für uns der Trend bei den längerfristigen Zinsen jetzt wieder klar nach oben gerichtet. Dementsprechend haben wir erneut die Zinssensitivität des Portfolios reduziert.
Welche Investments haben jüngst am meisten zur Performance beigetragen?
Pesarini: Im vergangenen Jahr natürlich Aktien, die mit über 6 Prozent das Gros der Performance lieferten. Anleihen trugen knapp über 3 Prozent bei. Bei Einzeltiteln stechen Nvidia und Meta heraus. Beide gehörten zu den größten Positionen im Portfolio und haben sich sehr gut entwickelt.
Sowohl eine Dekade niedriger Zinsen als auch die maßlose Bereitstellung von Liquidität im Zuge der Covid-Krise äußerten sich mit etwas Verzögerung in stark angestiegenen Teuerungsraten.
Welche Rolle spielen übergeordnete Faktoren wie Zinspolitik, geopolitische Konflikte sowie die Präsidentenwahlen in den USA für Ihr Management und was erwarten Sie?
Pesarini: Für die Steuerung des Ethna-Aktiv sind unsere Erwartungen und Schlussfolgerungen bezüglich des makroökonomischen Umfelds ausschlaggebend. Am Ende des Tages sind es die Unternehmensgewinne und deren Wachstum, die die Werthaltigkeit der Investments ausmachen – jedoch sind diese längerfristig betrachtet stark von dem sich bietenden Umfeld abhängig. Die Aspekte Zinspolitik und Geopolitik sind nur Teil eines viel größeren Gesamtbilds.
Wir versuchen alle Dimensionen zu berücksichtigen und entwickeln für uns plausible Investmentszenarien. Entscheidend für unsere Allokation ist weniger der Ausgang einer Wahl oder eines Konflikts, sondern viel mehr die daraus abzuleitenden Wahrscheinlichkeiten für die Entwicklung der unterschiedlichen Assetklassen. Aktuell haben wir aus diesem Grund auch unsere größte Überzeugung im Zinsbereich. Unabhängig von dem Ergebnis der Wahl werden die USA auch weiterhin einen Präsidenten haben, der munter schuldenfinanziertes Geld ausgibt. Der Preis dafür – also der Zins – wird deshalb steigen.
Wie zufrieden sind Sie mit der Inflationsbekämpfung und der Notenbankpolitik insgesamt?
Pesarini: Grundsätzlich hat uns die ultralockere Geldpolitik überhaupt erst zum Inflationsproblem geführt. Sowohl eine Dekade niedriger Zinsen als auch die maßlose Bereitstellung von Liquidität im Zuge der Covid-Krise äußerten sich mit etwas Verzögerung in stark angestiegenen Teuerungsraten. Der Kampf gegen die Inflation durch die Zentralbanken wurde aus meiner Sicht – insbesondere durch die Europäer – zu lange hinausgezögert, dann aber konsequent und mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich umgesetzt. Künftig sollten sich die Zentralbanken wieder auf ihre ursprünglichen Mandate fokussieren. Wenn sie zusätzlich zum Sündenbock verfehlter Schuldenpolitik und zum Hüter ESG-konformen Investierens gemacht werden, haben sie keine Chance, ihrer eigentlichen Aufgabe gerecht zu werden.
Wie können Sie dieses Umfeld bei ihrem Fondsmanagement berücksichtigen?
Pesarini: Eines sollte klar sein: Direkten Einfluss haben Zentralbanken nur auf das kurze Ende der Zinskurve. Was sie dort machen, kommunizieren sie in der Regel exakt. Dementsprechend ergibt es für uns mehr Sinn, Zinsbewegungen am langen Ende zu antizipieren und hoffentlich in richtige Positionierungen umzusetzen. Am langen Ende gehen wir aufgrund der wirtschaftlichen Stärke, weiterhin konstanter Inflationserwartungen und der hohen Staatsverschuldung von steigenden Zinsen aus. Deshalb haben wir die Zinssensitivität in unseren Portfolien deutlich reduziert.
Die Aktienquote im Etna-Aktiv liegt aktuell netto bei 30 Prozent. Was spricht derzeit dafür, dass Anleger auf defensiv aufgestellte Mischfonds setzen sollten?
Pesarini: Da hilft ein schneller Blick in das 1x1 der Portfoliotheorie: Gehen wir vereinfacht von einem Zwei-Asset-Portfolio aus Aktien und Anleihen ohne Korrelationseffekte aus. Noch vor nicht allzu langer Zeit standen Anleihen mit einer erwarteten Rendite von circa einem Prozent Aktien gegenüber, von denen 8 Prozent Ertrag erwartet wurde. Das konservative 30/70-Aktien-Anleihen-Portfolio hatte deutliche Nachteile gegenüber dem 70/30-Pendant.
Aktuell können wir für konservative Anleihen aber rund 4 Prozent Ertrag erwarten, während wir aufgrund der höheren Bewertung bei Aktien nur noch 6 Prozent Ertrag einrechnen können. Die Ertragsdifferenz zwischen beiden Portfolien ist jetzt nur noch minimal. Jedoch ist die Risikokomponente des konservativen Produktes deutlich kleiner. Aus einer Ertrags-Risiko-Betrachtung ist somit aktuell der defensive Mischfonds das zu bevorzugende Investment.
Sie haben nach eigenem Bekunden zeitweise auch „unkonventionelle Positionen“ erfolgreich aufgebaut. Haben Sie Beispiele solcher Maßnahmen?
Pesarini: Natürlich. Als prägnantestes Beispiel ist die Steuerung der Zinssensitivität im Jahr 2022 zu nennen. Im für Anleihen schlimmsten Jahr seit den 1980er-Jahren hat der Anleihenteil unseres Fonds sogar leicht positiv rentiert. Das Fixed-Income-Portfolio war zwar recht konservativ strukturiert, aber dennoch fast voll investiert. Sowohl die ausgeweiteten Kreditaufschläge als auch der stark steigende Zins setzten selbst diesem Portfolio enorm zu.
Da musste ein Ausgleich her. Wir haben die Zinssensitivität – gemessen in modifizierter Duration – nicht nur gesichert, sondern massiv übersichert. So konnten wir vom eingetretenen Zinsanstieg derart profitieren, dass Verluste aus dem Rückgang der Anleihenpreise mehr als egalisiert wurden. Diese Sicherung wurde zeitgerecht aufgelöst. So konnten wir die damit verbundenen Gewinne vereinnahmen.
Welche Investments ihres Anlageuniversums meiden Sie und warum?
Pesarini: Grundsätzlich meiden wir Investments in High-Yield-Anleihen. Insbesondere in Stressphasen verhalten sich diese Anlagen wie Aktien – das heißt, sie korrelieren zu stark. Jedoch werden diese Anlagen in solchen Phasen extrem illiquide. Nicht nur, dass man sie im Rahmen des Risikomanagements nicht mehr verkaufen kann, selbst ein opportunistischer Kauf funktioniert nur sehr eingeschränkt. Wir substituieren diese Anlageform lieber über eine leicht höhere Aktienquote, die aber zu jeder Zeit hoch liquide ist. Für täglich liquide Fonds ist das der verantwortungsvollere Weg.
Mit welchen Renditen und Schwankungen sollten Anleger künftig rechnen?
Pesarini: Wirklich steuern kann man nur das einzugehende Risiko. Das lässt sich in verschiedenen Kennziffern darstellen. Volatilität, also die Schwankung, ist nur eine davon. Wir streben eine Volatilität von circa 5 Prozent für den Fonds an. Abhängig von verschiedenen Faktoren wie Zins-, Liquiditäts- und Wachstumsumfeld variieren die Bewertungen und damit die möglichen Erträge. Unser Anspruch ist es, eine Rendite über der Volatilität für unsere Kunden zu erwirtschaften.
Über den Interviewten:
Luca Pesarini ist Investmentchef (CIO) von Ethenea und leitender Portfoliomanager des Ethna-Aktiv (ISIN: LU0431139764).