


Gravina Island liegt vor dem 8000-Seelen-Städtchen Ketchikan in einer abgelegenen Ecke Alaskas. Auf der Insel gibt es gerade mal 50 Leute und einen Flughafen. Die US-Regierung wollte 2011 im Rahmen eines Stimulusprogramms eine Brücke von Ketchikan nach Gravina Island bauen.
Keine kleine Sache: Geplant war eine Brücke so lang wie die Golden Gate Bridge und höher als die Brooklyn Bridge für rund 400 Millionen Dollar. Es regte sich Widerstand dagegen und das Projekt ging als sprichwörtliche „Bridge to Nowhere“ in die Geschichte ein, bevor es schlussendlich begraben wurde. Bis heute sind solche Brücken ins Nirgendwo eine Warnung für alle, die staatliches Ausgabenwachstum mit automatischen Wohlstandsgewinnen gleichsetzen.
Höhere Staatsausgaben liefern geringeres Wirtschaftswachstum
Wenn mehr Staatsausgaben auf Pump ein Rezept für mehr Wachstum und Wohlstand wären, würden wir alle schon lange im Schlaraffenland leben. Denn an Versuchen der Politiker hat es wirklich nicht gefehlt. Von Argentinien bis Zimbabwe, von Deutschland über Japan bis in die USA: Wieder und wieder wurden vollmundige Stimulusprogramme angekündigt und von vielen Wählern wie Ökonomen freudig begrüsst.
Doch die Ausbeute daraus war meist bescheiden und in der Tendenz sogar eindeutig schädlich: Dies ergab eine breit angelegte Studie der Quants von Research Affiliates. In den Industrieländern der OECD sind höhere Staatsverschuldungen seit 1981 klar negativ mit dem Wirtschaftswachstum pro Kopf korreliert. Es ergab sich eine statistisch signifikante Korrelation von -0.53 (siehe Grafik unten).

Ein Anstieg der Staatsverschuldung um 10 Prozentpunkte über fünf Jahre ging im Schnitt mit einer Reduktion der jährlichen Wachstumsrate eines Landes um 1,24 Prozentpunkte einher. Zieht also zum Beispiel die deutsche Bundesregierung ihr vom Markt bejubeltes Schuldenprogramm durch und erhöht die Schuldenquote mit 1.000 Milliarden Euro um die geplanten 20 Prozentpunkte des BIP, wären über fünf Jahre mit 2,5 Prozent weniger Wachstum pro Jahr zu rechnen oder verteilt über 10 Jahre mit 1,24 Prozent weniger. Nicht gerade das, was sich die Bürger und der Markt erhoffen.
Allerdings stellen Korrelationen keine Kausalität dar. Theoretisch ist es auch denkbar, dass die Verschuldungsquoten vor allem in Staaten wachsen, die eine wirtschaftliche Krise durchmachen wie zum Beispiel die südeuropäischen Länder in der Eurokrise. Massive Schuldenanstiege wie sie derzeit in den USA oder Frankreich stattfinden und in Deutschland geplant werden, sind ausserhalb einer Krise oder Kriegszeiten die historische Ausnahme.
Gleichwohl deuten auch andere Betrachtungsweisen der Daten für die Industrieländer langfristig stark darauf hin, dass mehr Schulden und Staatsausgaben nicht zu mehr Wohlstand führen. Wie eingangs erwähnt, wäre dies ein zu einfaches Rezept, um Reichtum für alle zu erzeugen.
Eine weitere Regressionsanalyse von Research Affiliates für die OECD-Staaten seit 1981 zeigt, dass hohe Anteile von Staatsausgaben am BIP, genannt Staatsquote, generell mit tieferen jährlichen Wachstumsraten des BIP pro Kopf zusammenhängen (siehe Grafik nächste Seite). Die statistisch sehr signifikante Korrelation beträgt hierbei -0.47. Länder mit hohen Staatsquoten wachsen langfristig weniger.

Auch eine Veränderung der Staatsausgaben zum BIP, also nicht zwingend wie eingangs gezeigt durch Neuverschuldung, sondern zum Beispiel durch höhere Steuern, führte gemäss der Studie zu tieferen Wachstumsraten pro Kopf.
Brücken ins Nirgendwo, Verschwendung und Fehlanreize sind offensichtlich nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel. Es gibt aber noch weitere Effekte: Expandierende Staatsausgaben ziehen Arbeitskräfte und Ressourcen aus der Privatwirtschaft, wo Innovation und Produktivität mehr belohnt werden als im staatlichen Sektor, wo das Schwergewicht der Bürokratie auf Stabilität und Fehlervermeidung liegt. Selbst wenn das Geld vom Staat nicht direkt verschleudert wird, würde es der Privatsektor wohl produktiver einsetzen. Daraus ergeben sich unter anderem die tieferen Wachstumsraten.
Der Begriff „Stimulus“ ist völlig unangebracht
Es stimmt diesbezüglich wenig zuversichtlich, dass die geplanten Ausgabenprogramme in Europa vor allem in die Wiederaufrüstung und in die „grüne Energiewende“ fliessen sollen. Beides nicht gerade Bereiche, die mit höherem Wohlstand und mehr Produktivität einhergehen, auch wenn sie sicherheitspolitisch notwendig sein können. Entgegen den vollmundigen Versprechungen führt ein höherer Anteil von „grünen Energien“ an der Stromproduktion zu tendenziell höheren Strompreisen für die Verbraucher
Ein weiterer Folgeeffekt höherer Staatsverschuldung sind meist steigende Zinsen, da die Zweifel an der Solvenz des Souveräns wachsen. Dies wiederum macht Kapital für Investitionen teurer und wirkt sich ebenfalls dämpfend auf die Wachstumsraten aus.
Mit Blick auf die historischen Daten ist das gängige Vokabular mit Ausdrücken wie „Stimulus“ oder „Investitionsprogramm“ deshalb völlig unangebracht. Man müsste datengemäss von wachstumsdämpfenden Massnahmen sprechen. Die grosse Gefahr für Staaten auf diesem Pfad ist, dass sie in eine negative Spirale von immer höheren Staatsschulden und tieferen Wachstumsraten geraten.
Einzelne Unternehmen wie Rheinmetall in Deutschland mögen vom staatlichen Geldsegen profitieren. Für die Volkswirtschaft als Ganzes resultiert jedoch ein Minus. Und die Anleihen der Länder mit grossen Stimulusprogrammen werden zu einer gefährlichen Anlage, die wir mit Blick auf die historische Datenlage tunlichst meiden werden. Es sind keine Brücken in eine bessere Zukunft.
Über den Autor: Der studierte Psychologe Peter Frech ist Value-Investor aus Überzeugung und Leidenschaft. Seit 2007 arbeitet er als Fondsmanager beim Schweizer Vermögensverwalter Quantex in Zürich und ist für den Global Value und den Strategic Precious Metal Fund verantwortlich. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Geschichte, Strategiespielen und dem Piano.
Der Text stammt aus dem monatlichen Anlegerbrief QuantexWerte.